VIRDULA Endlosgeschichten Band 1. Jay H. Twelve. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jay H. Twelve
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844292756
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weil du so jung und so harmlos aussiehst.“

      „Ich bin wirklich absolut harmlos. Ich hatte nicht eine Sekunde Böses mit diesen Leuten vor. Aber mich übers Ohr zu hauen? Da lasse ich niemanden an mich heran.“

      „Jetzt da ich deine Assistentin geworden bin und davon ausgehe, dass du in diesem Hotel keine Wurzeln schlagen wirst, wie soll es mit meinem Job weitergehen?“

      „Zunächst muss hier aufgeräumt werden, dafür ist der Zimmerservice zuständig. Dann gehst du zu Alois und bestellst für das Abendessen fünf Kalbshaxen, im Backofen knusprig gegart. Die Wahl der Beilagen überlasse ich seiner künstlerischen Phantasie. Löwenbräubier, kalt wie ein Eisberg, Wein: Marke Liebfrauenmilch. Er wird schimpfen wie immer, aber gebe keinen Millimeter nach. Crêpe Suzette zum Nachtisch, hier am Tisch zubereitet. Alles andere haben wir hier. Wenn du alles erledigt hast, fährst du in dein Quartier, packst deine sieben Sachen, ziehst dir etwas Schickes an und quartierst dich für ein paar Tage hier im Hotel ein. Bevor du das Hotel verlässt, reserviere bitte beim Concierge auf meinen Namen noch drei Zimmer, eine Etage tiefer.“

      Alida schaute ihn eine Weile kopfschüttelnd an, dann klatschte sie erfreut in die Hände und rief: „Juhu, Kalbshaxe, Bier, Wein und noch mehr, so soll es sein.“

      Sobald Alida weg war, rief Don José Samuel im Geschäft an.

      „Samuel, mein Freund, wie geht es dir so?“

      „Heute war der Tag der Offenbarung und des jüngsten Gerichts zugleich, mein edler Freund. Ich muss Dich unbedingt sprechen.“

      „Ich weiß, ich warte auf dich, wenn es sich gleich einrichten lässt. Ich bin noch gut eine Stunde alleine. Du bist auch herzlich zum Abendessen eingeladen.“

      „In zehn Minuten bin ich bei dir. Bis dann.“ Er legte auf.

      Don José ging zur Kaffeemaschine und machte einen frischen Aufguss. Dann ging er zur Balkontür, öffnete beide Flügel weit. Er wollte frische Luft, nicht nur durch die Klimaanlage gereinigte Luft. Die Erinnerung an die alte Dame und ihre Instruktionen lagen ihm stets in den Ohren. Die Luft in einem Raum wird immer mit der spirituellen Energie der Menschen und deren Gedankenwellen geladen. Es ist wie Wasser in dem sich viele Menschen gebadet haben, vom Schmutz dieser Menschen verunreinigt.

      „Du solltest darauf achten, dass die Luft in dem Raum für den Empfang neuer Menschen stets von der vorherigen Gruppe und deren Gedankenwellen sauber wird.“

      Er dachte darüber nach, als ihm einfiel, dass die erste Lektion daraus bestand, zu verstehen, wodurch die spirituelle Kommunikation zwischen allen Lebewesen und der Mutter Erde in Gang gehalten wird. Alle Lebewesen atmen Luft, trinken Wasser, jedes nach seiner Bestimmung. Die Luft und das Wasser stehen in permanenter Wechselwirkung mit Mutter Erde und dem Universum. Beide sind Träger von Gedanken und Energie, die für die Lebewesen und deren Dasein die Grundlage der Wahrnehmungen und der Einzigartigkeit bestimmen. Die Gedanken aller wahrnehmbaren Wesen im Primärbereich senden und empfangen auf derselben Frequenz, im Sekundärbereich aber, ist für jedes einzelne Wesen die ihm zugedachte Frequenz absolut individuell und daher Schicksal bestimmend. Da sich Gedanken mit grenzenloser Geschwindigkeit durch das ganze Universum verbreiten, ist die Abstimmung der individuellen Schicksale, bzw. individuellen Rolle aller Wesen und Dinge zugleich absolut präzise. Es passiert im Universum nichts zufällig. Wir sind, weil wir denken, wir denken weil, wir sind.

      Ein leises Klopfen weckte Don José aus seinen Gedanken. Es war Zeit, das Fundament für eine langfristige Beziehung zu errichten, der Schicksalsbestimmung Tribut zu leisten.

      „Samuel, mein edler Freund, du siehst etwas mitgenommen aus.“

      „Der Allmächtige ist mein Zeuge. Ich wurde wie ein Tischtennisball von der Hölle ins Paradies und zurück geschlagen. Aber ich habe es dank deiner meisterhaften Verhandlungsstrategie überlebt. Wo hast du das bloß gelernt?“

      Don José machte eine beschwichtigende Handbewegung, nahm den noch immer aufgewühlten Samuel am Arm und führte ihn zum Sofa.

