Heinrich der Löwe. Joachim Ehlers. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Joachim Ehlers
Издательство: Автор
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Жанр произведения: История
Год издания: 0
isbn: 9783806243796
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wenn er es nicht vom Herrn Papst hat?« (A quo ergo habet, si a domno papa non habet, imperium?),62 steigerte das die Erregung so, daß angeblich nur persönliches Dazwischentreten Friedrichs den Pfalzgrafen Otto von Wittelsbach von einem tätlichen Angriff auf die Legaten abgehalten hat.63

      Der Kaiser reagierte scharf. Die Legaten wurden ungnädig entlassen und nach Rom zurückgeschickt; in einem wohl von Bischof Eberhard von Bamberg verfaßten und zur Verbreitung im ganzen Reich bestimmten Rundschreiben schilderte Friedrich die Vorgänge, erläuterte eingehend seine Auffassung des Verhältnisses von imperium und sacerdotium, von weltlicher und geistlicher Gewalt, und erklärte seine Entschlossenheit, unter Einsatz seines Lebens für die Ehre des Reiches (honor imperii) kämpfen zu wollen.64 Der Papst beklagte sich seinerseits über die Vorgänge in Besançon bei den deutschen Bischöfen und forderte sie auf, den Kaiser entsprechend zu ermahnen; Friedrich verlangte im Gegenzug die Zerstörung der Bilder im Lateran, die das Kaisertum herabwürdigten, und schickte in dieser spannungsgeladenen Atmosphäre im Januar 1158 seinen Kanzler Rainald von Dassel und den Pfalzgrafen Otto von Wittelsbach zur Vorbereitung des Zuges nach Italien.65 Diese Auswahl der Botschafter deutet darauf hin, daß umsichtiges Vorgehen zur Bewältigung des Konflikts nicht das oberste Ziel ihrer Mission sein sollte, denn Rainald von Dassel vertrat eine scharf antikuriale Position, deren kompromißlose Härte in den folgenden Auseinandersetzungen noch verhängnisvolle Wirkung zeigen sollte, während der Pfalzgraf in Besançon seinen Emotionen allzu freien Lauf gelassen hatte.

      Wie ernst der Kaiser die militärische Herausforderung des Italienzuges nahm und wie wichtig ihm infolgedessen wirksame Unterstützung war, zeigt die Erhebung Herzog Władisławs von Böhmen zum König auf dem Regensburger Hoftag im Januar 1158; als Anerkennung seiner bisherigen Leistungen für das Reich und als Verpflichtung zu weiterer Loyalität übergab Friedrich ihm eine Krone und fügte, wie der Geschichtsschreiber Rahewin sich ausdrückt, eine »Urkunde über den Gebrauch des Diadems und der anderen Insignien des Königtums« hinzu (privilegium de usu diadematis aliisque regni insignibus), nämlich eine Anweisung für den Ablauf von Festkrönungen zu Weihnachten, Ostern, Pfingsten sowie an den Festtagen der böhmischen Landespatrone Wenzel und Adalbert, bei denen die Bischöfe von Prag und von Olmütz ihrem neuen König nach dem Vorbild von Friedrichs eigener Krönung die Krone aufsetzen sollten.66

      Heinrich der Löwe hatte sich unterdessen im Winter 1157/58 mit Hadrian IV. in Verbindung gesetzt, um für das Bistum Ratzeburg und das bayerische Augustinerchorherrenstift Ranshofen Privilegien zu erwirken, die der Papst seinem »teuersten Sohn« (carissimus filius) am 21. und 29. Januar 1158 ausstellte.67 Bei dieser Gelegenheit suchte der Herzog zwischen Kaiser und Papst zu vermitteln und gab Hadrian Ratschläge für dessen weitere Schritte. In einem Brief an den Kaiser hat der Papst sich daraufhin ausdrücklich auf Heinrich den Löwen berufen, der ihm empfohlen habe, Gesandte an Friedrich zu schicken. Diese Initiative des Herzogs fand den Beifall aller, die sich von einer harten Konfrontation wenig versprachen und es durchaus für möglich hielten, die Spannung nicht ins Grundsätzliche steigen zu lassen. Der als Theologe und Kirchenreformer berühmte Propst Gerhoch von Reichersberg lobte in einem Brief an den Herzog, »daß du dich bemühst, die Einheit zwischen Kirche und Reich zu festigen«, so daß »auf deine Vermittlung hin Legaten des apostolischen Stuhls kommen . . . und Frieden bringen«.68 Furcht vor der großen Auseinandersetzung zwischen den Häuptern der Christenheit war keineswegs unbegründet, Erinnerungen an die Zeit Heinrichs IV. waren noch durchaus lebendig, und kein Ereignis hat Otto von Freising stärker irritiert, dauerhafter beschäftigt und auf sein universalhistoriographisches OEuvre intensiver gewirkt als der Kampf zwischen Papst und Kaiser seit Gregor VII. »Mit verbitterter Seele« (ex amaritudine animi),69 schrieb er seinem Neffen Friedrich I., habe er diese Zeit geschildert, für die es seines Wissens nichts Vergleichbares gebe: »Ich lese wieder und wieder die Geschichte der römischen Könige und Kaiser, aber ich finde vor Heinrich (IV.) keinen einzigen unter ihnen, der vom römischen Pontifex exkommuniziert oder abgesetzt worden ist . . .«70 Deutliche Signale der Endzeit hatte er bei der Beobachtung dieses Konflikts empfangen, denn »wie viel Unheil . . ., wie viele Kriege mit ihren verhängnisvollen Folgen daraus entstanden sind, wie oft das unglückliche Rom belagert, erobert und verwüstet, wie Papst gegen Papst und König gegen König gesetzt worden ist, das zu erzählen widerstrebt mir. Kurzum, so viel Unheil, so viele Spaltungen, so viele Gefahren für Leib und Seele bringt der Sturm dieser Zeit mit sich, daß er allein ausreichen würde, durch die Unmenschlichkeit der Verfolgung und deren lange Dauer den ganzen Jammer des menschlichen Elends zu enthüllen.«71

