VIRDULA Endlosgeschichten Band 1. Jay H. Twelve. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jay H. Twelve
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844292756
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in Sydney stattfinden soll, dann schreiben sie ‚Tante ist angekommen’. Dann komme ich wieder hierher, um alles weitere zu besprechen.“

      Der Alte legte den Stein vorsichtig zurück in den Beutel und diesen in das Schächtelchen, als wollte er in Ruhe bedenken, was ihm soeben passiert war. Dann blickte er Don tief in die Augen und bemerkte kopfschüttelnd:

      „Sie sind ein außerordentlicher, junger Mann, ein Ehrenmann erster Güte. Es ist mir eine Freude und Ehre mit Ihnen Geschäfte zu machen.“

      „So denke ich auch von Ihnen, edler Herr. Lassen Sie von sich hören, Shalom“, verabschiedete sich Don, ging zur Tür, schloss sie auf und spazierte hinaus. Er hörte das Schloss hinter sich klicken und wunderte sich, wie der Alte es so schnell zur Tür geschafft hatte.

      Es dauerte zwei Tage, ehe er den erwarteten Briefumschlag an der Rezeption des Hotels vorfand. Zunächst ging er ins Hotelrestaurant, bestellte eine Suppe und Filet Mignon Medium, dazu ein Bier. Genüsslich verzehrte er alles in Ruhe. Sollte jemand in der Nähe gewesen sein der ihn wegen der Nachricht in dem Umschlag observierte, er würde niemals glauben, dass Don so ruhig speiste, während eine so wichtige Nachricht ungelesen auf ihn wartete.

      Dass man ihn beschattete, wusste Don mit Sicherheit. Schon am gleichen Abend, nachdem er sich von dem alten Mann im Schmuckgeschäft verabschiedet hatte und ins Hotel zurückgekehrt war, rechnete er damit, dass jemand in der Lobby oder Bar auf ihn lauerte. Deshalb ging er gleich zur Bar und bestellte sich einen Tee mit Zitronensaft. Der Barkeeper kannte schon seine Trinkgewohnheiten und servierte starken „Earl Grey“ Tee und eine ganze Zitrone auf einem separaten Teller. Während Don seinen Tee in Ruhe ziehen ließ, stopfte er sich eine wuchtige Pfeife. Kaum hatte er den Tabak zum Glühen gebracht, als ihm eine attraktive, etwa fünfunddreißigjährige, dunkelhaarige Dame auf die Schulter klopfte.

      „Darf ich meine Zigarette an Ihrer Pfeife anzünden junger Mann?“ flüsterte sie charmant und verführerisch zugleich. Diese Art der Anmache ist international verbreitet, entweder baten die Damen des horizontalen Gewerbes um Feuer, oder um einen Drink oder um beides. Don wollte zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, streckte sich nach vorne, nahm die Hotelstreichhölzer aus dem Aschenbecher, zündete eines an und hielt das brennende Streichholz so, dass sich die Dame etwas nach vorne beugen musste, um ihre Zigarette anzuzünden. Während er den Duft des Parfüms der Dame wahrnahm, zwinkerte er dem Barkeeper zu. Sie duftete nach sehr teurem französischem Parfum. Sehr intensiv, fast berauschend erotisch, dachte Don José. So etwas wird in dem Gewerbe nicht verwendet, denn schon ein kleines Fläschchen kostete ein Vermögen. Er löschte das Streichholz im Aschenbecher und schaute die Dame schweigend an.

      „Vielen Dank, mein Freund. Wie dumm von mir die Streichhölzer zu übersehen“, sagte sie mit gespielter Verlegenheit.

      „Ich wusste nicht, dass wir uns kennen, Verehrteste. Seit wann sind wir Freunde?“

      „Ach, das ist nur so eine Redewendung, weil Sie so nett zur mir sind.“

      Die Frau machte einen intelligenten und weltgewandten Eindruck auf ihn und erweckte seine Neugier. Er wollte mehr über sie erfahren.

      „Es ist mir eine Ehre und Vergnügen, darf ich mich vorstellen?“

      Don sprang flink vom Barhocker, streckte seine Hand aus und deutete, ganz Gentleman, einen leichten Handkuss an.

      „Mein Name ist Don José de Gracias, verehrte Dame.“

      „Oh sehr erfreut, ich bin Silvia Tizino mit „z“ dazwischen wie Zeppelin.“ Sie ergriff seine Hand und drückte recht fest zu. Wir haben es hier mit einer intelligenten und gut trainierten Dame zu tun, dachte er.

      „Tizino wie Tizian, der große Meister der Renaissance, nicht wahr?“

      Sie schaute ihn verblüfft mit einer leichten Kopfdrehung an, lächelte dann doch und machte mit Bedacht einen kräftigen Zug an der Zigarette. Dann blies sie den Rauch wie ein Drachen durch die Nasenlöcher wieder aus, warf ihren Kopf verführerisch in den Nacken und entließ den Rest hoch zur Decke wie eine Lokomotive.

