Westend 17. Martin Arz. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Martin Arz
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783940839343
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nicht danach aus.«

      »Was geht dich das denn an?« Das Mädchen sprang auf.

      »Entschuldige bitte, dass ich dich gerettet habe!«

      »Du mich gerettet?« Sie lachte bitter. »Klar. Danke. Du mich gerettet!«

      »Wenn das so ein krankes Spielchen von euch ist, wenn ihr diese Gewaltnummer als Kick braucht, dann kannst du mir echt leidtun.« Arslan wandte sich ab und stapfte zu seinem Zelt zurück. »Schönes Leben noch.«

      »Ey, jetzt sei doch nicht gleich sauer«, rief das Mädchen mit den rosa Haaren und lief ihm nach. »Warte doch mal.« Sie holte ihn ein. »Mein Ex ist ein Arsch, und danke, dass du mir geholfen hast. Aber der hätte mir nichts getan. Ehrlich. Wir sind nur besoffen.«

      »Okay«, sagte Arslan.

      »Wie heißt du?«

      »Nnnääh … Arslan.«

      »Da musst du nachdenken? Oder weißt du das nicht so genau?«

      »Arslan.«

      »Krass. So heißt doch der Löwe in den ›Chroniken von Narnia‹.«

      »Der heißt Aslan ohne r.«

      »Ach?«

      »Ja, klingt ganz ähnlich. Ist wohl Absicht, denn Arslan heißt Löwe!«

      »Echt? Ich bin Kiki. Eigentlich Kirsten, aber das ist ein Scheißname.« Sie deutete auf das improvisierte Zelt aus blauen Plastikplanen hinter dem Bahnwärterhäuschen. Ihre Arme waren übersät mit blauen Flecken – und Arslan war sich sicher, dass er auch Einstiche sah. »Wohnst du hier? Krass!« Sie bückte sich und schielte in das Zelt hinein. Dann lief sie zum Backsteinhaus und sah durch die zerschlagenen Fenster hinein. »Krass!«, rief sie wieder. »Da wohnen bestimmt Illegale, oder?«

      »Kann sein«, sagte Arslan.

      »Bist du auch illegal?«

      »Nein!« Arslan zögerte. »Und ich bin eigentlich auch nicht obdachlos.«

      »Schon klar.« Kiki lachte. »Eigentlich. Ne, ne, Mössjöh ist eigentlich nicht obdachlos. Riecht nur so.«

      Betreten schnüffelte Arslan an seinen Klamotten und unter seinen Achseln. Sie hatte so was von recht. Und das, obwohl er fast jeden Tag ins Schyrenbad drüben in Untergiesing ging und sich dort duschte. »Bin echt nicht obdachlos!«

      »Und warum übernachtest du dann hier auf einem Bahndamm. Weil du schon immer mal mit Aussicht auf die Großmarkthalle pennen wolltest?«

      Arslan setzte sich auf den Erdboden und sah hinüber zur Großmarkthalle. »Ich brauche gerade ein bisschen Abstand. Von allem.«

      »Kenn ich! Brauch ich auch manchmal.« Kiki setzte sich neben ihn und zündete sich eine Zigarette an. Auch sie roch obdachlos. »Auch eine?« Arslan nahm an. »Und? Was machen wir jetzt?«

      »Ich weiß nicht, was du machst, aber ich treff mich bald mit einem Freund.«

      »Ja klar!«, sagte Kiki spöttisch und blies zwei Rauchringe zu Arslan.

      »Ist so. Bald macht vorne an der Lindwurmstraße der erste Bäcker auf, da treff ich mich mit meinem Freund auf nen Kaffee.«

      »Hast du Geld? Ich komm mit.«

      »Nein. Denk nicht mal dran.«

      »Bist du Türke?«

      »Nein, ich bin Deutscher.«

      »Klar, sieht man sofort, Spacko.« Sie lachte. »Tippe eigentlich fast schon auf Araber oder Ägypter oder so.«

      »Spinnst du? Ich bin doch kein Araber! Meine Eltern sind Türken, falls du das meinst.«

      »Alles klar.« Kiki schnippte ihre nicht einmal halb gerauchte Zigarette in einem hohen Bogen weg und zündete sich eine neue an. »Dein türkisches Machogehabe kannst du dir bei mir auf jeden Fall sparen. Ich mach, was ich will, Alter. Und wenn ich mit zum Bäcker will, dann will ich das eben.«

      »Geh zum Bäcker, wann du willst und wo du willst. Aber du gehst nicht mit mir zum Bäcker.«

      »Oh, jetzt aber! Machoarsch.«

      »Leck mich.«

      Sie begleitete ihn zum Bäcker in der Lindwurmstraße, der schon um halb sieben aufmachte. Ein paar Frühaufsteher lehnten schon an den Stehtischen und schlürften Kaffee. Weil Tayfun noch nicht da war, spendierte Arslan Kiki einen Cappuccino zum Mitnehmen und eine Butterbreze. Zu seinem Erstaunen wurde er sie damit tatsächlich los. Sie biss herzhaft in die Breze, zwinkerte ihm zu und flitzte davon.