      „Setz dich, mein Freund, atme tief ein und aus. Noch mal bitte, weiter so. Siehst du, jetzt wird es dir gleich leichter auf der Seele.“

      Der alte Mann fügte sich den Anweisungen wie ein Erstklässler, der das erste Mal einem Lehrer begegnete. Als er sich sichtlich entspannt hatte, brachte Don José zwei Tassen Kaffee.

      „Nun trinken wir erst mal gemütlich unseren Kaffee miteinander und sagen kein Wort, bis die Tassen leer sind.“

      So schwiegen sie eine ganze Weile, denn der Kaffee war sehr heiß. Jeder in seine eigenen Gedanken vertieft und Samuel insbesondere, weil er es eilig hatte, seine aufgestauten Gedanken loszuwerden. Schließlich war er mit dem Kaffee zuerst fertig und begann zu erzählen.

      „Ich bin untröstlich wegen des Benehmens meiner Landsleute. Ich weiß nicht, wo ich zuerst anfangen soll.“

      „Samuel, du bist ein weiser alter Mann. Denke einen einzigen Augenblick darüber nach, unter welchen Umständen deine Landsleute in Israel ihr Dasein fristen. Sie leben tagtäglich in einer schwierigen, schizophrenen Welt des Glaubens, Handelns und des Überlebenskampfes. Sie kämpfen untereinander und gegen das Volk, dem sie das Land weggenommen haben. In Palästina werden Menschen getötet, weil sie dort leben müssen. Niemand will sie woanders haben. Sie werden mit Absicht in dem Konflikt gehalten. Wie lange das dauern wird, wissen wir nicht. Es kann sehr lange dauern und sehr blutig werden, weil sie um etwas kämpfen, das keinem gehört.“

      „Worum kämpfen sie denn?“

      „Sie kämpfen um die Wahrheit, um den ersten Platz auf der Pyramide, die aus Lügen aufgebaut ist.“

      „Aber wir haben die Wahrheit. Wir sind die älteste Religion und das älteste Volk. Wir haben ein Recht darauf.“

      „Die Wahrheit, Unwahrheit, Recht und Unrecht sind absolut relative Begriffe in einer Theateraufführung, in der sich die Akteure nur durch Gegenseitigkeit bestätigen. In dieser Theateraufführung ist alles relativ, sogar die Existenz des Theaters selbst. Nur die Gewissheit der göttlichen Existenz ist absolut. Das ist die Wahrheit.“

      „Und was soll aus uns werden, was sollen wir tun?“

      „Wer soll das auf einem winzig kleinen Planeten, in der Unendlichkeit eines Universums wissen? Wir kennen den Ursprung nicht und uns offenbart sich der Sinn des Daseins von einer Sekunde zur anderen nur schemenhaft. Wir tun immer nur das, was unsere Bestimmung uns abverlangt. Sorge dich nicht, lebe und tu genau das, was dein Gewissen von dir verlangt. Mache es mit Freude, genieße deine Rolle so wie sie ist, denn ändern kannst du sie nicht, mein Freund.“

      Samuel schwieg lange in Gedanken versunken. Dann sagte er leise:

      „So jung und so weise. Das Leben ist voller Überraschungen, manchmal sehr erfreulich. Du, mein Freund, bist eine außerordentlich erfreuliche Überraschung für mein Volk.“

      „Wie groß ist die Überraschung und weshalb?“

      „Sehr groß sogar, viel größer als du dir denken kannst. Vor allem die Qualität deiner Ware, abgesehen von der Größe und Menge natürlich.“

      „Die Qualität und die Präzision des Schliffes liegen in der Natur des Ursprungs. Besser kriegen wir es eben nicht.“

      „Das ist es eben. Die Präzision, außerordentlich und einmalig, fast widernatürlich. Das ist es, was die Leute so stutzig gemacht hat. Eine solche Präzision hat keine menschliche Hand bis jetzt fertiggebracht. Wo kommen die Steine her, wenn ich fragen darf?“

      „Fragen darfst du, mein Freund, aber eine Antwort wirst du nicht bekommen. Du bist Käufer und ich bin Verkäufer. Wir wollen uns nicht die Zeit rauben uns gegenseitig auszufragen. Was deine Leute mit der Ware machen, ist nicht mein Problem. So lange die Diamanten von guter Qualität sind, soll es nicht dein Problem sein, woher ich die Steine habe.“

      „Da hast du Recht, mein Freund, es ist die Präzision, die uns so fasziniert, einfach unverkennbar und einmalig.“

      „Es ist unser Markenzeichen, das keiner nachahmen