Kaana. Rudolf Jedele. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Rudolf Jedele
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783745082234
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in Bewegung bleiben, denn sonst frisst uns die Kälte auf. Du wirst in kurzer Zeit immer steifer und unbeweglicher und dann wirst du müde und schläfst ein. Das ist dann das Ende.“

      „Verflucht sei Sheehano, dass er ein solches Land und eine solche Kälte erschaffen hat. Ich sehe keinen Sinn in der Existenz eines solchen Landes.“

      „Darüber kannst du mit Axilara reden, wenn wir Oasa erreicht haben. Danach denkst du vielleicht anders. Ach ja, weißt du wie die Iboa diese Kälte nennen? Nein, du kannst es ja nicht wissen. Sie haben ihr den Namen „Bewahrer“ gegeben, denn wer in der Kälte der Nacht stirbt, verwest nicht sondern wird zur Mumie und seine Gesichtszüge sind noch in tausend Jahren zu erkennen.“

      Joels Hengst blieb am Rand des Sandes stehen, ohne dass ihm sein Reiter das Signal dazu gegeben hätte und Joel ließ ihm diesen Ungehorsam anstandslos durchgehen, denn er verstand das Tier nur zu gut. Auch in seinem eigenen Innern schrillten die Alarmsignale. Wäre da nicht der Kangal gewesen, der bereits ein paar hundert Schritte voraus gelaufen war und nun wie eine goldene Silhouette auf dem Kamm einer Düne stand und ihnen lange entgegen sah, ehe er ein ermutigendes tiefes Gebell hören ließ, wahrscheinlich hätte er den Hengst gewendet und wäre in seine Heimat zurück gekehrt.

      Dann aber tat der Hengst die entscheidenden Schritte und plötzlich wurde es auch Joel etwas leichter in der Brust. Er fügte sich in das Unvermeidliche und beschloss, so schnell wie möglich zu lernen, auch in einem solchen Land überleben zu können. Die ersten Schritte dazu waren bereits getan. Der Goldfalbe mochte die Datteln und der Kangal die großen Echsen, also mussten sie nicht verhungern. Joel konnte sich von beidem ernähren, von Datteln und dem Fleisch der Echsen, also blieb noch die Kunst, Wasser aufzuspüren und den tödlichen Gefahren der Sheenlandkreaturen aus dem Weg zu gehen, dann musste es zu schaffen sein. Ein Krieger und Kentaur, so beschloss Joel, konnte auch in Sheehanos Grenzen überleben.

      Sie ritten die ganze Nacht und Joel konnte sich nicht erinnern, jemals einer derart unwirklichen Stille begegnet zu sein. Der schwarze Himmel spannte sich wie eine finstere Kuppel über die Sheenland, die Sterne schienen ihm viel näher zu sein und er hatte das Gefühl, als gäbe es auch sehr viel mehr Sterne als in der Steppe. Es war beinahe wieder Neumond und dennoch spendete die schmale Sichel des abnehmenden Mondes zusammen mit den Sternen Licht genug, dass man seinen Weg im Gelb des Sandes finden konnte. Das Sheenland war auch nicht eben, wie er zu Anfang gedacht hatte, der Sand hatte sich zu hohen Hügeln aufgetürmt und der unablässig wehende Wind veränderte die Form dieser Hügel ständig. Aber nicht nur ihre Form änderte sich, sondern auch ihr Standort. Wanderdünen nannte Joels Begleiter diese Sandhügel und erklärten ihm, dass es keinen Sinn machte, sie sich als Landmarken und Orientierungshilfen einzuprägen.

      „Schau dorthin nach Osten, dann siehst du den Stamm eines abgestorbenen Baumes aus längst vergangenen Tagen. Ihn kannst du dir als Landmarke merken, denn er steht seit tausenden von Jahren dort und wird wohl auch noch in undenklicher Zukunft dort stehen. Er ist so alt, dass sein Holz zu Stein wurde und Wind und Sand, Kälte und Hitze ihm nicht mehr so viel anhaben können. Oder die Felsen dort vor uns. Jetzt sehen sie aus wie schwarze Kegel, doch bei Tag erkennst du, dass sie aus leuchtend rotem Stein sind. Auch sie kannst du dir als Landmarken einprägen. Doch niemals die Dünen.“

      Später in der Nacht erreichten sie einen Bereich, in dem das Sheenland so flach war, wie der Fußboden eines Wagens und in einer seltsam grauen Farbe schimmerte.

      „Solche Flächen musst du meiden, denn sie bedeuten einen schrecklichen und sehr langsamen Tod für jede Art des Lebens. Auch deinen Hund solltest du davon fernhalten, denn nur ein einziger Schritt in diese Fläche hinein bedeutet den Tod. Pass auf, was ich dir zeige.“

      Hasket stieg von seinem Muli und hob einen faustgroßen Steinbrocken vom Boden auf. Mit einem kräftigen Schwung schleuderte er den Stein in die graue Fläche hinein. Joel traute seinen Augen kaum, als er sah, wie der Stein von der Fläche genauso schnell verschluckt wurde, als wäre er in Wasser gefallen. Es gab auch die nahezu selben Ringe auf der Oberfläche, wie wenn ein Gegenstand in Wasser fällt, nur das Platschen und Spritzen beim Aufschlag fehlte. Statt Spritzern aber stieg ein feiner Nebel an der Stelle auf, an welcher der Stein verschwunden war und hielt sich auch dann noch in der Luft, als sie schon mehr als die halbe Strecke entlang der grauen Fläche hinter sich gelassen hatten.

