Prophezeiungen der Weisen. Dörthe Haltern. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dörthe Haltern
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844263015
Скачать книгу
er sich noch einmal zurück, doch bevor er eine Warnung rufen konnte, spürte er eine rasche Bewegung neben sich und konnte den Hieb gerade noch mit seinem Schwert abfangen. Kurz darauf konnte er ein lautes Poltern hinter sich hören und trotz, dass er sich nicht noch einmal umsah, spürte er, wie hinter ihnen einige Tonnen Gestein in die Schlucht stürzten.

      "Es war nett dich noch einmal getroffen zu haben.", verabschiedete sich Wirhnö mit derselben Gleichgültigkeit wie immer. "Aber ich fürchte wir müssen unser Gespräch ein anderes Mal fortsetzen. Ich habe noch einiges zu erledigen."

      "Du glaubst doch nicht, jetzt einfach gehen zu können.", hielt Rugar ihn entschlossen auf.

      "Was glaubst du denn, würde es ändern, wenn du mich aufhalten würdest?", fragte Wirhnö. "Glaube nicht, dass ich Hemmungen hätte dich zu töten oder irgendwen sonst hier, der versuchen würde irgendeine Art von Widerstand zu leisten. Wir sind dir und deiner netten Gefolgschaft nicht nur zahlenmäßig überlegen. Was sollen sie denn alle ohne dich schon anfangen? Ich gebe dir noch einmal die Chance in diesen Wald zurückzukehren, also überlege gut, ob du sie nicht nutzen solltest, denn sonst kann es sein, dass dies keiner tut, der jetzt hier anwesend ist."

      Rugar hielt seinem herausfordernden Blick eine ganze Weile lang stand, doch er wusste bereits, dass es sinnlos sein würde. Also schob er sein Schwert in die Scheide zurück und musste zusehen, wie die Reiter sich wieder auf den Weg zurück machten, wo sie hergekommen waren.

      "Was soll das alles?", fragte er schließlich Peroth, der ihm aber mal wieder eine aussagende Antwort verweigerte.

      DAVID UND STALCA

      Sie hatten mit etwas Glück eine kleine Höhle finden können, die sogar noch genug Platz für ihre beiden Pferde bot. So war es zwar nicht besonders gemütlich, aber sie hatten Schutz vor dem zunehmenden Sturm draußen. Die Schneeflocken wirbelten so dicht zusammen, dass es kaum möglich war noch seine eigene Hand vor Augen sehen zu können. Der Wind hatte eine Stärke erreicht, die selbst den stämmigsten Hünen von den Füßen gerissen hätte. Es war wirklich Glück gewesen, dass diese Höhle gerade im richtigen Moment aufgetaucht war. Wären sie noch einen Moment länger draußen auf der offenen Gebirgsplatte gewesen, so wäre es jetzt wahrscheinlich um sie geschehen.

      Doch das änderte nichts an der restlichen Situation. Sie hatten kein Holz, also keine Möglichkeit ein wärmendes Feuer schaffen zu können. Was sowieso von weitem sichtbar gewesen wäre. Zumindest der Rauch, der aus dem Höhleneingang gezogen werden würde. Aber daran dachten sie im Moment gar nicht, denn es herrschte eine eisige Kälte um sie herum, die immer bissiger und grausamer zu werden schien. David zitterte bereits so sehr, dass er sich krampfhaft darum bemühen musste, nicht mit den Zähnen zu klappern. Zudem schmerzte sein Fuß unerträglich, doch auch dies versuchte er soweit es ging zu unterdrücken, was ihm aber weitaus schwerer fiel. Er widerstand der Versuchung nachzusehen, wie schwer die Verletzung war, denn das bloße Wissen darum würde die Schmerzen nur noch verstärken.

      Auch war Stalca keine besonders unterhaltsame Begleitung. Sie sprachen kaum ein Wort miteinander. Nur, wenn es äußerst notwendig war. Und David wagte es nicht die Stille zu unterbrechen, denn Stalca schien auch keinen besonderen Wert auf eine Unterhaltung zu legen. So saßen sie nur da und schwiegen sich an. Irgendwann versuchte dann jeder für sich ein wenig Schlaf zu finden, doch zumindest David wollte es einfach nicht gelingen. Es waren nicht nur Schmerz und Kälte, die dies verhinderten. Er fühlte sich auf einmal hilflos und verloren. Verloren inmitten einer Eiswüste. Weit fort von ihrer Gruppe, von der sie nicht einmal wussten, was denen zugestoßen sein mochte. Keine Ahnung wo sie sein könnten, oder wohin sie sich nun wenden mussten. Sie wären nicht einmal fähig den Weg zurückzufinden, denn sobald sie diese Höhle verlassen würden, würde vor ihnen alles gleich aussehen. Und wer sollte sie erst einmal in dieser Einöde finden können, wenn es noch jemanden gab, der nach ihnen suchen konnte. Diese Angst war noch viel schlimmer, als alles andere zusammen. Aber dennoch fielen ihm irgendwann die Augen zu und er taumelte in einen unruhigen Schlaf.

