Prophezeiungen der Weisen. Dörthe Haltern. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dörthe Haltern
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844263015
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leises Knurren kam aus Dretirs Kehle, denn ihm passte nicht, wie viele Worte Rel in den Mund nahm. Es herrschte eine strenge Rangordnung zwischen den Dämonen und Dretir nahm sich vor, sich um ihre Einhaltung zu kümmern. "Setz dich auf deinen Platz und schweig.", drohte er, während er ein paar Schritte in Rels Richtung tat.

      Doch bevor sie sich beide an die Kehle gehen konnten, denn Rel war versucht Dertirs Machtstellung zu prüfen, ertönte ein tiefer, dumpfer Schlag, als ein harter Stab auf den steinernen Boden geschlagen wurde. Eine tiefe Stimme tönte durch den Saal. Eine Stimme, die fast die Kraft von Ysir besaß.

      "Schluss!", forderte sie ohne möglichen Widerstand. "Was soll denn unser lieber Gast von uns denken?" Und Anrar, der mächtigste unter den Dämonen, mächtiger als selbst Justaka, trat aus der Dunkelheit.

      Trotz das Anrar, die Stimme Justakas, denn Justakas Stimme selbst war todbringend, eine noch beeindruckendere Gestalt als Ysir war, auch wenn noch lang nicht so stark, schenkte ihm Atúl kaum Beachtung.

      "Der erste Eindruck ist immer der beste, so sagt man doch.", meinte er und hielt Anrars scharfem Blick aus brennenden Augen stand.

      "Gib acht, dass du den Mund nicht zu weit aufreißt, Mensch.", warnte der Dämon, nachdem er den König lange gemustert hatte.

      "Ich weiß, was ich tue.", hielt der König stand und Wirhnö schenkte ihm einen geringen Teil seiner Achtung, auch wenn er Menschen eigentlich nicht leiden konnte. Kaum hatte Anrar gesprochen, öffnete sich hinter ihm eine weitere Flügeltür, die zwar nicht annähernd so groß wie die Eingangstür war, doch sie war nicht weniger beeindruckend. Durch sie hindurch kam eine kleine Gestalt, greisenhaft, mit langem, schwarzem Umhang, der den gesamten Körper bedeckte, ohne etwas zu erkennen zu geben. Nicht einmal das Gesicht war zu sehen. Nur wenn die Gestalt, die nicht mehr als ein Schemen war, den Kopf hob, sah man das dunkle Glühen in ihren Augen. Dies war Justaka, der oberste Herrscher des Dämonenvolkes.

      "Es gibt viel zu besprechen.", begann Anrar. Justaka trat in die Mitte und die Dämonen senkten ihr Haupt. Nur Atúl regte sich genauso wenig, wie der Herrscher selbst. Eine Respektlosigkeit, wie Wihrnö fand, die er sich nicht erlauben sollte. "Das Volk Ulastas windet sich im Widerstand. Sie weigern sich unsere Herrschaft zu akzeptieren. Also werden wir in den Krieg gegen sie ziehen müssen und dies so schnell wie möglich, bevor sie ihre Kräfte neu sammeln können. Lasst uns beraten, über den Untergang der Welt."

      DIE VERLORENEN KINDER

      Heute war Donnerstag, doch nicht irgendein Donnerstag. Nicht einer dieser Donnerstage, die wie jeder andere Tag auch waren, nein, denn heute ging es nach Caparian City. David war in seinem gesamten bisherigen Leben vielleicht zweimal in der Hauptstadt des Reiches gewesen, doch er hatte viel gehört: Von den endlosen, sauberen Hauptstraßen, an denen an jeder Ecke kleine Bäume gepflanzt waren. Von großen, weiten Plätzen, sonnenüberflutet und erreichbar von allen Richtungen aus. Von den reichen Häusern, in denen die Kaufleute und Gelehrte der Stadt hausten, die in den hellsten Farben bunt gestrichen waren und in deren Fenster überall Blumen hingen. Laternen standen an den Straßen, damit die Stadt auch in der Nacht ihren Glanz nicht verlor. Wächter gingen umher, damit die Lampen nie erloschen. Sie waren berühmt, die hell leuchtenden Lampen von Caparian City. Von dem riesigen Universitätsgebäude hatte er auch schon viel gehört. Angeblich soll die wohl berühmteste Schule des Landes einen Großteil der Stadt vollkommen für sich beanspruchen. Man sagte, nur die Besten der Besten würden es schaffen nur in die Nähe der Universität zu kommen. Sie von innen zu sehen, war nur wenigen gegönnt. Doch man sagte ebenfalls, dass die Studenten zum Großteil die eingebildetsten Leute in der Umgebung waren und das sie so viel von sich hielten, dass sie sich kaum mit anderen abgeben wollten. Die meisten waren keine Freunde der Studenten und gingen ihnen lieber aus dem Weg. Also beschloss David froh zu sein, die Universität nicht bewundern zu können, obwohl er sehr gerne in solch einer prächtigen Stadt wohnen würde.

