– Restrukturierung aller »Teile« des Individuums und Rehabilitation des Egobewusstseins
– Rückkehr in den physischen Körper und Verblassen der 5-MeO-DMT-Effekte
– Phase, in der die beiden Welten zunächst noch resonieren, bevor das Alltagsbewusstsein wieder vollständig erreicht ist
Ein weiterer Autor, der 2016 sein entheogenes Debüt in Buchform veröffentlicht hat, ist Gerardo Ruben Sandoval Isaac, und seine Geschichte wie auch sein Buch »The God Molecule« erinnern sehr an Octavio Rettigs Biografie und Schrift, weil extrem viele Parallelen zu finden sind. Im Buch beschreibt Sandoval Isaac ebenfalls seine Crack-Kokain-Abhängigkeit und seine persönliche Heilungs- und Transformationsgeschichte mit 5-MeO-DMT. Der Autor, der wie Rettig 1979 geboren worden ist, aus Mexiko kommt und Mediziner (und Medizinmann) ist, in diesem Fall Gynäkologe, ist Gründer und Vorsitzender der »Bufo Alvarius Foundation« und reist genau wie Rettig durch die Welt, um Heilzeremonien mit der Krötenmedizin abzuhalten und seine Klienten von Abhängigkeiten, Depressionen, Angststörungen, Schlaflosigkeit und Traumata zu erlösen. »Obwohl mein Leben mich auf viele verschiedene Pfade geleitet hatte, war es doch einzig 5-MeO-DMT, das Gottesmolekül, das es mir ermöglichte, die vollkommene Egoauflösung und Einheit mit Gott/der Ewigkeit/Unendlichkeit zu erfahren. (…) Das Gottesmolekül gibt den Menschen die Chance zu erleben, dass wir mit allem, was ist und jemals sein wird, verbunden sind. Es ist unser Ticket nach Hause.« (Sandoval Isaac 2016: 9)
Besonders interessant ist eine Studie über die Effekte vaporisierten Krötenschleims, die Sandoval Isaac durchgeführt hatte und in seinem Buch dokumentiert. »Die Zielsetzung dieser Studie ist die Präsentation einer 10-jährigen Untersuchung, während der Krötensekret auf vaporisiertem Weg verabreicht wurde, um eine entheogene Erfahrung zu provozieren«, heißt es in der Einleitung des Artikels (ebd.: 148). Die Studie wurde von 2005 bis 2015 mit 1600 Probanden im Alter von 17 bis 96 Jahren veranstaltet, die je 20 bis 250 mg Krötensekret im Vaporizer verdampft hatten. »Alle Probanden nahmen 2 Wochen vor der Erfahrung keine MAO-Hemmer ein, hatten 3 Tage vorher keinen Sex, aßen kein Fleisch und keine Konserven und verzichteten auf psychoaktive Substanzen jeder Art. (…) Personen mit AIDS, Krebs, Multipler Sklerose, Autoimmunstörungen, Diabetes, Bluthochdruck, Depressionen, Schilddrüsenleiden und Drogenproblemen wurden nicht aus der Studie ausgeschlossen, wohl aber Patienten mit psychischen Störungen wie Schizophrenie usw.« (Ebd.:149)
Die Resultate: In den ersten drei Minuten nach Einnahme des Vapors von getrocknetem Krötenschleim zeigte sich eine unbedeutende Erhöhung des Blutdrucks und der Herzfrequenz sowie eine verminderte Sauerstoffsättigung, die aber niemals 88 % unterschritt. Eine Durchbrucherfahrung ist ab 100 mg zu erwarten. Ab 120 mg resultiert eine retrograde (rückwirkende) Amnesie (Gedächtnisverlust). Milde psychedelische Effekte sind von 50 bis 70 mg zu erwarten, und die minimale Dosis, um überhaupt einen Effekt zu verspüren, liegt bei 20 mg. Die Probanden berichteten über lebensverändernde Erfahrungen und Einsichten, verbesserte soziale Integration, verbesserte mentale Befindlichkeit und eine gesteigerte Fähigkeit, Konflikte und Probleme zu lösen. Viele Probanden berichteten, mit der Substanz die »stärkste religiöse Erfahrung ihres Lebens« gemacht zu haben (ebd.: 154). »Eine wirklich lebensverändernde Erfahrung ist jedoch erst mit dem 5-MeO-Durchbruch möglich.« (Ebd.: 155)21
Aber 5-MeO kann auch ein anderes Gesicht zeigen. Der Psychologe Robert Augustus Masters hat seine spirituellen, teils auch furchterregenden Erfahrungen mit 5-MeO-DMT in seinem Buch »Darkness Shining Wild« veröffentlicht. Einen seiner Trips beschreibt er als »endlosen Horror, der irrsinnig und monströs pulsierte, sich viel zu schnell und in alle Richtungen gleichzeitig bewegte«. (Masters 2005: 14, 17)
Ansonsten ist die Literatur über 5-MeO-DMT bis dahin nur spärlich gesät. Dieses eher selten verwendete Tryptamin war bis vor Kurzem fast so etwas wie das Stiefkind der ethnopharmakologischen Bewegung, während N,N-DMT immer schon begeistert diskutiert wurde. Erst allmählich beginnt sich das Schrifttum um dieses machtvolle Molekül auszuweiten. Deshalb ist auch die Geschichte des 5-MeO-DMT schnell erzählt:
5-MeO-DMT wurde bereits vor 4500 Jahren schamanisch verwendet, eventuell bzw. wahrscheinlich auch schon früher. Archäologen haben in der Punaregion Argentiniens Rückstände von gerauchten Cebíl-Samen (Anadenanthera colubrina) in einer Pfeife gefunden, in denen DMT und 5-MeO-DMT nachgewiesen werden konnten. Auch als pflanzliches Ingrediens von schamanischen Schnupfpulvern werden die beiden psychedelischen Tryptamine schon seit langer Zeit verwendet. Referenzen dafür sind die Snuffs aus den südamerikanischen Baumgewächsen der Gattungen Anadenanthera (älteres Synonym: Piptadenia) und Virola. (Torres und Repke 2006) 5-MeO-DMT wurde 1936 zum ersten Mal von den japanischen Chemikern Toshio Hoshino und Kenya Shimodaira synthetisiert. (Hoshino und Shimodaira 1936; Oroc 2009: 23) 1955 wurde von Arthur Stoll, Albert Hofmann und Kollegen in der Schweiz (Sandoz Basel) eine »neue Synthese von Bufotenin und verwandten Oxy-tryptaminen« publiziert (Stoll et al. 1955), es folgten 5-MeO-DMT-Synthesen 1958 von Frederick Benington und 1962 von Peter K. Gessner. 1959 konnte das Molekül dann erstmals in einer Pflanze namens Dictyloma incanescens aus der Familie der Rautengewächse (Rutaceae) nachgewiesen werden (Pachter et al. 1959), die erste Isolation aus Pflanzenmaterial wurde 1963 von Günter Legler und Rudolf Tschesche aus Anadenanthera peregrina (damals Piptadenia peregrina) beschrieben22 – und 1965 vom Toxikologen Bo Holmstedt aus Virola theiodora. (Legler und Tschesche 1963; Ott 1996: 434) 1965 entdeckten der italienische Pharmakologe Vittorio Erspamer und Kollegen 5-MeO-DMT im Gift der Colorado-Kröte Bufo alvarius. (Erspamer et al. 1965) Von allen 463 bekannten Krötenarten der Gattung Bufo ist nur die Coloradokröte dafür bekannt, 5-MeO-DMT zu enthalten – und zwar bis zu 15 % der Trockenmasse (viele andere Bufo-Spezies enthalten aber Bufotenin, zumindest in Spuren). 1967 wies der New Yorker Forscher Hitoshi Tanimukai 5-MeO-DMT im Urin des Menschen nach (Tanimukai 1967), acht folgende Studien bestätigten Tanimukais Nachweis. 1970 gelang die erste Identifikation von 5-MeO-DMT in menschlichem Blut (Heller et al. 1970), das Jahr darauf publizierten Wissenschaftler ihre Entdeckung von 5-MeO-DMT im Urin und Blut von Schizophrenen (Narasimhachari 1971a und b). Wenig später wurde 5-MeO-DMT dann als Stoffwechselprodukt in der Gehirn-Rückenmarksflüssigkeit (Liquor) des Menschen nachgewiesen (Christian et al. 1975), was diverse Forscher bestätigten (Corbett et al. 1978; Smythies et al. 1979; Uebelhack et al. 1983), und 1976 erschien schließlich eine Arbeit von Ras B. Guchhait von der Johns Hopkins Universität in Baltimore, Maryland (siehe Seite 114), die belegte, dass menschliches Gehirngewebe in vitro 5-MeO-DMT biosynthetisiert (Guchhait 1976). Die ersten literarischen Erwähnungen des psychedelischen Untergrunds finden sich in den US-amerikanischen Bänden »Legal Highs: A Concise Encyclopedia of Legal Herbs and Chemicals with Psychoactive Properties« von Adam Gottlieb (1973), »Psychedelic Chemistry« von Michael Valentine Smith (1976) und in der »High Times Encyclopedia of Recreational Drugs« (1978).
Ein weit verbreiteter Irrtum liegt übrigens in der Annahme vor, das Sekret der Kröten könne abgeleckt werden23. Selbstverständlich steht es jedem frei, dies zu probieren, eine psychedelische Erfahrung darf man dann aber nicht erwarten. Das liegt daran, dass 5-MeO-DMT genau wie DMT oral nicht aktiv ist. Das Gift der Kröten enthält keinen MAO-Hemmer, der das 5-MeO-DMT aktivieren könnte, weshalb ein Ablecken der Kröten keinen Sinn ergibt. Im Gegenteil: Der Schleim, den die Tiere zur Abwehr von Feinden absondern, enthält eine Reihe weiterer Inhaltsstoffe, z. B. herzaktive, mit den Digitoxinen (herzwirksame Digitalisgklykoside aus der Digitalispflanze = Fingerhut) verwandte Steroidlaktone, die sogenannten Bufadienolide24 (früher Bufogenine und Bufagine genannt) und die aus den Bufadienoliden bestehenden Bufotoxine25. Und diese stark herzgiftigen Substanzen im Krötenschleim sind alle oral wirksam, sie werden nämlich über die Schleimhäute aufgenommen, weshalb von einem Ablecken des Sekrets abzuraten ist. Eine gangbare und praktikable Methode ist, die Kröten zu melken, das Sekret zu trocknen und dann zu rauchen oder besser zu verdampfen. Beim Erhitzen werden die Toxine zerstört, die Tryptamine (5-MeO-DMT und 5-HO-DMT = Bufotenin) werden aber verstoffwechselt.
Beim Melken von Kröten muss man sehr vorsichtig sein und sollte es nur wagen, wenn man die Technik auch wirklich beherrscht. Ein Tier zu verletzen, um sich selbst eine psychedelische Erfahrung zu ermöglichen, sollte ein bedingungsloses Tabu sein. Das findet auch Ralph