Kaana. Rudolf Jedele. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Rudolf Jedele
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783745082234
Скачать книгу
behielten für sich, was sie getan und was ihnen geschehen war. Es war nicht von Bedeutung, doch sie achteten zukünftig sorgfältig darauf, dass keiner der Ältesten mit einem anderen zusammen ins Tal der Götter ging, eine Pause einlegte und ins Reden kam.

      Die Götter hatten versucht, sie zu manipulieren und Unruhe unter das Volk zu bringen, daran bestand kein Zweifel.

      Nachdem die ersten fünf Sippen mit den Ausrüstungen aus Stahl versorgt worden waren, überließen Kazar und Chamjak die weitere Betreuung und Überwachung der Ausrüstung den Brüdern Chamjaks. Kazar aber bereitete einen langen und schnellen Ritt zu der Stelle, wo der Sistral in den Maron mündet vor, denn dort wollte er sich mit Saigoro am Anfang des dritten Monats nach Mittwinter treffen. Joshara und Joel sollten ihn dabei begleiten, Mizar würde die Funktionen des Sippenältesten übernehmen. Auch Chamjak war längst mit seinen übrigen Männern zu den eigenen Weiden zurückgekehrt. Nur seine Brüder Terjak, Burjak und Wishak waren im Tal der Götter zurück geblieben und überwachten die Ausgabe von immer weiteren Rüstungen und Waffen aus dem offenbar unerschöpflichen Schatz der Könige.

      Die Halbinsel

      Die unendliche Weite der Steppe stellt für einen Menschen und seinen Geist auch dann eine Herausforderung dar, wenn der Mensch von seinem ersten Atemzug an mit dieser Weite vertraut ist, in sie hinein geboren wurde und nie etwas Anderes kennen gelernt hat.

      Während der warmen Monate ist diese Weite leichter zu ertragen, als während der wenigen Wintermonate.

      Vom Frühjahr bis weit in den Herbst hinein ist das Steppengras grün und die hüfthohen Halme und Stängel wiegen sich im Wind und so entstehen tausende und aber tausende sich immerfort verändernde Muster, die das Auge beschäftigen und den Geist wach halten. Dennoch lässt die Weite jeden Menschen immer wieder über Größenverhältnisse nachdenken. Wie groß ist ein Wildstier, wenn ein Mann vor ihm steht und nicht weiß, ob er um sein Leben laufen oder in den nächstbesten Dachsbau kriechen soll? Dann ist der Stier so groß wie ein Berg. Doch wenn derselbe Stier allein, ohne seine Herde in der Weite der Steppe steht und ringsum ihn, von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang, vom äußersten Süden bis in den entferntesten Norden ein Ozean aus Gras wogt und den Stier verschwinden lässt, was bleibt dann von seiner Größe noch?

      Während der Wintermonate, wenn die Nächte kälter wurden und allmorgendlich weißer Raureif die Steppe bedeckte, wenn die Luft trocken war und klar, dann lag das Gras flach und gelb unter der weißen Schicht und nichts bewegte sich. Der Wind schien eingeschlafen zu sein, alle Muster waren verschwunden nur manchmal, ganz vorsichtig entstand eine winzige Abwechslung, weil sich plötzlich doch ein Luftwirbel gebildet hatte und eine Schneehose zu tanzen begann. Wer dann durch die Steppe wanderte, konnte am frühen Morgen den Baum sehen, unter dem er die nächste Nacht verbringen wollte und er begriff wie winzig klein er im Vergleich zu dieser Weite tatsächlich war.

      Klein und absolut unbedeutend.

      Die Weite der Steppe hatte die Menschen des Volkes gelehrt, dass sie nicht als Einzelne zählten, sondern als Sippe oder als Volk. Ein einzelner Mensch in dieser scheinbar uferlosen Unendlichkeit war dem Wahnsinn preisgegeben und lief in seinen sicheren Untergang.

      Drei Reiter hingegen, die gemeinsam durch diese Unendlichkeit ritten, waren in der Lage, diese Weite zu genießen.

      Die Steppenpferde waren dafür geboren von morgens bis abends zu laufen, ohne jemals müde oder missmutig zu werden. Sie liefen in einem lockeren Trab, immer wieder unterbrochen von langen Passagen, die sie in einem weichen Kantergalopp zurücklegten. Den Pferden gefiel es, über den festen Boden zu laufen, die flach gedrückten Grashalme behinderten ihre Bewegungen nicht und der Blick in alle Richtungen war frei. Die drei riesigen Kangals, die mit den Pferden liefen, bildeten die willkommene Abwechslung für die Hengste, oft spielten die Hunde und die Pferde ein für Menschen kaum erkennbares Spiel mit einander. Die Reiter saßen entspannt und lässig in ihren Sätteln, ließen sich tragen, unterhielten sich, dösten vor sich hin oder machten gar ein Nickerchen, denn ein Steppenreiter war in der Lage, einen ganzen Tag im Sattel zu sitzen und dabei Strecken zurück zu legen, von denen andere Reisende nicht einmal zu träumen wagten. Hundertfünfzig Meilen an einem Tag waren Standard und wenn das Geläuf gut war, konnte die Kentauren solche Strecken zehn oder mehr Tage hintereinander reiten, ohne dass ihre Pferde ermüdeten oder unwillig zu werden drohten. Solche Strecken zu reiten bedeuteten eine grundlegende und lang anhaltende Harmonie zwischen Reiter und Pferd herzustellen und musste von beiden genauso erlernt werden, wie die explosive Geschmeidigkeit der Bewegungen im Kampf oder in der Arbeit an den Herden. Die Pferde gaben den Takt vor, die Reiter übernahmen ihn und behielten ihn bei. Oder aber sie verlangsamten und beschleunigten ihn je nach Bedarf, doch stets geschah dies in fein abgestimmter Harmonie zwischen Pferd und Reiter.