      „Ein Asbestfeld. Niemand weiß, wie tief der Staub liegt, aber selbst ein Skorpion oder eine kleine Schlange würden dieses Feld niemals zu betreten versuchen. Sie würden verschlungen und nie mehr wieder auftauchen. Was der Staub verschlingt, gibt er nicht wieder frei. Doch nicht allein die Bodenlosigkeit des Staubes ist tödlich, auch der Staub selbst. Er steigt als feiner Nebel bei der geringsten Berührung auf und legt sich auf deine Atmungswege. Er dringt dir in Mund und Nase ein und verklebt deine Lungen. Er verursacht brennende Schmerzen und bist nach wenigen Augenblicken nicht mehr in der Lage zu atmen. Du erstickst jämmerlich.“

      „Aber was geschieht, wenn Wind über diese Fläche streicht?“

      „Nichts. Bei Wind bleibt der Staub liegen als wäre er aus massivem Fels. Selbst ein starker Sturm bewegt kein Körnchen an der Oberfläche dieses Asbestsumpfes. Hüte dich vor ihm besonders.“

      Joel schüttelte sich innerlich und prägte sich die Merkmale ein, die ihm seine Begleiter als Warnhinweise nannten.

      Ganz plötzlich und ohne die gewohnte Vorankündigung durch eine Dämmerung färbte sich der Himmel im Osten erst rosa, dann rot und Joels Begleiter lenkten ihre Mulis über einen Dünenkamm zu einem Haufen rotbrauner Felsen. Durch einen schmalen Spalt schlüpften sie zwischen die etwa vierzig oder auch fünfzig Fuß hoch aufragenden Steine und dann staunte Joel einmal mehr, denn eine andere Welt nahm sie auf.

      Ein nahezu kreisrunder Platz, an dessen südlichem Rand eine kleine Quelle sprudelte, dichtes, sattgrünes Gras bedeckte den Boden und zwei schlanke Bäume ragten auf, unter deren Blätterkrone die grünen Früchte hingen, von denen man sich so hervorragend ernähren konnte. Dattelpalmen nannte Laakon sie. Innerhalb der Felsen war von der Eiseskälte der Nacht nichts mehr zu spüren. Es war angenehm, hier zu sein. Sie sattelten ihre Reittiere ab und der Goldfalbe drehte sich ein paar Mal im Kreis, untersuchte den Boden unter seinen Hufen und dann legte er sich nieder und wälzte sich genüsslich. Anschließend sprang er auf, schüttelte sich, trabte zu der Quelle, schnupperte kurz, dann tauchte er die Nase in das Wasser und begann in langen Zügen zu trinken. Die Mulis taten es ihm nach und auch der Kangal fand an dem Platz nichts auszusetzen, denn er hatte unmittelbar vor dem Zugangsspalt eine Beute – nach Haskets Auskunft ein Gürteltier - geschlagen, die er nun verzehrte.

      Ein guter Platz, um den Tag zu verbringen.

      Auch die drei Männer bereiteten sich aus Datteln und Dörrfleisch eine Mahlzeit zu, danach legten sie sich auf ihren Mänteln zu Boden, um den während der Nacht versäumten Schlaf nachzuholen. Sie konnten mühelos alle drei zugleich schlafen, denn auch hier zeigte sich der Kangal als ein wachsamer Hirte über seine Schutzbefohlenen….

      Am Abend weckte Hasket sie lange genug vor Sonnenuntergang, dass sie noch etwas essen und sich am frischen Quellwasser satt trinken konnten, dann sattelten sie, legten ihre Mäntel um und setzten die Kapuzen auf. S vorbereitet bestiegen sie ihre Reittiere und kurz vor Sonnenuntergang führte Hasket sie durch den Spalt zwischen den Felsen wieder in die Sheenland hinaus.

      Joel verschlug es den Atem, als sein Hengst den Schatten der Felsen hinter sich ließ. Auch der Hengst stieß ein überraschtes und irgendwie empört klingendes Schnauben aus, denn die Hitze sprang sie an, wie ein wütendes Tier. Wie schon die Kälte, so war auch die Hitze von völlig anderer Art, als diejenige, welche Joel aus der Steppe kannte. Selbst im heißesten Sommer war es in der Steppe niemals derart glühend, wie hier in der Unendlichkeit aus Sand und Stein. Sie waren nur wenige hundert Schritte aus dem Schatten ihres Tagesverstecks entfernt, als Joel bereits das Gefühl hatte, völlig ausgetrocknet zu sein und schon nach seinem Wasserschlauch greifen wollte, doch Haskets Hand legte sich auf seinen Arm und der Sheehanoa schüttelte den Kopf.

      „Lass den Schlauch, es ist viel zu früh, um schon zu trinken. Wir müssen anfangen, unseren Körper an den Durst gewöhnen, denn von heute an werden wir neun Tage lang