Kaana. Rudolf Jedele. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Rudolf Jedele
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783745082234
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hielt nicht viel von dieser Idee, doch er stimmte ihr mit einem dünnen Lächeln zu und meinte dann:

      „So werden die Steppenreiter nun zu Kindermädchen für den Mogul von Zeparana gemacht? Auch eine Methode, seine Söhne zu erziehen und zugleich vor Attentaten zu schützen. Ich sehe, ich habe kluge Geschäftspartner gewonnen. Doch eines werden wir nicht für euch tun. Mein Sohn wird nicht nach Zeparana reiten. Wenn du willst, dass auch dein zweiter Sohn bei uns erzogen wird, musst du ihn bringen lassen.“

      Im Morgengrauen des nächsten Tages brachen drei Gruppen von der Halbinsel am Fluss in unterschiedliche Richtungen auf.

      Laakon, Hasket und Joel ritten in Richtung Süden, Yamalin ließ seine Wagen um Fürst Bachailan wieder nach Südosten rollen und Kazar ritt zusammen mit Joshara und zwei Mulis als Handpferde nach Norden. Auf dem Rücken der Mulis saßen Iasa, die Tochter eines toten Agenten und Bagarol, der Kronprinz Zeparanas.

      Sheehanos Land

      Sie waren seit neun Tagen unterwegs und obwohl sich die drei Reiter äußerlich so ähnlich waren wie Brüder, litten die beiden Sheehanoa auf ihren Mulis in den ersten Tagen Höllenqualen, während sich Joel auf seinem Hengst wie auf einem Spazierritt fühlte. Für Laakon und Hasket war es deprimierend mit anzusehen, mit welcher Leichtigkeit Joel am Morgen in den Sattel des hochbeinigen Goldfalben sprang, während sie sich auf ihre fast drei Handbreit niedrigeren Mulis geradezu hinauf quälten. Allerdings nicht, weil sie grundsätzlich unfähig gewesen wären aufzuspringen oder weil die Tiere es ihnen schwer gemacht hätten, nein. Ihre Qual kam von einem höllischen Muskelkater, denn Joel nutzte die Gelegenheit, da sie nebeneinander her ritten dazu, sie im richtigen Reiten zu unterweisen. Er korrigierte praktisch von morgens bis abends an ihnen herum, ließ sie ihre Haltung und ihre Sitzposition ändern, sorgte dafür, dass sie sich nicht mehr mit den Beinen an ihren Reittieren festklammerten, sondern mehr und mehr lässig und aufrecht auf den Mulis saßen und vor allem begriffen, dass Zügel und Zaum nicht der Lenkung eines Reittieres dienten. Von Joel lernten sie die Grundbegriffe des Reitens mit Gewichtsverlagerungen und sie begannen zu verstehen, was es bedeutete, einem Reittier zu vertrauen und es sich einfach frei bewegen zu lassen, anstatt ihm ständig am Maul zu zerren und in die Weichteile zu treten. Das Ergebnis dieses den ganzen Tag andauernden Reitunterrichts war, dass ihre Mulis von Tag zu Tag leichter und schneller laufen konnten, während sie selbst von Muskelschmerzen an Stellen geplagt wurden, wo sie zuvor nicht einmal Muskeln vermutet hätten. Dann, oh Wunder, ab dem fünften Tag etwa wurden die Schmerzen weniger und der Spaß am Reiten mehr. Ab dem siebten Tag legten sie Strecken zurück, zu denen sie auf dem Hinweg drei oder mehr Tage gebraucht hatten und an diesem neunten Tag meinte Laakon zu Joel:

      „So langsam fühle ich mich tatsächlich wie ein Kentaur. Ich denke, jetzt müsste ich doch in der Lage sein, sogar deinen Hengst zu reiten, oder nicht?“

      „Willst du es versuchen?“

      Joels sanftes Lächeln hätte jeden Mann der vierten Sippe gewarnt und er hätte dankend abgelehnt. Laakon dagegen war sogar begierig darauf, sich auf den Goldfalben zu schwingen und die scheinbare Schwerelosigkeit und tänzerische Leichtigkeit zu genießen, mit der dieser herrliche Hengst sich bewegte. Er hatte sich ohnehin schon oft genug geärgert, wenn Joel wieder scheinbar unmögliches verlangt und es ihm dann auch noch vorgemacht hatte. Mit einem solchen Pferd war das doch keine Kunst, hatte er Joel erst am Tag zuvor vorgeworfen. Und jetzt sollte er dieses Pferd selbst reiten?

      Laakon konnte es kaum mehr erwarten, bis Joel abgesprungen war und ihm die Zügel des Hengstes reichte. Allerdings war die Enttäuschung gleich einmal riesig, denn der Goldfalbe sah auf Laakon hinab und begann sofort weg zu tanzen, kaum dass dieser versuchte seinen linken Fuß in den Steigbügel zu bringen.

