Heinrich der Löwe. Joachim Ehlers. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Joachim Ehlers
Издательство: Автор
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Жанр произведения: История
Год издания: 0
isbn: 9783806243796
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regni), abgesetzt von den übrigen, königsferneren Magnaten.56 Andererseits hat Helmold jedoch insofern recht, als die Belehnung mit dem bayerischen Dukat vom Einsatz Heinrichs des Löwen für die Vorhaben des Kaisers keineswegs unabhängig war und als Leistung deshalb auf Gegenseitigkeit beruhte. Mit der Abtrennung und Aufwertung der Mark Österreich hatte Friedrich dem Vetter allerdings die Möglichkeit genommen, seine bayerische Basis nach Osten zu erweitern. Das Herzogtum war rundum von anderen Reichsländern umgeben, auch Oberitalien bot einer fürstlichen Herrschaftsbildung neben der kaiserlichen Reichshoheit keine Ansatzpunkte mehr. Was in Sachsen nördlich der Elbe gelang, war in Bayern von vornherein ausgeschlossen, obwohl herzogliche Amtsgewalt dort ungleich viel effektiver und rechtlich besser fundiert zur Geltung gebracht werden konnte als in Sachsen. Das hatte sich aus einer langen Geschichte königsnaher Regierung ergeben, während der die bayerischen Herzöge seit dem 10. Jahrhundert entweder Verwandte des Königshauses gewesen waren oder die Könige selbst die Verwaltung übernommen hatten. Deshalb verfügte der bayerische Herzog als einziger im ganzen Reich über eine Ausstattung mit Amtsgut, das im Raum Regensburg, an der Salzach und am Inn gelegen war, und er hatte Befugnisse, um die Heinrich der Löwe in Sachsen noch kämpfte.

      Die oberste Gerichtsgewalt stand in Bayern dem Herzog zu, der auch das Heeresaufgebot führte und für die Wahrung des Landfriedens zu sorgen hatte, woraus sich wiederum viele willkommene Anlässe zum Eingreifen in die Rechte adliger Herrschaftsträger ergaben. Im Verhältnis des Herzogs zu den Grafen war in Bayern die Regel, was Heinrich der Löwe auf den Spuren seines Schwiegervaters in Sachsen noch realisieren wollte: Nicht der König, sondern der Herzog war Lehnsherr vieler Grafen und der beiden nach Ausscheiden Österreichs verbliebenen Markgrafen im Nordgau und in der Steiermark; beim Aussterben von Adelsfamilien konnte er das Heimfallrecht an ihren Gütern häufig mit Erfolg geltend machen.57 Außerdem hatten die Herzöge schon seit den Tagen Welfs V. (1101–1120) immer wieder Reichsgut zu Lehen bekommen; ihre Stellung war insgesamt so stark, daß es der bayerische Adel ratsam fand, die Landtage des Herzogs zu besuchen.

      Verhältnismäßig gering war dagegen der Bestand an welfischem Eigengut, das konzentriert an beiden Ufern des Lech zwischen Augsburg und Füssen lag; daneben gab es Besitz in Tirol, nämlich im oberen Inntal und im Vintschgau, schließlich drei bedeutende geistliche Institute, von denen zwei der Familie seit langem nahestanden. Das Augustinerchorherrenstift Rottenbuch, süddeutscher Mittelpunkt der gregorianischen Kirchenreform, war eine Gründung Welfs IV., der es 1090 dem Papst unterstellt hatte; Welf VI. hatte Steingaden gegründet und 1147 den Prämonstratensern übergeben, während das heute im Stadtgebiet von Innsbruck liegende Prämonstratenserstift Wilten dem Bischof von Brixen gehörte, aber wegen seiner Lage an der Brennerstraße von Heinrich dem Löwen gefördert wurde.

      Unter diesen Voraussetzungen lag es nahe, die vorgefundenen Herzogsrechte so weit wie möglich zu nutzen, doch haben Sachsen und das Land nördlich der Elbe, nicht zuletzt aber auch der Reichsdienst, Heinrich den Löwen so lange intensiv beschäftigt, daß er Bayern erst in den siebziger Jahren größere Aufmerksamkeit gewidmet hat. Abgesehen von einem ersten bayerischen Landtag im Jahre 1157 führten ihn nur die Märsche nach Italien 1159/61 und ein kurzer Besuch im Jahre 1162 ins Land; erst 1174 hat er sich fast sechs Monate in Bayern aufgehalten. Insgesamt stand Heinrichs zweites Herzogtum deutlich hinter Sachsen zurück, blieb peripher zum nördlichen Schwerpunkt seiner Herrschaft und erscheint so auch in den Herzogsurkunden, bei denen nur fünfzehn Prozent des erhaltenen Bestandes Bayern betreffen.

      Zwischen Dänemark und Rom

      Im Herbst 1156 kehrte Heinrich der Löwe vom Regensburger Hoftag des Kaisers nach Sachsen zurück und mußte sich alsbald wieder mit dem dänischen Thronstreit befassen. Diesmal bat Erzbischof Hartwig ihn um Hilfe für König Sven, den Knut im Bund mit Erzbischof Eskil von Lund aus Dänemark verjagt hatte. Weniger die Sorge um das Schicksal des Dänenkönigs jedoch leitete den Bremer Erzbischof, sondern sein Streben nach stärkerem Einfluß auf die dänische Kirche, der Wunsch nach Erneuerung älterer Pläne zur Errichtung eines Hamburg-Bremer Patriarchats über den gesamten skandinavischen Norden. Der Erzbischof von Lund stand dem als Hindernis entgegen und sollte auf jede mögliche Weise geschwächt werden.

