Angst macht große Augen. L.U. Ulder. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: L.U. Ulder
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738016017
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Bewegungen machte. So ein Schweinehund, dachte er, verteilt seinen Müll gleichmäßig auf dem Weg.

      Entschlossen startete er den Motor, schaltete das Licht ein und fuhr auf dem holprigen Weg den Autos entgegen. Am äußeren Rand des Lichtkegels erkannte er zwei Männer, die einen Augenblick lang wie erstarrt in ihren Bewegungen verharrten. Und dann ging alles ganz schnell, eine der Person warf etwas weg, Nissen meinte, einen Benzinkanister zu erkennen. Eine Flamme züngelte über den Feldweg entlang, während die beiden Männer zu dem Geländewagen liefen. Als der Bauer in den Querweg eingebogen war und den Kombi erreichte, krabbelten erste Flammen über die Karosserie des Fahrzeuges. Der große Geländewagen wurde hastig über den Weg, den er gekommen war, zurückgesetzt. Die Fernscheinwerfer waren eingeschaltet, sie blendeten derartig, dass er weder den Fahrzeugtyp geschweige denn das Kennzeichen erkennen konnte. Er wollte einen Versuch starten, an dem zurückgelassenen Auto vorbei zu kommen, ließ es aber sofort, als das rechte Vorderrad hinter dem Rand des kleinen Damms abzurutschen drohte. Auf dem von tiefen Gräben gesäumten Weg gab es kein Vorbeikommen. Der Landwirt setzte zurück, um seinen Suzuki weit genug von dem brennenden Auto stehen zu haben und blieb beim Herausspringen in der Decke hängen, die immer noch um seine Beine geschlungen war. Fluchend konnte er sich befreien und gelangte endlich aus seinem Wagen. Er reckte den Hals und sah noch, wie der große Geländewagen bereits die Kuppe erreicht hatte und aus seinem Sichtbereich verschwand. Dafür loderten die Flammen immer höher. Hinnerk lief nach hinten und riss einen Feuerlöscher aus dem Kofferraum. Der Münsterländer wollte ebenfalls die Gelegenheit nutzen und herausspringen, blieb aber widerstrebend sitzen, nachdem er von seinem Herrchen entsprechend angeranzt wurde.

      Nissen gelang es, den größer werdenden Brand mit dem letzten Rest seines Pulverlöschers zu ersticken. Verwundert schaute er auf den verschmorten Lack des offensichtlich nur wenige Jahre alten Pkw und überlegte, aus welchem Grund die Unbekannten wohl den Brand gelegt haben mochten. Weil das Feuer auf dem Dach und auf der Fahrerseite gezüngelt hatte, fasste er das Auto wegen der befürchteten Hitze an dieser Stelle gar nicht erst an. Er ging herum zur Beifahrerseite und öffnete die hintere Tür. Mit einer kleinen Taschenlampe leuchtete er hinein.

      „Verdammt, was ist das denn?“, brüllte er sofort erschrocken, zog sich hektisch zurück und warf die Tür mit Schwung zurück ins Schloss. Aufgeregt tastete er in seiner Jacke nach dem Handy. Die Finger zitterten, als er die Nummern für den Notruf eingab.

      7.

      Valerie und Zoé hatten jede freie Minute gemeinsam verbracht, seit Anna-Lena und Stefan am Samstag in den Urlaub gefahren waren. Am Sonntag wollte die Kleine unbedingt in den Zoo gehen, obwohl das Wetter alles andere als vielversprechend war. Mit Regenjacken und Gummistiefeln wurde es trotzdem ein wunderschöner Nachmittag.

      Am Montag musste Zoé wieder in die Schule, das entlastete Valerie als Alleinunterhalterin ein wenig und sie konnte vormittags zur Baustelle fahren. Weil ein paar Tage zuvor Estrich verlegt worden war, war ein Betreten der Haushälften noch nicht möglich. Die Gartenbaufirma hatte versprochen, mit den Außenanlagen zu beginnen, nur war vom Gärtner keine Spur zu sehen. Verärgert schaute Valerie auf die Uhr und rief bei der Firma an. Wortreich entschuldigte die Sekretärin den nicht anwesenden Firmeninhaber und versprach, dass am nächsten Morgen ganz früh die Arbeiten beginnen würden.

      So war es dann auch, am Dienstagmorgen standen zwei Lkw mit Anhänger vor den Grundstücken. Mehrere Arbeiter waren hinter dem Doppelhaus mit schwerem Gerät am Werken. Zufrieden fuhr Valerie in die Stadt. Am Nachmittag ging sie mit Zoé hinunter zum Spielplatz, der sich gleich hinter dem Appartementhaus befindet. Die Frau, die sie unmittelbar danach von hinten ansprach, hatte sie zunächst gar nicht wahrgenommen, zu sehr war sie auf das Kind fixiert, das sich an einem Klettergerüst ausprobierte.