      Als es sieben Uhr war und die Bäckerei sich richtig füllte, bekam Arslan eine Nachricht von Tayfun auf sein Handy: »Sorry, schaffs net, was dazwischengekommen, melde mich später. T.«

      Arslan konnte sich gut vorstellen, was dazwischengekommen war. Besser gesagt: wer. Sie hieß Saida. Saida war Tayfuns »Hase«, wie er immer zu sagen pflegte. Wobei sich Arslan gar nicht so sicher war, dass das Saida auch so sah.

      Arslan bestellte sich noch einen Latte zum Mitnehmen und eine kalte Leberkässemmel. Wenn er etwas in München lieben gelernt hatte, dann Leberkässemmeln, ob warm oder kalt. Dann trottete er zu seinem Versteck zurück. Als er am Zelt ankam, musste er feststellen, dass sein Rucksack mit seinen Klamotten weg war. Arslan streckte sich, ballte die Fäuste und brüllte aus Leibeskräften. Ein vorbeiratternder Güterzug verschluckte den Schrei.

      04 Pfeffer ließ einen Espresso aus seiner chromblitzenden High-Tech-Espressomaschine, die er sich extra aus Italien hatte kommen lassen. Niemand außer ihm durfte sie auch nur anfassen. Außer vielleicht Bella Scholz, aber selbst die nur, wenn es unbedingt sein musste. Als er sich auf den Stuhl setzte, richteten sich gierige Augenpaare auf seine kleine Tasse, die angenehmen Kaffeeduft verströmte. Die Augenpaare schauten anschließend enttäuscht in die Pappbecher mit Labberkaffee vom Automaten draußen im Flur.

      »Gut«, begann Pfeffer. »Danke, dass ihr alle gekommen seid. Wie ihr wisst, soll es eine Soko geben. Eine kleine Soko, wohlgemerkt. Ich muss dazu allerdings sagen, dass das erst dann fix sein wird, wenn wir definitiv einen Selbstmord ausschließen können. Dazu erwarte ich bald die Ergebnisse aus der Rechtsmedizin. Es deutet aber bisher alles auf einen Mord hin, genauer gesagt auf eine Art Hinrichtung. Als ich oben an der Brücke war, konnten mir die Kollegen von der Spurensicherung bestätigen, dass niemand über die Absperrung geklettert sein kann. Ein Selbstmörder hätte das tun müssen. Es sind aber keine Spuren am Drahtgitter. Das Drahtgitter selbst ist auch nicht eingedellt, wie es sein müsste, wenn ein erwachsener Mann daraufgeklettert wäre. Es sieht also nach Mord aus.«

      »Aber wie haben sie dann den Mann über die Absperrung bekommen, wenn sie nicht draufgeklettert sind?«, meldete sich die helle Männerstimme von Erdal Yusufoglu. Yusufoglu ins Team aufzunehmen, war Bella Scholz’ Idee gewesen. Pfeffer kannte den jungen Kollegen nicht wirklich gut, dazu war er zu neu, aber er machte seine Arbeit bisher recht flott und gewissenhaft.

      »Das Seil war oben an einem der Stahlträger verknotet. Den Mann werden der oder die Täter dann wohl über die Absperrung geworfen haben.«

      »Geworfen?«, flüsterte Kommissar Erdal Yusufoglu leicht schockiert.

      »Das bedeutet«, sagte Bella Scholz, »unser Täter ist entweder sehr kräftig, oder es waren mehrere Täter.«

      »Richtig. Tippe auf Letzteres. Unser Opfer ist, das können wir bereits mit Sicherheit sagen, ausländischer Herkunft«, fuhr Pfeffer fort.

      »Woher wissen wir das?«, fragte Erdal Yusufoglu.

      Pfeffer hielt ein Foto von der Leiche hoch. Kräftiger schwarzgrauer Schnurrbart, ein ebenso schwarzgrauer Haarkranz, dunkler Teint und buschige schwarze Augenbrauen.

      »Okay«, sagte Kommissar Yusufoglu. »Schon klar. Dann bin ich also die Quote. Euer persönlicher Migrationshintergündler.«

      »Bingo«, sagte Bella Scholz, und alle lachten.

      »Wir