      Laakon fluchte lautlos in sich hinein. Weshalb musste ausgerechnet Joel ein derartig großes Pferd reiten? Und wieso blieb der Hengst nicht einfach stehen? Zu guter Letzt erinnerte sich Laakon, wie Joel auf den Hengst stieg. Er legte also ebenfalls die Linke an das Sattelhorn, schwang das rechte Bein in die Höhe und sprang. Er schaffte es tatsächlich, auf den Rücken des Hengstes zu kommen, doch im nächsten Augenblick wünschte er sich, es nicht geschafft zu haben. Es war ein wundersames Gefühl, so durch die Luft zu fliegen und er glaubte schier unendlich lange zu fliegen. Als er dann jedoch mit dem Steiß auf dem knüppelhart gefrorenen Steppenboden aufschlug, brach das wunderbare Gefühl abrupt ab und wurde zu neuen Schmerzen.

      „Was ist los? Weshalb bleibst du nicht einfach sitzen, wenn du schon mal oben bist? Willst du es noch mal versuchen?“

      Nein, Laakon wollte nicht. Nicht an diesem Tag. Lieber kletterte er wieder auf sein sanftes Muli und wollte vorerst noch kein Kentaur sein. Joels süffisantes Grinsen hielt sich fast den ganzen Tag und wann immer sich seine Blicke mit denen Laakons trafen, hielt er ihm wie einladend die Zügel des Hengstes hin und grinste hämisch dabei.

      Auch Hasket konnte sich ein boshaftes Grinsen nicht verkneifen. Doch auch er bekam an diesem Tag seine Lehre.

      Hasket war weniger von Joels Reitkünsten fasziniert, sondern von der eigenartig selbstverständlichen Art, wie der riesige Kangal mit dem jungen Krieger kommunizierte und versuchte, ihm praktisch jeden Wunsch und jeden Befehl von den Augen abzulesen. Ein kurzes Schnalzen und ein winziger Fingerzeig genügte und der Hund rannte voraus und überprüfte die Wege, die vor ihnen lagen. Ein anderer Fingerzeig machte ihn zum linken, ein weiterer zum rechten Flankenschutz. Ein winziges Schnippen mit den Fingerspitzen sagte dem Hund, dass er jagen gehen durfte und ein kaum hörbarer Pfiff rief ihn auch aus tausend Schritt Entfernung in höchstem Tempo an Joels Seite. Die Schutzfunktionen um Joel und das abendliche Lager herum übernahm der Hund unaufgefordert und ohne konkrete Anweisungen und wenn es nichts zu bewachen gab, lag er in unmittelbarer Nähe von Joel und wehe irgendwer hätte versucht, Joel auch nur mit der Fingerkuppe anzutasten. Selbst ihn streng anzuschauen konnte zu einem Problem werden.

      Haskets Leidenschaft für das Reiten hielt sich Grenzen, doch einen solchen Hund hätte er nur zu gerne besessen. Was lag näher, als die Zuneigung des Hundes zu gewinnen zu versuchen und ihn Joel eventuell sogar abspenstig zu machen?

      Hasket begann den Hund zu füttern, ihm das Fell zu kraulen und ihn mit einer Karde zu bürsten. Einmal trat sich der Kangal einen Dorn in den Fuß und Hasket entfernte ihn, nahm dem Hund seine Schmerzen, was ihm ein freundliches Schwanzwedeln eintrug.

      Am Abend des zehnten Tages saßen sie am Lagerfeuer, brieten ein paar Steppenhühner, die sie unterwegs erlegt hatten und unterhielten sich über belanglose Dinge. Der Kangal lag neben Joel und hatte seine Schnauze auf dessen Stiefelspitze abgelegt. Joel ließ ihn liegen, doch er bewegte keinen Finger, um dem Hund zum Beispiel den Kopf zu streicheln oder dergleichen. Er akzeptierte nur, dass dieser den Kopf auf seiner, Joels Fußspitze ablegen durfte. Da versuchte Hasket den Rüden zu sich herüber zu locken. Er schmeichelte ihm, er bot ihm kleine Fleischstückchen aus seiner Jagdtasche an und sprach ihn mit weicher Stimme an. Der Kangal ignorierte ihn einfach. Das machte Hasket sauer. Er murrte Joel an:

      „Wie hast du diesen Hund bloß so verhexen können? Ich bemühe mich Tag für Tag um ihn und er lässt sich meine Bemühungen immer gefallen, doch wenn er in deiner Nähe sein kann, vergisst er alles andere auf der Welt. Wie ist das möglich, was hast du mit ihm angestellt?“

      „Nichts. Nicht das Geringste. Ich habe ihn am Anfang nicht einmal haben wollen, doch er hat sich derart beharrlich an meine Fersen gehängt, dass ich mich an ihn gewöhnt habe. Und seither ist er bei mir. Ich gebe ihm ab und zu etwas zu fressen, doch mehr verlangt er nicht von mir und mehr wäre ich auch kaum bereit, ihm zu geben. Er hat mich ausgesucht, nicht ich ihn.“

      „Was glaubst du, würde er tun, wenn ich dich jetzt angreifen würde?“

      „Versuche es, aber ich rate dir, strecke keine Hand nach mir aus, denn er würde dir den Arm abreißen. Nimm das Aststück da und schlage nach mir.“

      Hasket bückte sich nach einem schlanken, etwa drei Fuß langen Stück von einem Ast, hob es hoch und versuchte es in Joels Richtung zu bewegen. Eine ganz flüchtige Bewegung nur und sogar im Sitzen ausgeführt, doch im selben Augenblick spürte er den heißen Atem des Hundes