Prophezeiungen der Weisen. Dörthe Haltern. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dörthe Haltern
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844263015
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giftete ihn der Ältere ihrer beiden kleinen Weggefährten an. Seine schwarzen Augen funkelten streitlustig. "Es gibt noch Menschen auf dieser Welt, die völlig unvoreingenommen sind. Die erkennen noch die wahre Größe in einem und sind nett, höflich, offen... tolerant! Die wissen noch, was Kobolde für nützliche Eigenschaften haben."

      Jack lachte kurz. "Nenn mir eine!"

      Tarry warf ihm nur einen verachtenden Blick zu. "Wir haben David noch niemals verloren.", meinte er triumphierend. "Während wir bei ihm waren, ist ihm noch niemals etwas zugestoßen. Und kaum sind wir für eine kurze Zeit weg, um uns mal die Gegend anzusehen, müssen wir feststellen, dass ein paar inkompetente Menschen ihn einfach verloren haben. Was eigentlich auch kein Wunder ist."

      "Vielleicht wäre es besser für dich langsam mal deinen vorlauten Mund zu halten, sonst sehe ich mich gezwungen dir beizubringen, was eine gewisse Höflichkeit ist.", knurrte Arthur.

      "Versuchs nur!", rief der jüngere der beiden Kobolde und sprang auf seine Füße.

      "Céwik.", hielt Tarry seinen Bruder auf, ohne sich auch nur umzudrehen. "Mach dich hier bitte nicht zum Narren. Aber Recht hat er. Versuchs nur. Damit gestehst du dir nur ein, wie Recht ich doch habe."

      "Wir sollten ihn einfach hier stehen lassen.", meinte Jack. "Wäre sicher das Beste für alle Beteiligten."

      "Aber wenn wir sie einfach hier stehen lassen, dann werden sie doch erfrieren.", mischte sich Faith ein. "Das kannst du doch nicht einfach so machen."

      In Tarrys Gesicht bildete sich nach und nach ein überlegenes Lächeln, doch Jack war klug genug es einfach zu ignorieren. "Faith.", wandte er sich an die junge Frau. "Das ist ja gerade das Problem. Die sterben nicht so einfach. Meistens erst, nachdem du sie einen Kopf kürzer gemacht hast."

      "Also bitte!", protestierte Tarry erneut. "Wer ist hier denn höflich und wer nicht?"

      Nun schaltete sich auch Peroth ein, der bislang ein Stück mit Rugar abseits gestanden hatte, um eine Lösung für ihr Problem zu finden. Nun wandte er sich in aller Ruhe an den jungen Kobold.

      "Wenn ihr dieser Gruppe folgen wollt, so wird euch nichts anderes übrig bleiben, als sich wie ein Mitglied in ihr zu verhalten. Wenn eure Hilfe nötig sein sollte, werdet ihr sie zur Verfügung stellen. Solange der Führer der Führer bleibt und nicht von irgendwem anderes davon enthoben wird, werden seine Befehle bedingungslos befolgt. Auch wenn sie einem gerade nicht in den Kram passen sollten. So lautet die Vereinbarung."

      Daraufhin herrschte eine Weile absolute Stille. Tarry und Peroth sahen sich nur stumm an und in dem Kopf des Kobolds schien es eine Weile angestrengt zu arbeiten. Misstrauen blitzte in seinen Augen.

      "Entscheide dich schnell, wir haben nicht viel Zeit.", erinnerte ihn der Isk-Meister.

      "Was für eine Entscheidung?", murrte Tarry. "Es gibt doch überhaupt keine andere Möglichkeit dazu."

      "Na schön, dann wäre das ja geklärt.", bestimmte Peroth, auch wenn er anscheinend nicht auf viel Zuspruch zu treffen schien. Aber niemand sagte etwas. "Jack, du wirst die Beiden mitnehmen."

      "Ich?", kam es sofort fassungslos.

      "Er?", im gleichen Moment von beiden Kobolden.

      "Ja du. Ja er.", entschied Peroth mit fester Überzeugung.

      "Aber das sind Kobolde.", erinnerte Jack.

      "Aber er ist der Schlimmste von euch allen.", erinnerte Tarry.

      "Ihr werdet euch schon verstehen.", ignorierte der Meister das einsetzende Murren. Aber keiner wagte es mehr zu versuchen ihn umzustimmen. Sie wussten, dass es sowieso keinen Zweck haben würde. Eine Entscheidung von seiner Seite aus war eine Entscheidung.

      "Wir werden unseren Weg nach Yesúw fortsetzen.", waren fürs Erste einmal seine letzten Worte.

      Jack blickte Rugar fragend an, der mit seinem Pferd noch immer an der Seite stand. "Ich werde sie suchen gehen.", erklärte er Jack.

      "Du wirst sie nicht finden können." Beide wussten, dass dies die Wahrheit war. Dort draußen war es hoffnungslos auch nur daran denken zu können zwei Vermisste wiederzufinden.