      „Sie Detektivin?“

      Sie sprach in einem harten, osteuropäisch klingenden Slang und einer Überbetonung der letzten Silbe. Valerie runzelte die Stirn und drehte sich um. Hier war sie noch nie auf ihren Beruf angesprochen worden.

      „Ja“, antwortete sie zögerlich.

      Die Frau war sehr klein, keine 1,60 cm groß und zierlich. Ihr Haar war glatt und pechschwarz, genauso wie die Augen. Aber am Auffallendsten war ihr sich herauswölbender Bauch. Sie schien kurz vor der Geburt zu stehen.

      „Sie mir helfen müssen.“

      Die Worte kamen sehr bestimmt heraus.

      „Aha.“

      Valerie blieb reserviert. Sie wusste, dass es manchmal nur Unsicherheit war, die diesen Tonfall produzierte, aber sie mochte diese Art der Gesprächsführung nicht sonderlich.

      Die Frau tippelte zu einer Holzbank, nahm schwerfällig Platz und tippte mit der Hand auf den Platz neben sich.

      „Setzen, bitte.“

      Der Ton wurde weicher.

      „Ich brauche Hilfe. Mann ist weggelaufen.“

      Weil sie so klein war, schaute sie Valerie von unten direkt in die Augen. Die wich dem traurigen Blick vorsichtshalber aus und nahm so viele Einzelheiten wie möglich auf. Der abblätternde schwarze Nagellack, von Tränen verlaufene und verwischte Schminke um die Augen herum, abgerissene Kleidung.

      „Ihr Mann? Der Vater des … ?“

      Sie zeigte auf den Bauch.

      „Ja, er ist Vater. Kommen aus Tschetschenien. Wollten hier schönes Leben. Jetzt Azamat ist weggelaufen. Hat er Angst vor meinen Brüdern.“

      Der selbstsichere Ton am Anfang war gewichen, die fremde Frau wirkte verzweifelt. Valerie konnte nicht anders, sie legte ihre Hand auf den Handrücken der Tschetschenin.

      „Erzählen Sie weiter. Ich höre Ihnen zu.“

      Die Frau schnappte nach Luft, als müsse sie Tränen unterdrücken.

      „Ich Muslima. Azamat Christ. Wir nicht heiraten können in Heimat, deshalb wir kommen hier. Aber jetzt meine Brüder machen Angst mir, haben gesagt sie Azamat töten. Sie helfen mir bitte, bitte. Sonst mein Aza tot.“

      Tränen liefen ihr über die Wangen und beschädigten das Augenmakeup weiter. Valerie musste schlucken.

      „Meinen Sie, dass Ihre Brüder ihm etwas antun würden.“

      „Bitte Sie helfen. Muss ihn finden vor meinen Brüdern.“

      Die Frau verzog plötzlich das Gesicht und hielt sich mit beiden Händen den Bauch, als würden heftige Stiche durch ihren Leib jagen.

      „Ist alles in Ordnung mit dem Kind? Wann ist es denn soweit?“

      „Noch sechs Wochen, Arzt sagt.“

      Die Züge entspannten sich wieder.

      „Darf ich mal anfassen?“, fragte Valerie. Ihr war eingefallen, dass sie selbst einmal eine Schwangere vorgespielt hatte. Ein Lächeln ging durch das Gesicht der fremden Frau und sie reckte ihren Bauch stolz vor. Valerie legte ihre Hand vorsichtig auf die Rundung. Der Bauch war echt, daran gab es keinen Zweifel. Er war warm, sie konnte sogar eine schwache Bewegung spüren, wenn sie sich konzentrierte. Einen winzigen Augenblick waren Valerie und die Tschetschenin über das Kind im Leib verbunden.

      „Wäre es nicht besser, Sie gingen zur Polizei?“, stellte Valerie den Abstand wieder her.

      „Nein, keine Polizei.“

      Da war er wieder, der selbstbewusste, beinahe abweisende Ton.

      „Kein Vertrauen in Polizei, in Russland nicht und hier auch nicht. Muss ihn nur schnell finden. Dann wir gehen woanders hin.“

      „Ich weiß nicht recht“, versuchte es Valerie ein letztes Mal.

      „Sie meinen, haben kein Geld für Suche. Warten.“

      Obwohl Valerie abwehrte, hielt die Frau plötzlich ein dickes Bündel Geldscheine in der Hand, alles Hunderter, soweit Valerie sehen konnte.

      „Stecken Sie Ihre Geld weg. Das meinte