Prophezeiungen der Weisen. Dörthe Haltern. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dörthe Haltern
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844263015
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Kaufleute schrien sich gegenseitig an und lautes Poltern von sich entleerenden Wagen ertönte.

      Er wurde aus seinem Staunen herausgerissen, als sein Vater ihn anstieß. "Der Stoffhändler ist gleich dort hinten um die Ecke. Geh schon einmal vor. Wir treffen uns auf der anderen Seite des Platzes bei dem großen Ziehbrunnen. Das wirst du schon hinkriegen."

      Wieder nickte David, doch diesmal mit voller Begeisterung. Er sprang vom Wagen und lief eilig zwischen den anderen Gefährten hindurch, bis er den großen Platz erreichte. Hier endete seine anfängliche Begeisterung wieder. Überall standen Karren und Menschen liefen umher. Er konnte kaum etwas sehen. Wenigstens den Ziehbrunnen, von dem sein Vater gesprochen hatte. Er seufzte. Wäre er auf dem Wagen geblieben hätte er jetzt eine Übersicht über den ganzen Platz erhalten.

      Schnell jedoch fand er Interesse an den vielen Ständen, die sich um ihn herum aufreihten. Es gab Stände mit Kostbarkeiten aus der ganzen Welt. Kräuter, die man in Zahur nicht fand. Töpfe, Vasen und Schüsseln gefertigt in fernen Ländern. Eisen und Lederwaren aus dem nahen Karimdon. Am liebsten hätte er sich alles ganz genau angesehen, doch er hatte eine Aufgabe erhalten und die hatte Vorrang. Und es war gar nicht so leicht den gesuchten Händler zu finden.

      Als er eine Weile vor sich hin geirrt war, wurde sein Blick auf zwei Mädchen gelenkt, die sich unbeholfen durch die dichten Massen bewegten. Sie waren keine Menschen, was auf den ersten Blick zu erkennen war. Ihre schwarzen Haare waren lang und dicht. Sie waren ein ganzes Stück kleiner und zierlicher. Ihre schmalen, dunklen Augen blickten ab und zu flehend zu den Menschen auf, wenn sie um ein wenig zu Essen bettelten. Doch sie wurden davon gestoßen.

      "Schert euch weg!", wurde ihnen zugerufen. "Ihr habt hier nichts zu suchen!"

      Sie waren Isk. David hatte von ihnen gehört. Ein Sklavenvolk im Land Zahur. Selbst in ihrem Tal gab es schon ein oder zwei. Sie waren ihm genauso fremd, wie vieles andere in dieser Stadt.

      Während er weiterging, fiel ihm eine seltsame Gestalt auf, die in aller Eile durch die Menge drängte. Einige empörte Rufe wurden laut, aber die Gestalt kümmerte sich nicht darum sondern lief ungehindert weiter, fast so, als wäre sie vor etwas auf der Flucht. Dabei kam sie David immer näher und er konnte Einzelheiten erkennen.

      Ein langer Mantel verbarg fast alle Einzelheiten. Ein brauner Fellmantel, der ein wenig zu groß erschien. Langes, helles Haar fiel in losen Strähnen wirr unter der Kapuze hervor. Unbeholfen und außer Kräften stolperte die Gestalt in ihren dreckigen Stiefeln weiter, bis sie auf einmal vor David stand. Eine halbe Ewigkeit starrte er ihn nur an, fast so als würde er jemanden völlig unerwartet wiedererkennen. David ging es ganz und gar nicht so. Er war sich absolut sicher diesen Mann noch nie zuvor gesehen zu haben und so befremdete ihn dieser Ausdruck in den grünen Augen.

      "Nimm das.", keuchte der Mann völlig außer Atem und drückte ihm ein in dreckiges Tuch gehülltes Bündel entgegen. "Versteck es, schnell!"

      David starrte ihn wortlos an, doch bevor er etwas sagen konnte, war der Mann schon verschwunden. Weiter eilte er in der Menge herum, ohne ein Wort der Erklärung und David sah ihm nur ratlos nach. Er traf schon eine Menge merkwürdiger Leute an diesem Tag und langsam wurde ihm unheimlich. Neugierig überlegte er eine Weile, ob er nachsehen wollte, was er überhaupt in den Armen hielt, doch dazu kam er nicht.

      Pferdehufe hallten über das Steinpflaster und ihr Wiehern kam als Echo von den Hauswänden wider. Die Menschen auf der Straße sprangen entsetzt zur Seite und machten einer Gruppe Reitern Platz. Fünf an der Zahl waren es und bis auf einem gehörten sie der Truppe des Königs an. Nur der Vorderste unterschied sich von den anderen in ihren glänzenden Rüstungen mit ihren roten Umhängen. Seine Rüstung glänzte ebenfalls, doch um weites mehr und sein ganzer Körper schien von ihr geschützt zu sein, so dass es ein Wunder war, dass der Schimmel auf dem er ritt nicht unter seinem Gewicht zusammenbrach. Ein blauer, wehender Mantel umhüllte hin, ließ aber den Blick auf eine reichverzierte Scheide frei. Das mächtige Schwert hielt der Reiter in der Hand. Hocherhoben glitzerte es in der Sonne.