      Joshara, Kazar und Joel waren zu Meilenfressern geworden, seit die die Wagen der vierten Sippe in der Senke des Winterlagers verlassen hatten. Sie ritten im zweiten Mond nach Mittwinter los und lenkten ihre Pferde mehr nach Süden als nach Osten. Die meisten Flüsse und Bäche, die Tümpel und Seen ohnehin, waren um diese Jahreszeit mit einer mehreren Fuß dicken Eisschicht überzogen und konnten mühelos und praktisch ohne Geschwindigkeitseinbuße überquert werden, nur die reißenden Bäche und die breiten Flüsse musste sie durchfurten und jedes Mal einen Zeitverlust in Kauf nehmen, um alles zu trocknen, was bei der Überquerung nass geworden war. In ihre schweren Mäntel gehüllt, die Kapuzen über die Köpfe gezogen ritten sie dem Nordwind voraus und am zwölften Tag nach dem sie die Wagen verlassen hatten, kam das bewaldete Ufer des Maron in Sicht und die Halbinsel, die an dieser Stelle durch die Einmündung des Sistral entstanden war. Sie waren zu früh, der Mond war noch in seiner abnehmenden Phase und bis zum vereinbarten Zeitpunkt waren es noch vier Tage, doch auf der Halbinsel stand bereits ein für gewöhnlich mit sechs Maultieren bespannter Wagen, vier Maultiere grasten ein Stück abseits des Wagens. Neben dem Wagen brannte ein kleines Feuer und auf einem dicken Stück eines Baumstamms saß ein kleines Mädchen und bewachte zwei Kaninchen, die über der Glut an ihren Spießen steckten und langsam gar wurden. Das Mädchen sah auf, als sie die Pferdehufe pochen hörte, stieß einen kleinen Schrei aus und rannte zu dem Wagen, kletterte auf die Deichsel und rief etwas hinein. Einen Augenblick später tauchte ein magerer Mann mit dunklem Haar und einem dichten Vollbart im Gesicht unter der Plane auf, gürtete sich mit einem langen Bronzeschwert und sprang zu Boden. Das Mädchen blieb auf der Deichsel stehen und zusammen sahen sie den drei Reitern entgegen und das Mädchen wusste, dass es nie in seinem Leben einen prächtigeren Anblick zu sehen bekommen hatte, als diese drei Männer auf ihren wundervollen Pferden. Die drei riesigen Wolfshunde neben den Pferden ängstigten sie allerdings ein wenig. Sie hatte noch nie etwas von Kangals gehört und der größte Hund den sie bis dahin gesehen hatte, war der fette, schwarze Mops gewesen, der immer mit der Frau ins Bett gegangen war, bei der sie die Tage hatte verbringen müssen, an denen ihr Vater im Auftrag Sabandins unterwegs war.

      Die Reiter hielten ihre Pferde dicht vor dem Mann an und starrten mit scharfen Blicken schwarzer Augen auf ihn herunter.

      „Wer bist du und was tust du auf unserem Land?“

      „Mein Name ist Casim und ich bin hier mit einem Häuptling des Volkes der Kaananiten verabredet.“

      „Erzähl keinen Scheiß, im Volk Kaana gibt es keine Häuptlinge und wenn, dann würden sie sich nicht mit einem abgerissenen Halunken aus Zeparana verabreden. Ich frage dich also noch einmal, wer bist du und was suchst du auf unserem Land.“

      „Ich sagte es bereits, mein Name ist Casim und ich bin mit einem Mann namens Kazar am ersten Tag des dritten Mondes hier verabredet.“

      „Dein Name mag Casim sein, aber du bist ein Lügner, denn ich bin Kazar und ich bin mit niemanden der so heißt wie du verabredet!“

      „Oh, verzeih mir, ich habe es ganz vergessen. Natürlich bist du nicht mit mir verabredet, sondern mit meinem Bruder Saigoro, doch Saigoro ist tot. Vergiftet von Sabandins Helfern und nur ich und meine Tochter Iasa haben dank der Hilfe zweier Verwandter von euch überlebt. Ich bin an Stelle Saigoros gekommen um dir die Nachricht von seinem Tod zu überbringen und an seine Stelle in der Auseinandersetzung mit Sabandin an eurer Seite zu kämpfen.“

      „Du