VIRDULA Endlosgeschichten Band 1. Jay H. Twelve. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jay H. Twelve
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844292756
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zu bringen. Auf diese Weise würden aber Millionen Menschen, die die Kunst des Diamantschleifens beherrschen, innerhalb weniger Jahre überflüssig werden. Tausende Tonnen Gestein werden täglich von Millionen Bergarbeitern abgebaut, damit ein Bruchteil dessen als Rohdiamanten gewonnen werden kann. Er erinnerte sich an Antwerpen und Amsterdam, wo es unzählige kleine Buden von Diamantenschleifern gab, und jeder dieser Menschen sein Handwerk von seinen Vorfahren erlernt hatte, damit er seine Familie versorgen konnte. Wovon sollten all diese Menschen leben, wenn sie keine Arbeit mehr hätten? Eine Schwierigkeit zog die nächste nach sich und es war kein Ende in Sicht.

      Jeder große Diamant auf dem Markt besaß eine eigene Geschichte und einen eigenen Namen. Man konnte nicht einfach bei Sotheby’s einen nussgroßen Diamanten versteigern lassen, wenn zu ihm keine Geschichte vorhanden, oder seine Herkunft ungeklärt war. Die allererste Überlegung Dons, diesen phantastischen Fund der australischen Regierung zu überschreiben, käme einer Katastrophe gleich. Ganz Australien und alle möglichen Abenteurer hätten sich über das Land wie Heuschrecken hergemacht. Das Land wäre im Handumdrehen umgegraben, zudem müsste man Machtkämpfe um jeden Stein befürchten, gefolgt von katastrophalem Preisverfall, Arbeitslosigkeit und sogar nachfolgenden Kriegen.

      Als er schließlich seinen Kaffee zu Ende getrunken hatte, war er so weit. Er zahlte, ließ die Zeitungen auf dem Stuhl liegen und ging wieder in die Innenstadt. Im ersten Antiquitätenladen erwarb er eine kleine Edelholzschatulle samt einer Brosche aus Silber und Perlmutt. Im nächsten Trödelladen fand er einen kleinen Lederbeutel, der ziemlich alt war und von Fingerfett wie gewichste Schuhe glänzte. Dieser Beutel hatte einmal Chininpillen vor Feuchtigkeit bewahrt, als die ersten Siedler ins Land kamen. Für beide Gegenstände zahlte er gerade mal 138 Australische Dollar. Der nussgroße Diamant passte genau in das Beutelchen und dieses in das Schmuckschächtelchen.

      „Das hätten wir schon mal erledigt“, dachte er zufrieden und ging weiter. Durch die viele Literatur die er gelesen hatte fand er sehr oft den Hinweis, dass der Diamantenhandel zum großen Teil in jüdischen Händen lag, weshalb er jetzt nach einem jüdischen Schmuckladen suchte. Es war etwas schwer einen zu finden, aber noch schwieriger war es den richtigen zu finden, in dem auch der Besitzer hinter dem Tresen stand. Australien war eines der bevorzugten Länder, in welches viele Juden in den Fünfziger Jahren ausgewandert waren. Sein Blick fiel auf ein Reklameschild das ihn von der Sonne beleuchtet anblinkte. Hoffnungsvoll öffnete er die Ladentür.

      „Womit kann ich dienen, junger Herr“, fragte ein etwa sechzigjähriger Mann, der eine kleine schwarze Kippa trug und mit einem ins rechte Auge geklemmten Vergrößerungsglas an seinem Tisch arbeitete. Das war eindeutig ein antiquarischer Schmuckladen, in dem sich selten jemand blicken ließ.

      „Ich weiß nicht, ob ich hier richtig bin, guter Mann, aber ich hätte - wenn möglich - etwas anzubieten“, antwortete Don leicht verlegen.

      Der alte Mann entfernte die Lupe von seinem Auge, behielt sie aber in der Hand. Don wusste gleich, dass er den richtigen Laden gefunden hatte.

      „Lass mal sehen, junger Mann, möglich ist alles, wenn der Preis stimmt.“

      „Könnte ich bitte ein Glas Wasser haben, mein Herr“, fragte Don höflich, um etwas Zeit zu gewinnen.

      „Aber selbstverständlich, junger Mann, mit oder ohne Eis?“

      „Einfach pur, nur einen Schluck Wasser bitte. Wissen Sie, mein Herr, es war nicht einfach für mich diesen Entschluss zu fassen.“

      „Setzen Sie sich dort auf den kleinen Schemel. Ich bin gleich zurück.“

      Der alte Mann schob einen dunkelgrünen Vorhang zur Seite und verschwand in dem Raum dahinter. Ein paar Sekunden später kehrte er mit einer Flasche Mineralwasser und einem Whiskyglas zurück. Er füllte das Glas und stellte es vor Don auf den Tresen. Schweigend beobachtete er wie Don das Glas in einem Zug leerte.