      Nur sein Vater schüttelte stumm den Kopf, als er in den höchsten Tönen von der Stadt schwärmte. "Du hast sie noch niemals gesehen.", meinte er leise mit tonloser Stimme. "Ihr angeblicher Glanz und Ruhm kann über alles Übel hinwegscheinen, doch lasse dich davon niemals täuschen. Ihr Kern mag glanzvoll sein mit seinen reichen Häusern und Plätzen, doch ist dies nur ein sehr kleiner Teil der Stadt. Sieh in die kleinen Gassen, die sich zu verstecken scheinen und die von Wachen abgesperrt werden, damit sich ihre Bewohner nicht mit dem edlen Volke mischen mögen. Der König ist nahe, mein Sohn, und je näher er den Menschen kommt, desto mehr beginnen sie nur noch an sich selbst zu denken. Nur noch ihr eigenes materielles Wohl anzustreben. Wenn du in die Herzen dieser Leute blickst, wirst du sehen, wie falsch und verlogen ihre Herzen sprechen."

      Diese Worte stimmten David sehr nachdenklich, denn er wusste, sein Vater sprach selten ohne Grund schlechte Worte. Trotzdem blickte er voller Staunen auf die vier Türme, die sich aus der Stadt erhoben und von weither sichtbar waren. Ihre Kegel glänzten golden in der am hohen Himmel stehenden Sonne. Sie begrenzten den Palast des Königs und eine dicke Mauer verband sie, die niemanden durchließ, der nicht auf Befehl des Herrschers kam.

      Ihr König war noch nicht lange König in diesem Land und er musste sich noch zu behaupten wissen. Gerüchte zogen durch die Städte, dass er plane in den Krieg zu ziehen. Welche Gründe ihn bewogen oder gegen wen er zog, dies wusste keiner. Aber man begann abenteuerliche Geschichten zu spinnen. Alles fing harmlos an, mit Banditen, die aus den umliegenden Wäldern vertrieben werden sollten, doch einige begannen zu reden, dass es gegen die Armeen des Nachbarlandes Karimdon gehen sollte und das sich in dessen Hauptstadt Black Town bereits riesige Armeen bereit machten einem Ansturm Stand zu halten. Dieses Geschwätz jedoch glaubten wenige. Dass es Krieg geben würde, so fürchteten viele, denn dies war die übliche Art der Könige zu beweisen, was sie leisten konnten.

      David kümmerte sich selten um solche Dinge. Er wusste nicht, was Krieg bedeuten konnte und auch die übrigen Bewohner seines Heimattales scherten sich nicht um solche Dinge, denn sie waren davon überzeugt, weit genug von dem üblichen Geschehen entfernt zu leben. Sie wussten nicht, dass sie irrten. Sie wussten nicht, dass gerade ihr kleines, verlorenes Tal in den Mündern von vielen mächtigen Leuten lag.

      Auch David ahnte hiervon natürlich nichts. Jetzt war seine Aufmerksamkeit ganz anderen Dingen zugewandt. Was auch immer sein Vater sagen mochte, Caparian City war ein unvergesslicher Anblick. Vor dem gewaltigen Stadttor stand eine lange Schlange von Wagen, die alle ungeduldig darauf warteten eingelassen zu werden. Doch die Wachen zögerten noch. Der König sei eben erst zurückgekehrt und habe strikte Anweisungen gegeben, dass niemand die Stadt betreten solle, ohne sich ausweisen zu können. Protestierendes Gemurmel machte sich breit. Es würde ewig dauern, bis sich jeder einzelne ausweisen konnte. Gerade eben erst hielten sich die Wachen ewig mit einer kleinen Gruppe auf, die zwar eine merkwürdige Zusammenstellung gab, aber der einzige von ihnen, der sich ausweisen konnte, war ein Lord und konnte seine Zugehörigkeit zur Universität vorweisen. Trotzdem dauerte es eine lange Zeit bis die Wachen sich zufrieden gaben und sie durchließen.

      "Wir stehen hier ja noch heute Nacht!", wurden solche und ähnliche Rufe laut. Auch Davids Vater wurde ungeduldig. Doch sie kamen schnell durch, denn nach und nach ließen die Wachen fast jeden mit Waren beladenen Wagen passieren, um zu verhindern, dass der Stau noch länger wurde.

      Endlich fuhren sie also über die holprige Hauptstraße und drängelten sich mit hundert weiteren Wagen im Schneckentempo in Richtung Zentrum, wo heute ein riesiger Markt aufgebaut worden war.

      "Wir haben nicht viel Zeit.", murmelte sein Vater und David versuchte nicht allzu enttäuscht zu sein. Er wusste, dass Céwik und Tarry sie begleitet hatten und dass diese sicher schon längst in dem Getümmel verschwunden waren, um möglichst viel von der Stadt zu sehen zu bekommen. David beneidete sie ein wenig, denn er hatte sich das Gleiche erhofft.

      "Wenn wir auf dem Markt angekommen sind, werde ich versuchen Getreide für unser Obst aufzutreiben. Deine Mutter sucht Stoff. Doch dies ist am anderen Ende. Also wirst du losgehen und dich für sie bei den Preisen erkundigen. Sollten sie angemessen sein, werde ich einige Ballen am Ende kaufen."

      David nickte stumm, doch war er kaum fähig etwas von den Worten aufzunehmen. Er wusste nicht, ob er zuerst nach links oder rechts schauen sollte. Alles war neu für