Kaana. Rudolf Jedele. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Rudolf Jedele
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783745082234
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Herden haben ebenso Anspruch auf das Land und wir teilen es mit ihnen. Das Land ernährt die Herden und die Herden ernähren uns. Wir sind Teile eines großen Organismus und wenn einer dieser Teile stirbt, sterben die anderen mit.

      Doch es gibt Menschen, denen das nicht gefällt. Einer dieser Menschen heißt Sabandin und ist Kaufmann zu Zeparana.

      So wie Sabandin der Quell aller Sorgen in deinem Reich ist, so ist er auch seit vielen Jahren eine Laus im Pelz meines Volkes. Doch vor nunmehr fast zwanzig Jahren wurde aus dieser einen Laus ein ganzes Nest und die Räude begann sich auszubreiten.

      Seine klebrigen Finger hatte er schon immer in unseren Taschen, doch nun gelang es ihm, seine ebenso klebrige Zunge in die Ohren von Männern unseres Volkes zu stecken und mit dem, was er Honig nennt zu verkleben. Doch an seiner Zunge klebt kein Honig, sie sondert ein böses Gift ab. Sabandin will große Teile der Steppe unter seine Kontrolle bekommen und um dieses Ziel zu erreichen, begann er Abhängigkeiten zu erschaffen. Salz, Zucker und Mehl, Glasperlen und Seidenstoffe und anderes mehr brachte er in unser Land und als die Männer und Frauen sich auf seine Lieferungen einließen und mit ihm zu handeln begannen, begründeten sie seinen Reichtum und daraus erwuchs seine Macht. Er brachte uns aber nicht nur Annehmlichkeiten, er nahm uns auch Sorgen ab. Er begann unsere Halblingskinder zu kaufen und wurde durch diese Käufe noch reicher, denn er – wie ich mittlerweile weiß – erzielte mit ihnen geradezu märchenhafte Gewinne.

      Vor gut zehn Jahren bemerkte er wohl, dass er auf das Volk nur dann einen größeren Einfluss bekommen konnte, wenn er diejenigen unter den Sippen ausschaltete, die den Traditionen verhaftet waren. Er begann mit meiner Sippe, der Vierten. Zusammen mit seinen Speichelleckern Vilas und Marigo von der siebten Sippe zündete er eines Tages – letzten Sommer waren genau zehn Jahre seit diesem Ereignis vergangen – die Steppe an und beinahe wäre ihm gelungen, was er plante. Bis auf einen einzigen Wagen fiel die vierte Sippe den Flammen zum Opfer.

      Doch wir sind wieder erstarkt und heute vielleicht mächtiger als je zuvor. Wir besitzen einen Schatz, der uns unglaublich reich macht und uns mit Waffen versorgt, wie ihr sie noch nie gesehen habt.“

      Kazar zog langsam sein Schwert aus der Rückenscheide und reichte es Yamalin, der es sich genau ansah und dann an den Mogul weiterreichte. Es gelang ihm dabei nicht, den feinen Schnitt in seinem rechten Daumen ganz zu verbergen. Er hatte die Schärfe des Schwertes zu intensiv geprüft.

      Auch Bachailan ließ sich Zeit bei der Untersuchung des Schwertes und er schwang es sogar ein paar Mal durch die Luft, dann reichte er es an Kazar zurück und meinte:

      „Dieses Schwert frisst Seelen, dessen bin ich mir sicher. Welches Metall ist für die Herstellung dieser Klinge verwendet worden?“

      Kazar deutete auf Joshara und dieser erklärte:

      „Unsere Waffen sind aus Stahl. Aus Eisen, das durch die Schmiedekunst und durch Zugabe von Mineralien und anderen Metallen zu einem nahezu unverwüstlichen Metall mit ganz neuen Eigenschaften gemacht wurde. Aber wir besitzen nicht nur Waffen aus Stahl, wir können uns nahezu vollständig in Stahl kleiden, wenn wir in die Schlacht ziehen und sind so für die Waffen unserer Feinde praktisch unangreifbar. Du kannst die beiden jungen Männer hier fragen, sie haben zu mehr als hundert gegen mich und Joshara und zehn meiner Söhne gekämpft und sie haben verloren, ohne einem von uns auch nur einen Kratzer zufügen zu können.

      Mit Hilfe dieses Schatzes ist es mir gelungen, den Einfluss der siebten Sippe im Rat zu brechen und heute halte ich zusammen mit unserem obersten Kriegsherrn die Fäden für unser aller Zukunft in der Hand.

      Wir, das Volk von Kaana sind Krieger. Wenn ich das so ohne jede Bescheidenheit sagen darf, für euch unbesiegbare Krieger, aber wir wollen nicht den Kampf und wir wollen keine Eroberungen außerhalb der Grenzen Kaanas. Doch wir werden auch nicht einen Quadratfuß unseres Landes hergeben. Vor allem nicht einem Mann, der unser Volk seit Jahrzehnten betrogen hat.