      Mit erschrockenen Schreien rannten die Menschen in alle Richtungen davon und als David das Schwert zum zweiten Mal sah, klebte Blut an seiner Spitze. Alles verlief unglaublich schnell hintereinander und David stand nur wie erstarrt daneben. Er hatte noch nie zuvor erlebt, wie ein Mensch einen anderen tötete. Solche Erlebnisse waren fern seiner Vorstellungskraft und er fragte sich, was der jetzt Tote wohl verbrochen hatte, dass er auf offener Straße erschlagen wurde. Als sich die Menge teilte und er einen Blick auf den Verfolgten werfen konnte, lief ihm ein eisiger Schauer über den Rücken und seine feuchten Hände umklammerten das dreckige Bündel in seinem Arm. Ein langer, brauner Fellmantel verbarg die Gestalt fast vollständig, als sie vor dem Schimmel zu Boden ging.

      Mit einem plötzlichen Ruck wurde David sofort wieder aus seiner Benommenheit gerissen. Der fremde Reiter drehte sich suchend um und schließlich trafen sich ihre Blicke. David spürte zwei kalte Augen auf sich liegen und er fröstelte, als wäre es um einige Grad kühler geworden.

      Gib ihm das Bündel., flüsterte sein Verstand. Das ist es doch, was er sucht. Gib es ihm. Es ist doch nicht deine Sache. Halt dich da raus. Was schadet es dir schon?

      David drehte sich um und rannte blindlings davon. Im gleichen Moment preschte der Schimmel los. Rücksichtslos drängte er sich an den Menschen vorbei und wer nicht rechtzeitig aus dem Weg kam, drohte niedergeritten zu werden.

      So schnell er konnte lief David in die nächste Seitengasse ohne eine Ahnung, wo er landen würde. Im selben Augenblick reagierten nun auch die Ritter des Königs, wendeten ihre Pferde und nahmen die Verfolgung auf. Die wirbelnden Hufe donnerten über die Straße. Unheimlich schnell hörte er das Schnaufen ihrer Tiere. Näher und näher kamen sie und es schien kein Entkommen zu geben. Erst als er schon ihren Atem im Nacken zu spürten glaubte, warf er sich nach links und presste sich an die Hauswand. Sein Atem ging hastig. Er kam mit dem Luft holen kaum hinterher. Gehetzt sah er sich nach einer Fluchtmöglichkeit um.

      Die Gruppe Reiter handelte zu spät. Ihre Pferde rasten noch ein gutes Stück weiter die Straße entlang. Kaum waren sie vorbei, stolperte David in eine kleine Seitengasse, die sich direkt vor ihm befand. Sooft es ihm möglich war, wechselte er die Richtung, um seine Verfolger in die Irre zu führen. Am Ende wusste er selbst nicht mehr genau, wo er war, doch die Huftritte waren nicht mehr zu hören und in eine Sackgasse war er auch nicht geraten.

      Erleichtert verlangsamte er seine Schritte und versuchte sich in diesem Labyrinth der dunklen Gassen zu orientieren. Er war in einem ärmlichen Teil der Stadt angelangt. Einem der Orte, von denen sein Vater bei ihrer Ankunft erzählt hatte. Überall war es dreckig und es stank erbärmlich. In einer Rille floss eine zähe, dreckige Flüssigkeit dahin.

      Bis jetzt hatte sich noch keine Menschenseele blicken lassen. Das beunruhigte David etwas. Normalerweise begegnete man hier ständig hausierenden Bettlern und vor allem kranken Leuten. Die abgesperrten Bezirke waren überfüllt mit Menschen. Er schüttelte alle unbehaglichen Gedanken von sich ab und konzentrierte sich nur darauf, hier wieder heraus zu finden. Er entschied sich dafür immer nach Osten zu gehen, denn er war sich ziemlich sicher im westlichen Teil der Stadt gelandet zu sein.

      Plötzlich hörte er hinter sich ein lautes Schnauben. Langsam drehte er sich herum und starrte den Schimmel an, der wie aus dem Nichts hinter ihm aufgetaucht war. Weißer Schaum tropfte aus dem Maul des Pferdes, seine Nüstern hoben und senkten sich schnell. Die Augen rollten und es schlug nervös mit dem Kopf, doch der Reiter hielt es an Ort und Stelle.

      Davids Blick wanderte höher. Das Visier des Helms war nach oben geklappt worden und ein paar blonde Strähnen lugten daraus hervor. Zwei in mattem Rot leuchtende Augen blickten skeptisch auf ihn herab.

      Magier., schoss es David durch den Kopf. Noch nie in seinem Leben war er einem begegnet und glaubte an deren Existenz genauso wenig wie an die von spukenden Gespenstern. Es gab Geschichten und dies waren nicht gerade sanfte Gute-Nacht-Erzählungen seiner Eltern.

      Blitzschnell traf er die einzig logische Entscheidung, doch als er sich herumdrehte um erneut die Flucht zu ergreifen, gelang es ihm nicht sich zu rühren. Seine Beine waren starr, wie zwei Betonklötze, die sich nicht bewegen lassen wollten. Eine unnatürliche Kälte begann in ihm hinaufzukriechen,