      „Was höre ich da? Sie sind ein Kunstkenner der alten Schule?“

      „Mehr ein Liebhaber der Geschichte als Kunstkenner. Das Zeitalter in dem diese wunderschönen Werke entstanden sind, hat mehr mit Wundern, als mit der Schönheit des Geistes zu tun. Die alten Meister hatten sehr eigenwillige, machtgierige Auftraggeber, die oft den Wunsch äußerten, eine Fantasiewelt in schönen Farben darzustellen. Mit irgendwelchen gütigen Heiligen, die ihrem Wunschdenken entsprungen sind. Es wimmelt nur so von Engeln, Königen, frommen Priestern, üppigen Damen und Landschaften, die es eigentlich nie gab.“

      Sie schaute Don mit großen Augen an, als hätte sie einen Geist vor sich. Sie sammelte sich schnell wieder, denn die Zigarette drohte ihre Finger zu verbrennen. Hastig drückte sie den Rest in dem Aschenbecher aus und versuchte ihre Finger von den Aschespuren zu reinigen.

      „Heiliger Bimbam, ich hatte nicht erwartet einen geistigen Tieftaucher hier an der Bar zu treffen.“

      „Und wen genau hatten Sie erwartet, Verehrteste?“ fragte Don etwas zu direkt für eine freundschaftliche Unterhaltung. Er wollte sie ein wenig in die Ecke drängen.

      „Kein Grund zur Aufregung. Ich wollte Ihnen nur ein Kompliment machen, weil Sie so haarscharf den Nagel auf den Kopf getroffen haben.“ Sie lächelte ihn gütig an, wie die Mona Lisa im Louvre.

      „Ich treffe nicht nur Nägel auf ihre Köpfe, sondern dank meiner Intuition auch meist ins Schwarze, verehrte Silvia.“

      Jetzt hatte er sie definitiv in der Ecke. Sie kniff ihre Augen so eng zusammen, dass sich ihre langen Wimpern fast berührten. Die Maske ist weg, jetzt wird alles professionell gehandhabt, dachte Don.

      „Sie sind nicht nur in der Geschichte des Mittelalters gut zu Hause, sondern können auch Gedanken lesen, meine Hochachtung, lieber Don. Ich glaube, ich bin jetzt etwas müde und werde mich mit leichteren Gedanken ins Bett legen. Gute Nacht wünsche ich Ihnen.“

      Sie machte noch einen tiefen Zug an ihrer zweiten Zigarette, drückte sie hastig im Aschenbecher aus und rutschte eilig vom Barhocker, ohne Dons Reaktion abzuwarten. Als sie in Richtung Ausgang an einer Spiegelsäule vorbei ging, erfasste Don ihr Gesicht im Spiegel, wie sie auch ihn erblickte, streckte ihm die Zunge raus und bog nach rechts ab. Sieh da, die Dame wird zickig, so kurz vorm Schlafengehen. Sie wackelte so heftig mit ihrem Po, als wollte sie ihm ebenfalls noch ihren nackten Po präsentieren. Einen schlechten Verlierer sollte man meiden, dachte Don und trank endlich seinen Tee.

      Gegen Mitternacht betrat er sein Zimmer und bemerkte sofort den unverwechselbaren Duft des teuren Parfüms. Er schmunzelte doch den richtigen Eindruck von Silvia gehabt zu haben. Was sie vorfand waren seine feine Garderobe, samt einer ausgefallenen Kulturtasche und ledernem Koffer, die er sich vor zwei Wochen beim Herrenausstatter in der Ann-Street gekauft hatte, sowie ein paar Bücher. Das war alles. Alle anderen Sachen lagen auf einer gecharterten 40’-Yacht im Yachthafen von Gladstone gut versteckt. Den Landrover mit der Ausrüstung hatte er in einer gemieteten Garage südlich von Brisbane untergestellt. Alle diese Vorkehrungen waren schon lange Bestandteil seines Lebens. Schon als er in seiner alten Heimat von kommunistischen Spitzeln beschattet worden war, musste er sich entsprechend einrichten. Er suchte damals keinerlei politische oder religiöse Gruppen auf, aber alle bewunderten sein analytisches Denken. Allzu gerne versuchten sie seine Aufrichtigkeit für ihr Anliegen einzuspannen. Daher lernte er sehr früh, wie man solchen Leuten aus dem Weg gehen sollte.

      In den letzten zwei Tagen bemerkte er drei verschiedene Schatten, die sich abwechselnd an seine Fersen hefteten. Er ging einfach seinen eigenen Plänen nach, suchte keinen Ärger, kaufte hier und dort Dinge, die er für die lange Reise benötigte. Sie sollten ruhig sehen, dass er gut bei Kasse war, sonst könnten sie vielleicht noch auf die Idee kommen, ihn über den Tisch ziehen zu wollen.

      Don dachte über die letzten zwei Tage nach, in denen er auf die Nachricht des alten Mannes gewartet hatte, sah den Briefumschlag ungeöffnet auf dem Tischchen liegen und entschied zunächst die Zähne zu putzen, danach noch eine letzte Pfeife zu stopfen. Mach es dir gemütlich, mein Junge, dachte