      „Geht es Ihnen jetzt besser, junger Freund?“ fragte der alte Mann.

      „Hoppla, jetzt nennt er mich junger Freund, na das wird was kosten“, dachte Don und stellte das Glas vor sich ab. „Vielen Dank, guter Herr, jetzt geht es mir viel besser.“

      Ohne zu zögern griff Don in die Brusttasche seines Jacketts, nahm die Schachtel heraus und reichte sie ihm mit beiden Händen.

      „Familienschmuck, nicht wahr?“, fragte der alte Mann.

      „Von meiner Uroma, aber kein Schmuck, sondern etwas sehr Wertvolles“, erwiderte Don und schloss die Hände um die Schachtel, als hätte er es sich anders überlegt. Diese Geste steigerte die Neugier des Alten, der sichtlich nervös wurde.

      „Lassen Sie mal sehen, was Sie da haben. Vielleicht kann ich den Wert zunächst einmal grob schätzen.“

      Don ließ das Schächtelchen langsam aus seinen Händen auf die Theke gleiten. Der alte Mann nahm es zwischen Daumen und Mittelfinger, entsicherte den kleinen Riegel, hob den Deckel und kippte das Schächtelchen um, so dass der kleine Beutel auf die Theke fiel. Er nahm ihn vorsichtig in die Hand, tastete zunächst mit den Fingern, wog ihn auf der Handfläche und pfiff dann durch die Zähne.

      „Soll das ein Diamant sein, mein Herr?“

      „Donnerwetter, jetzt sind wir schon beim ‚mein Herr’ angelangt“, bemerkte Don. „Es ist ein lupenreiner Diamant, mein Herr“, bejahte er die Annahme des Schmuckhändlers.

      Schweigend legte der alte Mann das Beutelchen auf die Theke, schritt nachdenklich zur Eingangstür, schloss sie ab und drehte das Ladenschild auf „Closed“. Dann ging er zum Fenster, zog die Vorhänge zusammen und kehrte zurück zur Theke.

      Mit zittrigen Händen entknotete er vorsichtig die Schnur und öffnete erwartungsvoll das Beutelchen. Ganz vorsichtig ließ er den Stein auf seine Handfläche gleiten dabei setzte er sich auf seinen Arbeitsschemel. Er nahm die Lupe auf klemmte sie sich ans Auge und kramte in einer Schublade nach einer Pinzette. Behutsam legte er den Stein auf die in der Theke eingelassene Filzplatte und betrachtete den außergewöhnlich großen Diamanten unter der Tischleuchte.

      „Mein lieber junger Herr, das sehe ich schon mit bloßem Auge. So etwas ist mir noch nie zwischen die Finger gekommen. Was für ein Schliff eines großen Meisters.“

      Dann nahm er den Stein mit der Pinzette auf und drehte ihn langsam vor seiner Lupe. Die Lichtbrechungen wirkten wie ein Zauber auf den alten Mann.

      „Jetzt brauche ich ein Glas Wasser, das können Sie mir glauben.“

      Don füllte sein Glas mit Wasser und reichte es dem alten Mann, der es auch in einem Zug leerte.

      „Das übersteigt bei Weitem meine finanziellen Möglichkeiten, aber ich habe Partner, die möglicherweise helfen können.“

      „Das dachte ich mir schon, aber Sie sind ein Mann vom Fach und haben einen guten Ruf. So hoffe ich, werden wir eine vernünftige Lösung finden“, sagte Don José mit sanfter Stimme und so leise, als ob er nur laut für sich dachte. Der Alte schwieg und bewunderte den Diamanten immer wieder ganz in Gedanken versunken.

      „Wenn Sie Zeit brauchen sich mit Ihren Partnern zu beraten, lasse ich den Stein in Ihrer Obhut, wenn es recht ist, mein Herr.“

      Der alte Mann horchte auf und blickte den Kapitän überrascht an, als hätte er ihn nicht richtig verstanden.

      „Ich habe mir von meiner Oma sagen lassen, dass das Diamantengeschäft auf absoluter Diskretion beruht und auf Vertrauensbasis nur mit jüdischen Händlern gemacht wird. Deshalb gehe ich davon aus, dass sie dieses Geschäft koscher behandeln werden, mein Herr.“

      Der alte Mann streckte dem Kapitän seine rechte Hand entgegen und hielt die Linke an sein Herz. Don José ergriff die Hand und sagte:

      „Möge der Allmächtige unser Zeuge sein.“

      „In allen Dingen und auf ewig“, ergänzte der Alte feierlich.

      Don entnahm aus seinem Portemonnaie eine frisch gedruckte Visitenkarte, schrieb auf die Rückseite „Hotel Bristol Zimmer 1122“ und überreichte sie dem alten Mann.

      „Hinterlassen