Samuel, dem dieser Vorfall unerklärlich und unangenehm war, eilte zum Telefon. Don José hielt ihn davon ab, er wolle alles selbst regeln und beruhigte ihn.
„Du hast Recht, edler Freund. Schlimme Zeiten sehe ich auf uns zu kommen.“
„Beruhige dich, mein Freund, für jedes Problem gibt es mindestens eine vernünftige Lösung“, sagte Don José und warf einen Blick auf Alida.
„Alida pack einige Sachen zusammen und komm wieder hierher. Wir warten auf Edy und Erol. Alles weitere wird kein Problem mehr sein.“
Dann verschwand er ins Esszimmer, kam aber schnell wieder zurück.
„Wie ist ihr Name?“ fragte Don José das Zimmermädchen, die noch immer geschockt da saß. Es dauerte einige Sekunden, ehe sie antwortete:
„Ich heiße Christine, mein Herr.“
„Gut so Christine. Haben Sie eine Familie in Brisbane?“
„Nein, mein Herr, nur eine Schwester in Woolongong.“
„Sehr gut, liebe Christine, jetzt gut zuhören. Ich gebe Ihnen reichlich Geld für einige Monate. Sie kaufen sich ein Ticket und fahren mit dem Reisebus nach Sydney. Sie gehen jetzt ganz ruhig in Ihren Umkleideraum, packen Ihre Sachen, erklären ihrer Kollegin, dass es ihnen schwindelig sei und melden sich vom Dienst ab. Dann nehmen Sie ein Taxi und fahren nach Hause. Das Taxi soll nicht auf Sie warten. Wenn Sie gepackt haben, rufen Sie ein anderes Taxi und fahren zum Busbahnhof. Haben Sie alles gut verstanden, Christine?“
„Ich habe alles gut verstanden, mein Herr.“
„Sehr gut, liebe Christine.“
Don José griff in seine Hosentasche und zog ein dickes Dollarbündel heraus. Er zählte etwa zwanzig Hundertdollarscheine ab, griff in die Jackentasche, holte das Bündel das er dem Spanier abgenommen hatte heraus und sortierte alles zusammen. Dann beugte er sich zu Christine, küsste sie auf die Stirn und flüsterte ihr ins Ohr:
„Wir kümmern uns um dich, Christine, bis ans Ende deines Lebens. Schreibe mir an diese Adresse, wenn du in Woolongong angekommen bist.“ Er legte das Geld und eine Visitenkarte in ihre zarten Hände. In diesem Augenblick fühlte sich die junge Frau wie verwandelt.
„Gute Reise, liebe Christine“, rief er ihr hinterher als sie zur Tür eilte.
„Danke, mein Herr, vielen Dank“, sagte sie leise und verschwand im Flur.
Don José fasste Samuel unter den Arm und führte ihn ins Esszimmer.
„Setz dich, mein Freund, wir haben so einiges zu bereden.“ Dann ging er zum Kühlschrank und öffnete zwei Flaschen Bier.
„Prost, Samuel!“
„Prost, edler Herr!“
„So mein, Freund, jetzt haben wir unsere Kehle angefeuchtet und die Seele erfrischt. Mal sehen, was wir aus den Papierchen der ungebetenen Gäste alles erfahren.“
Don José nahm alle Papiere aus den Portmonees, Zettel, Rechnungen, Visitenkarten etc. und fischte aus einem Versteck ein kleines, zusammengefaltetes Stück Papier. Das Zettelchen das am Rande verschmiert war deutete auf mehrfachen Gebrauch hin. Als er es entfaltete, pfiff er leise durch die Zähne:
„Siehe da, was wir hier haben. Fünf Telefonnummern mit A wie Adelheid, M wie Melbourne, S wie Sydney, B wie Brisbane und das letzte Ma.. Was könnte das sein. Vielleicht Madrid, weil die Zahlen länger sind.“
„Wie lautet die Nummer in Brisbane, Don?“
„Meinst du, du kannst die Nummer jemandem zuordnen?“ fragte er und reichte Samuel den Zettel. Don José hörte Geräusche im Wohnzimmer. Er stand auf und sah Edy und Erol ins Zimmer kommen.