      "Ich werde sie finden müssen.", betonte Rugar.

      "Soll ich mitkommen?", fragte Jack. Er sah es nicht ein tatenlos hierzubleiben, außerdem wäre es eine gute Möglichkeit die Kobolde doch wieder loszuwerden. Obwohl er eingestehen musste, dass Tarry Recht gehabt hatte, mit dem was er sagte. Sie hatten die Verantwortung gehabt.

      Rugar schüttelte nur den Kopf. "Es ist sinnlos und viel zu gefährlich. Bleib hier. Ich hoffe es zwar nicht, aber es kann sein, dass sie deine Hilfe hier gebrauchen können. Pass einfach nur auf, dass sie sicher Yesúw erreichen werden."

      Jack nickte nur. "Viel Glück.", verabschiedete er sich.

      "Bis dann." Rugar wandte sich wieder seinem schwarzen Hengst zu und führte das Pferd vorsichtig den steilen Pfad aus der Schlucht hinaus. Auf freier Fläche saß er auf und galoppierte davon. In eine unbestimmte Richtung, denn wo er mit seiner Suche beginnen würde, war im Grunde völlig gleichgültig. Er hoffte nur, dass die Beiden eine der Höhlen in der gegenüberliegenden Bergwand gefunden hatten.

      DAVID UND STALCA

      Sie fanden die Schlucht tatsächlich genau so vor, wie Stalca sie zunächst beschrieben hatte. Es war keine wirkliche Höhle, aber dennoch eine nicht zu verachtende Einkerbung in den harten, dunklen Stein hinein. So waren sie fast von allen Seiten vor dem treibenden Schnee geschützt. Sie hatten sogar so weit Glück, dass der beißende Wind aus Westen kam, während sich ihre Zuflucht nach Osten öffnete. Nicht einmal eine dünne Schneeschicht bedeckte den sandigen Boden auf dem sie sich nun gekauert hatten.

      Doch all diese Bequemlichkeiten änderten nichts daran, dass sie bereits seit einem Tag in der eisigen Kälte festsaßen und allmählich auch der hartnäckigste Wärmespeicher aufgebraucht war. Solange sie sich noch bewegten war es einigermaßen erträglich, doch während sie nur so dasaßen und wieder einmal den tobenden Sturm um sie herum abwarteten, schienen sie bald am Boden festzufrieren, so sehr schlotterten sie vor sich hin.

      Stalca fragte sich schon die ganze Zeit über, weshalb er eigentlich an diesen Ort zurückgekehrt war. Er wollte sich nicht eingestehen, dass er nur umgekehrt war, um diesen Menschen nicht allein in der Wildnis zu lassen. Peroth wäre wohl furchtbar wütend gewesen, wenn er ihm erzählen musste, er habe einen schutzlosen Verletzten zurückgelassen und jedwede Gründe wären ihm sicher egal gewesen. Doch Stalca musste sich irgendwann eingestehen, dass er wohl nicht deswegen umgekehrt war. Ein Mensch wäre es ihm nicht wert gewesen solche Umstände in Kauf zu nehmen, nur um sich hinterher Ärger entziehen zu können. Tief in seinem Inneren begannen die Worte des alten Isk-Meisters bereits ihre Wirkung zu tun.

      Beurteile die Wesen dieser Welt nicht nach ihrer Rasse., so lauteten sie. Gut oder Böse entscheidet sich nicht in Aussehen oder Herkunft. Eine Elfe kann ebenso hinterhältig wie ein Kobold sein. Ein Mensch muss nicht so schlecht sein, wie es ein anderer ist. Siehe deinem Gegenüber niemals ins Gesicht, sondern blicke bei deiner ersten Begegnung gleich in sein Herz. Nur dort wirst du sein wahres Wesen und seine wahren Absichten erkennen können.

      Stalca war sich damals nicht sicher gewesen, ob dies wirklich zutreffend war. Bisher hatte er in seinem Leben keine andere Erfahrung erhalten. Aber nun war er sich dessen nicht mehr sicher. Er glaubte tatsächlich Menschen begegnet zu sein, die in seinen Augen einfach keine Menschen sein konnten, da sie sich zu sehr von denen unterschieden, die ihm bisher begegnet waren. Seit er mit Peroth unterwegs war, schien sich mit einem Mal alles in ihm umzukehren. Er dachte über Fragen nach, über die er bisher niemals nachgedacht hatte. Und manchmal kamen ihm Antworten auf einige dieser Fragen in den Sinn, die schon gar nicht mehr zutreffend waren. Es war für ihn, als müsste er die Welt von ganz vorn kennenlernen, denn sie war ihm mit einem Mal so furchtbar fremd gewesen.

      Noch immer fragte er sich allerdings, ob der Wald Naksa, von dem Peroth nie müde wurde zu schwärmen, wirklich so existieren konnte, wie es auf den ersten Blick den Anschein hatte. Es war kaum vorstellbar, vielleicht war es doch nur ein Trugbild, eine