      Wir, das Volk Kaana, wir wollen in Ruhe mit unseren Herden durch die Steppe ziehen und unser Leben wie gewohnt weiter leben. Deshalb habe ich Sabandin den weiteren Handel mit dem Volk untersagt und den Kontakt zu dir gesucht. Wir wollen den Handel auf neue Füße stellen und haben einen Plan entwickelt, wie das geschehen könnte und sinnvoll wäre. Das Volk der Sheehanoa wird sich vielleicht auf unsere Seite stellen und wir würden dir als Mogul Zeparanas die Oberhoheit zur Vergabe der Handelsrechte in deiner Stadt überlassen. Du und nur du, würdest künftig bestimmen, wer mit welchen Waren des Volks handeln darf und was sie kosten sollen.

      Sabandin wäre in kurzer Zeit erledigt und wir könnten ein wenig gelassener in die Zukunft sehen.“

      Bachailan saß auf einem harten und unbequemen Stein und starrte in ein offenes Feuer, als wäre er ein Nomade wie Kazar. Lange Zeit antwortete er nicht, dann aber sah er Kazar in die Augen und meinte:

      „Es ist längst dunkel geworden und das Ferkel duftet verführerisch. Ich habe roten Wein in meinen Wagen und wir sollten zusammen essen und danach sollten wir uns zum Nachdenken zurückziehen. Morgen, wenn wir nachgedacht haben, werden wir weiterreden und Entscheidungen treffen.“

      „Ein guter Vorschlag. Wir folgen deinem Rat gerne.“

      Ein friedlicher Abend mit eigentlich belanglosen Gesprächen folgte. Dennoch gewährten all diese Gespräche den anderen immer tieferen Einblick in die Bedürfnisse der Beteiligten und als man sich – vom Wein ein wenig betrunken – Schlafen legte, erwarteten alle eine fruchtbare Fortsetzung der Gespräche am nächsten Morgen.

      Dem friedlichen Abend folgte eine ruhige Nacht, die jedoch in den frühen Morgenstunden eine jähe Unterbrechung erfuhr. Zuerst war es das drohende und fast bösartig klingende Knurren eines der drei Kangals, dann kam das herausfordernde Keckern einer Hyäne hinzu und gleich darauf eine dreistimmige tiefe Antwort. Die Kangals hatten eine Front gegen die Hyäne gebildet. Mitten in diese Geräusche hinein dann ganz plötzlich jammerndes Geschrei, die hohe Stimme eines Kindes.

      Joel war als erster aus seinem Mantel und aufgesprungen. Sein Schwert flog ihm fast wie von selbst in die Hand und im Dämmerlicht des frühen Morgens entdeckte er nach kurzem Suchen eine Situation, die mehr als unwahrscheinlich anmutete.

      Ungefähr hundert Schritte von ihm entfernt lauerten vier Hyänen und waren wütend, weil ihnen eine sicher geglaubte Beute entgangen war. In einem Abstand von kaum zehn Schritten standen die Kangals den Hyänen gegenüber und genau in der Mitte zwischen den beiden Fronten entdeckte Joel einen … Mann? Einen Jungen?

      Was immer es war, ein Kind war es nicht, dazu war es zu groß. Doch die Stimme war die eines Kindes. Joel bückte sich rasch, klaubte ein paar faustgroßer Steine zusammen und schlenderte dann recht gemächlich auf den Tatort zu. Aus einer Entfernung von etwa fünfzig Schritten warf er den ersten Stein und traf die frechste der Hyänen genau an der Schnauze, am weit aufgerissenen, geifernden Maul. Es gab einen dumpfen Schlag mit einem klirrenden Unterton und gleich darauf ein wütendes und erbostes Heulen, die Hyäne ergriff die Flucht. Sie blutete stark am Maul und Joel war sich sicher, dass sein Wurf dem Aasfresser mindestens einen Reißzahn gekostet hatte. Joel hob den rechten Arm, ein zweiter Stein sauste hinaus und wieder jaulte eine der Hyänen auf, denn der Stein hatte sie direkt neben dem linken Ohr am Kopf getroffen. Auch diese Feindin ergriff nun die Flucht und da gaben die beiden noch übrigen Hyänen ihre Absicht ebenfalls auf, wandten sich ab und trollten sich unter wütendem Gekecker.

      Die Kangals aber bildeten ein Dreieck um das Beinaheopfer, das sie eben noch beschützt hatten und verhinderten so, dass es weglaufen konnte.

      Joel ließ sich Zeit. Er hatte keine Ahnung, wen die Hyänen und Kangals da aufgegriffen hatten, aber er würde es herausfinden. Mittlerweile war das ganze Lager auf den Beinen, doch nur einer machte sich die Mühe, Joel zu folgen und sich ihm anzuschließen. Yamalin schloss zu Joel auf und aus dessen erbittertem Fluchen entnahm Joel, dass der Numa ganz genau wusste, wen er dort draußen bei den Kangals antreffen würde.

      „Wer ist es?“

      „Einer, den wir vielleicht besser den Hyänen überlassen hätten. Prinz Bagarol, der zweite Sohn Bachailans und einer der beiden Thronanwärter. Der erste und bessere