„Wir haben gebunkert, Don. Wo sollen wir das Schiff hinsegeln?“ fragte Erol, betrachtete flüchtig die Brieftasche auf dem Tisch und holte ebenfalls zwei Bierflaschen aus dem Kühlschrank.
„Das tut richtig gut nach der elenden Plagerei. Die Kerle sind schwer, kann ich dir sagen. Prost allerseits.“
„Prost, Freunde!“ ergänzte Edy und trank gierig ohne abzusetzen.
„Samuel, du siehst blass aus. Was soll das bedeuten, mein Freund?“
„Und ob, und ob, das ist unfassbar, ausgerechnet Mizra.“
„Wer, bitte ist Mizra? Jemand, den wir kennen?“ fragte Don José mit ruhiger Stimme.
„Den kennst du nicht, aber ich. Er kam vor einigen Wochen aus New York. So ein feiner Pinkel, der im Konsulat sitzt und Däumchen dreht.“
„Was genau macht er dort, Samuel?“ Nun wurden alle hellhörig.
„Er soll den Konsul ablösen, der demnächst in Pension gehen wird.“
„Dann hast du eine schöne Bescherung. Du wolltest jemanden anrufen, wer sollte es sein, Samuel?“
„Mizra natürlich. Er hat mir auch die Mappe ausgehändigt und dreimal seine Telefonnummer wiederholt. Ich sollte ihn unbedingt anrufen, sobald Alida angekommen ist.“
„So, so“, dachte Don José.
„Wie weit ist dieser piekfeine Mizra in unsere Geschäfte eingeweiht?“
„Soweit ich weiß überhaupt nicht. Nur der oberste Rabbiner und die Leute, die hier waren. Sie haben sich nie in der Nähe des Konsulats blicken lassen. Das ist eine ganz andere Behörde, die nur auf höchster Ebene arbeitet.“
„Und wie ist der gute Mizra dazu gekommen?“
„Er bekam Anweisung direkt aus Tel Aviv, nur auf Fräulein Alida bezogen.“
„Und wieso sind die zwei Spanier dann in meine Suite eingedrungen?“
„Da gebe ich dir Recht, das muss mir unser oberster Rabbiner erklären.“
„Das meine ich auch, Samuel. Rufe ihn an und bestehe darauf, dass Englisch gesprochen wird. Nur Englisch, kein Wörtchen Hebräisch. Berichte ihm kurz was vorgefallen ist. Vergewissere dich auch, ob der Rabbi alleine ist. Das ist sehr wichtig. Alleine muss er sein, wenn ihr miteinander redet.“
Samuel ging zum Telefon, alle anderen suchten sich irgendwo einen Sitzplatz und warteten gespannt, dass der Rabbi den Hörer abheben würde. Kaum war der Anruf durch, meldete sich eine tiefe Stimme:
„Schalom, hier Rabbi Benjamin. Was kann ich für Sie tun?“
„Samuel hier, sprich bitte Englisch, es ist sehr wichtig!“
„Guten Abend, Samuel, mein Bruder. Was ist so wichtig?“
Samuel sprach sachlich, sehr gefasst und gab dem Rabbi eine kurze Übersicht über die Ereignisse. Dann kam die Warnung:
„Bei einem der Spanier haben wir einen Zettel gefunden, mit den Telefonnummern von Mizra, der mir die Mappe mit den Unterlagen gegeben hatte. Er bestand darauf, dass ich ihn sofort anrufe, wenn die Dame eingetroffen ist.“
„Und, hast du ihn angerufen, Samuel?“
„Gott sei Dank nicht. Er sitzt womöglich am Telefon und wartet auf meinen Rückruf.“
„Dann bleib, wo du bist. Ich gehe erst einmal alleine dorthin.“
Die Verbindung endete mit einem Klick. Die Freunde versammelten sich im Wohnzimmer, als Alida hinzu kam. Don informierte sie in kurzen Sätzen über das, was sie gerade erfahren hatten. Sie wollten darüber beraten, als das Telefon klingelte.
„Don, mein treuer Gourmet, habt ihr Appetit auf einen Hummer in Käsesauce?“
„Alois, der Meister will wissen, ob wir Hummer essen wollen?“, fragte Don, obwohl alle einen Hörer am Ohr hielten.
„Nein!“ riefen alle im Chor. „Vielleicht später!“
„Hast