      Wie verbreitet die Befürchtungen einer Wiederholung der Krise tatsächlich waren, läßt sich nicht sagen, aber es wurde nach Auswegen gesucht, und in dieser Hinsicht unterschied sich die Position Heinrichs des Löwen offensichtlich von den Intentionen Rainalds von Dassel, der dem Kaiser im Mai 1158 riet, dem Papst gegenüber nicht allzu nachgiebig zu sein und sich von niemandem verleiten zu lassen, päpstliche Legaten gnädig zu empfangen.72 Das kann als Warnung vor den Ratschlägen Heinrichs des Löwen verstanden werden, der sich kurz darauf zugunsten Hadrians IV. sogar militärisch engagierte, als Ausdruck einer tiefgehenden Meinungsverschiedenheit zwischen Herzog und Kanzler über das richtige Verhältnis des Reiches zum Papst.

      Als sich das Heer des Kaisers im Juni 1158 auf dem Lechfeld bei Augsburg sammelte, empfing Friedrich dort die Gesandten des Papstes, den Kardinalpriester Heinrich von SS. Nero e Achilleo und den Kardinaldiakon Hyacinth von S. Maria in Cosmedin. Sie überbrachten Friedrich den schon erwähnten Brief, in dem der Papst versöhnliche Töne anschlug und sich deutlich bemühte, die Spannungen zu mindern. Heinrich der Löwe war unter den Versammelten, vor denen Otto von Freising das Schreiben verlas und wohlwollend interpretierend übersetzte. Im übrigen hatten die Legaten Anlaß, sich über die Gefahren ihres Weges nach Deutschland zu beklagen, denn sie waren in Tirol von den Grafen von Eppan in erpresserischer Absicht gefangengenommen und beraubt worden; ohne Rücksicht auf ihren hohen Rang als Gesandte des Papstes zum Kaiser hatte man sie erst freigelassen, nachdem ein Bruder des Kardinals Hyacinth als Geisel gestellt war. Weil die Grafen von Eppan den Frieden in seinem Hoheitsgebiet verletzt und die von ihm empfohlene Gesandtschaft in krimineller Weise bedroht hatten, zog Heinrich der Löwe noch von Augsburg aus zu einer Strafexpedition gegen die Herren nach Tirol.73

      Nahezu gleichzeitig, in der zweiten Junihälfte 1158, begann Friedrich seinen Feldzug gegen Mailand mit einem großen Heer, das diesmal auf verschiedenen Routen über die Alpen ging. Während die Herzöge Heinrich von Österreich und Heinrich von Kärnten zusammen mit sechshundert ungarischen Bogenschützen über das Kanaltal, Friaul und die Mark Verona marschierten, zogen Herzog Berthold von Zähringen und das Aufgebot der Lothringer über den Großen Sankt Bernhard; die fränkischen, schwäbischen und niederrheinischen Truppen wählten den Weg über Chiavenna und den Comer See. Der Kaiser nahm mit seiner Begleitung – König Władisław von Böhmen, Herzog Friedrich von Schwaben, Pfalzgraf Konrad bei Rhein, die Erzbischöfe Friedrich von Köln, Arnold von Mainz und Hillin von Trier, die Bischöfe von Eichstätt, Prag, Verden und Würzburg, die Äbte der Reichsklöster Fulda und Reichenau – die Brennerstraße. Heinrich der Löwe folgte diesmal nicht, sondern kam erst im nächsten Jahr nach Italien.

      Anfang August stand das Heer zusammen mit den Aufgeboten von Cremona und Pavia vor Mailand. Den Städten, die mit Mailand bitter verfeindet waren, schreibt der Berichterstatter Rahewin die größten Brutalitäten zu, denn sie vernichteten die Weinstöcke, Feigenbäume und Olivenhaine im Umland und töteten Gefangene weithin sichtbar vor den Mauern der Stadt. »Die drinnen dagegen zerhackten die Gefangenen Glied für Glied, um nicht an Grausamkeit unterlegen zu scheinen, und warfen sie dann als jämmerlichen Anblick für ihre Leute über die Mauer.«74 Nach harten Kämpfen begannen Ende August Verhandlungen, weil die Lebensmittelvorräte der belagerten Stadt erschöpft waren. Am 8. September unterwarf sich Mailand dem Kaiser, der daraufhin einen Teil seines Heeres entließ.75

      Zwei Monate später, am 11. November 1158, eröffnete Friedrich auf den Feldern bei Roncaglia eine große Reichsversammlung und beriet dort mit den geistlichen und weltlichen Fürsten vierzehn Tage lang über die Erneuerung der Reichsrechte in Italien. Es ging dabei um nichts weniger als um die systematische Sicherung der Herrschaft von Kaiser und Reich in einer Region, deren Wirtschaftskraft in den letzten Jahren stetig gewachsen war und deren Städte als die wesentlichen Träger dieses Aufschwungs sich Schritt für Schritt aus älteren