      Hilfe für Sven war zugleich Dienst am Kaiser, der den Dänenprinzen in Merseburg zum König gemacht hatte, doch Heinrich der Löwe griff gleichwohl erst ein, als Sven ihm ein bedeutendes Honorar für seine Hilfe anbot. Im Winter 1156/57 versuchte der Herzog mit einem großen Heer, den König aus seinem sächsischen Exil nach Dänemark zurückzubringen, eroberte die Bischofssitze Schleswig und Ripen, drang bis Hadersleben vor und mußte dann den Mißerfolg des Unternehmens einsehen, weil Sven in Dänemark keinen Rückhalt für sein Königtum fand. Das politische Ziel des Feldzuges war offensichtlich unerreichbar, und so zog Heinrich sich im Januar 1157 nach Sachsen zurück.58 Mit einer Intervention von außen war Sven offenkundig nicht zu helfen, aber auch die Ermordung seines Gegners Knut im August 1157 rettete ihm die Krone nicht. Schon zwei Monate später ging sie auf der Grateheide bei Viborg verloren, als Sven in offener Feldschlacht Knuts Verbündetem Waldemar unterlag und auf der Flucht getötet wurde.

      Ende Juni war Heinrich der Löwe beim Kaiser in Goslar und stieß am 3. August in Halle zu dem großen Heer, das Friedrich dort für einen Feldzug nach Polen versammelte.59 Noch zu Lebzeiten Konrads III. war Herzog Władisław II. von Polen durch seinen Bruder Bolesław vertrieben worden, der sich jetzt weigerte, dem Kaiser seinen üblichen Tribut weiterzuzahlen und damit die Machtprobe riskierte, denn es war wenig wahrscheinlich, daß Friedrich diese Minderung seines Ansehens hinnehmen würde. Am 22. August setzte das Heer bei Glogau über die Oder und zog der konventionellen mittelalterlichen Kriegstechnik entsprechend eine Spur der Verwüstung durch die Diözesen Breslau und Posen, bis Bolesław sich auf Vermittlung Herzog Władisławs von Böhmen und anderer Fürsten dem Kaiser unterwarf. Er leistete den Treueid, zahlte dem Kaiser, der Kaiserin, den Fürsten und dem Hof beträchtliche Summen und versprach darüber hinaus, mit dreihundert Panzerreitern am nächsten Italienzug Friedrichs teilzunehmen.60

      Dieser Zug, der schon am 24. März 1157 auf einem Hoftag in Fulda für Pfingsten 1158 als militärischer Vorstoß gegen Mailand beschlossen worden war,61 versprach schwierig zu werden. Lombardische Städte, besonders Pavia, Como und Lodi, hatten gegen Mailand geklagt, so daß Friedrich diesmal zwangsläufig in die komplizierten und mit äußerster Härte geführten Auseinandersetzungen zwischen den italienischen Kommunen verwickelt werden würde. Außerdem hatte sich das Verhältnis zur römischen Kurie entscheidend verschlechtert, nachdem es im Oktober 1157 auf einem Hoftag in Besançon zu einem aufsehenerregenden und folgenschweren Zwischenfall gekommen war.

      Heinrich der Löwe war nicht dabei, als vor einem internationalen Publikum – Gesandte aus Apulien, der Toskana, Venedig, Frankreich, England und Spanien waren erschienen – zwei Legaten des Papstes, die Kardinalpriester Bernhard von San Clemente und Roland von San Marco, Friedrich einen Brief überreichten, in dem Hadrian IV. sich lebhaft darüber beklagte, daß der Kaiser trotz einer ausdrücklichen Bitte des Papstes nichts für die Befreiung des Erzbischofs Eskil von Lund getan habe, der auf seiner Rückreise von Rom in Burgund überfallen und gefangengenommen worden war. Hadrian erinnerte an das mehrfach bewiesene Wohlwollen der römischen Kirche gegenüber dem Kaiser, nannte ausdrücklich die Kaiserkrönung und erklärte seine Bereitschaft, dem Kaiser maiora beneficia zu gewähren, »noch größere Wohltaten«. Friedrichs Kanzler Rainald von Dassel las den Brief der Versammlung vor, übersetzte sogleich und gab das Wort beneficia mit »Lehen« wieder, was vom zeitgenössischen Bedeutungsfeld des Begriffs her gesehen möglich, vom Papst aber wahrscheinlich nicht gemeint war. Sollte Hadrian IV. eine Provokation im Sinn gehabt haben, so hat er doch in einem später geschriebenen Brief dem Kaiser geduldig erklärt, daß das Wort aus den Bestandteilen bonum (Wohl) und factum (Tat) gebildet sei, weshalb beneficium in Italien niemals »Lehen«, sondern vielmehr »Wohltat« bedeute; das entspräche im übrigen dem Wortgebrauch der Bibel, der zufolge die Menschen nicht durch eine Lehnsverleihung Gottes existierten, sondern durch sein Wohltun. In der Tat sagte man in Italien damals feudum, wenn man wirklich »Lehen« im technischen Sinne meinte, aber mit seiner polemischen Übersetzung weckte Rainald Erinnerungen an ein Bild im Lateranpalast, das Lothar von Süpplingenburg als Lehnsmann des Papstes darstellte, und er schürte den Zorn über die vermeintliche