      Doch nicht für lange, wie ihm schien, denn immer wieder wachte er auf. Verzweifelt versuchte er daraufhin erneut einzuschlafen, aber es ging einfach nicht. Er redete sich ein, dass es nötig war, denn sein Körper brauchte nach den langen Strapazen endlich Ruhe, aber dadurch wurde es nur noch schlimmer und irgendwann gelangte er an den Punkt, wo ihm einfach alles egal war. Wo er hilflos aufgab und gleichzeitig verzweifelte. An diesem Punkt wurde er wieder soweit wach, dass er die Kälte erneut zu spüren begann und gleichzeitig war ihm heiß, als hätte er Sonnenbrand und sein Kopf schmerzte fast ebenso sehr, wie es sein Fuß wieder mit neuer Intensität tat. Der Blick vor seinen Augen schien sich zu trüben. Auf jeden Fall machte ihm das Sehen Schwierigkeiten. Ebenso bemerkte er, dass es ihm schwer fiel, genügend Luft in seine Lungen zu pumpen. Als er versuchte sich aufzurichten begann sich alles um ihn herum zu drehen und erschrocken fasste er sich an den Kopf, da er das Gefühl bekam, dieser wäre noch einmal um einiges gewachsen.

      "Du hättest das mit dem Fuß ruhig sagen sollen.", ertönte eine Stimme neben ihm, aber auch die war nur gedämpft.

      "Was hätte das denn geändert?", fragte er. "Wären wir dann einfach da geblieben und hätten abgewartet, was passiert?"

      Er erhielt keine Antwort und damit hatte er auch nicht wirklich gerechnet. Vorsichtig bewegte er seinen Kopf ein wenig langsamer in Richtung Ausgang. Der Sturm schien vorbei zu sein. Jedenfalls war es längst nicht mehr so dunkel, wie noch vor ein paar Stunden. Anscheinend hatte er doch länger geschlafen, als ihm bewusst gewesen war, auch wenn er nicht gerade das Gefühl danach hatte.

      "Es hat aufgehört.", murmelte er. "Wir sollten weiter."

      "Weiter?", wiederholte Stalca ungläubig. "Hast du eine Ahnung, wo wir sind? Verrate es mir! Selbst wenn, du kannst doch keine drei Schritte weit gehen."

      "Ich werde es wohl aber müssen!", entgegnete er schärfer als er eigentlich beabsichtigt hatte. "Wenn wir hier bleiben, werden wir noch verhungern."

      "Wenn wir da raus gehen, werden wir erfrieren.", erinnerte ihn der Isk.

      David musste dem Recht geben. Selbst wenn sie vorher jemand finden sollte, konnten sie nicht im Voraus sagen, ob sie dann in einer besseren Lage als vorher sein würden. "Was ist besser?"

      "Keines von beidem ist besonders angenehm."

      Wieder folgte nur eine kurze Pause des Nachdenkens. "Aber wir müssen irgendetwas tun.", meinte David, auch wenn er bereits spürte, wie ihm nur das Reden die letzten Kräfte raubte. "Wir gehen einfach immer geradeaus. Immer dieser Bergwand entlang. Vielleicht kommt dann dort irgendwann ein Pass. Irgendwo muss man aus diesen verdammten Bergen auch wieder rauskommen. Der Pass wird uns schon irgendwohin führen."

      "Das wird niemals funktionieren, denn du wirst niemals so weit kommen.", sprach Stalca nur das Offensichtliche aus.

      "Es muss gehen. Selbst wenn ich nicht so weit kommen sollte, dann wirst du eben allein weitergehen." David war von seinem Vorhaben fest überzeugt. Auch wenn er die Sinnlosigkeit darin eigentlich hätte erkennen können. Selbst wenn ihnen ein Pass begegnen sollte, würde sie dieser nur noch weiter in das Gebirge hinein bringen.

      Doch Stalca widersprach ihm nicht länger, sondern half ihm hoch zu seinem Pferd. Sie führten die Tiere hinaus ins Freie und stiegen dort auf. Lange waren sie noch am überlegen, welche der beiden Richtungen die bessere sein könnte. Es hätte sicherlich einige Vorteile den Weg zurück zu wählen. Mit ein wenig Glück wäre es ihnen möglich die Schlucht wiederzufinden, an deren Ende ihr Ziel liegen würde. Selbst wenn sie den Eingang zu Yesúw nicht finden würden, dann wäre sicher jemand dort in der Nähe, der nach ihnen Ausschau hielt. Sie dachten auch daran auf diesem Weg ihren Verfolgern begegnen zu können, doch waren sie bereit dieses Risiko einzugehen. Dann bemerkte David Stalcas Zögern.

      "Was ist?", fragte er.

      Stalca machte nicht den Eindruck, als wäre er begeistert davon eine Antwort geben zu müssen. "Aus welcher Richtung kamen wir gestern?"

      David stellte mit Schrecken fest, dass er sich ausgerechnet darüber noch keinerlei Gedanken gemacht hatte. Sie wussten sofort, dass es sinnlos war darüber nachzudenken. Schließlich entschieden sie sich gemeinsam für