Heinrich der Löwe. Joachim Ehlers. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Joachim Ehlers
Издательство: Автор
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Жанр произведения: История
Год издания: 0
isbn: 9783806243796
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persönlicher Freiheit, die es so bisher nicht gegeben hatte. Persönliche Freiheit aus der Stärke der Korporation und mitbestimmte Stadtregierung durch die Ratsverfassung, eidliche Verpflichtung zu gegenseitiger Hilfe und kollektive Freiheit der Stadt bedingten einander, brachten ein hohes Maß an Rationalität durch geregelte Beratung in gewählten Gremien und damit einen Modernisierungsschub, dem die hergebrachten Herrschaftsformen der deutschen Könige und ihres Adels auf die Dauer nicht gewachsen sein sollten. Friedrich I. suchte seinerseits nach modernen Mitteln der Herrschaftslegitimation und vertraute im übrigen auf militärische Stärke, der sich die Städte am Ende würden unterwerfen müssen.

      Vier Juristen der Rechtsschule von Bologna hatten im Auftrag des Kaisers mit Hilfe von Richtern aus vierzehn lombardischen Städten ein Gutachten zur Definition der Regalien ausgearbeitet. Diese bestanden demnach im wesentlichen aus der Vollmacht des Kaisers zur Einsetzung von Gerichtsbehörden und zur Güterkonfiskation bei Majestätsverbrechen, aus seiner Oberhoheit über Verkehrswege, Abgaben, Silbergruben, Münze und Strafgelder, aus seinem Anspruch auf vakante Güter und auf außerordentliche Steuererhebung im Kriegsfall. Daraus ergaben sich für den Kaiser nicht nur erhebliche und regelmäßig fließende Einnahmen baren Geldes, sondern er war auch die einzige Quelle aller Herrschafts- und Gerichtsgewalt, oberste Instanz für Landfrieden und Lehnrecht. Die Städte sollten das anerkennen, sich durch Eide auf Achtung dieses Kaiserrechts verpflichten und Geiseln stellen.76 Das war ein Maximalprogramm. Schon im folgenden Jahr zeigte sich, daß Friedrich mit seinen Roncalischen Gesetzen den Bogen überspannt und Anlaß zu einem Konflikt gegeben hatte, der sich bald als unbeherrschbar erweisen sollte.

      Als erste wehrten sich die Bürger, zunächst in Crema und Mailand, bald aber auch anderswo, gegen die Einsetzung kaiserlicher Amtleute in ihren Städten, dann protestierte der Papst gegen Versuche, auch den Kirchenstaat diesen Gesetzen zu unterwerfen. Friedrich mußte deshalb im Februar 1159 Boten nach Deutschland schicken, um mit Appellen an die Treuepflicht (fidelitas) militärische Hilfe für die sich anbahnende Auseinandersetzung einzuwerben. Er konnte nicht absehen, wie stark die Unterstützung schließlich sein würde, denn eine allgemeingültige Antwort auf die Frage, wer zur Heerfolge verpflichtet war, gab es nicht, weil kein Reichsrecht vorhanden war, das so etwas hätte regeln können.77 Ob jemand dem Ruf des Königs folgen mußte, ihn überhören durfte, die persönlichen Vorteile und Nachteile einer Beteiligung abwägen konnte, hing im wesentlichen von der Art seiner Beziehungen zum König ab: Hatte er Sanktionen zu erwarten? Durfte er auf Gegenleistungen für seine Heerfolge hoffen? Hatte er die gewissermaßen moralische Verpflichtung des Standesherrn, empfangene Gunst zu vergelten? Bot Königsferne die bessere Voraussetzung für ungestörten Ausbau eigener Landesherrschaft oder war dafür Förderung nötig, die nur aus der Königsnähe kommen würde? Deswegen konnte der Kaiser den Herren nicht viel anderes schreiben, als daß er »ihre Bereitwilligkeit, den Bestand des Reiches zu erhalten und den Angriff der Feinde abzuwehren, auf die Probe stellen« wolle.78

      Auch Heinrich der Löwe hat diese Botschaft erhalten und sich in den Monaten April und Mai bemüht, zur Befriedung des Landes für die Zeit seiner Abwesenheit alle in Sachsen schwebenden Konflikte zu regeln. Mit König Waldemar von Dänemark, der ihn gegen ein Honorar von mehr als tausend Mark Silber um Vermittlung zum Abwenden häufiger Angriffe der Slawen gebeten hatte, schloß er Freundschaftspakte und verpflichtete die Slawenfürsten durch Eide zum Frieden gegenüber den Sachsen und Dänen.79 Seine Begegnung mit dem dänischen König und dem Bischof Absalon von Roskilde anläßlich der Verhandlungen über den Freundschaftsbund gestaltete Heinrich der Löwe zur repräsentativen Darstellung seiner Macht und Würde, indem er in seinem Zelt für beide ein Gastmahl mit so ausgesucht raffinierter Speisenfolge und so vielen Adligen beim Tischdienst gab, daß die dänischen Gäste schnell begriffen, daß es hier mehr um den Ruhm (gloria) des Gastgebers als um den Zweck (usus) des Treffens ging.80

      Ende Mai 1159 brach Heinrich der Löwe dann mit tausendzweihundert Panzerreitern nach Italien auf; außer dem Grafen Adolf II. von Holstein begleiteten ihn noch andere sächsische und bayerische Adlige. Mit dieser großen Streitmacht übernahm der Herzog das Geleit der Kaiserin Beatrix, die ebenfalls Truppen nach Italien brachte, und am 20. Juli trafen beide beim Belagerungsheer des Kaisers vor Crema ein. Auf der Nordseite der Stadt errichtete Heinrich der Löwe das Lager für seine Truppen.81 Anfang August zog er mit dem Kaiser von Crema aus gegen Mailand, das sich mit Brescia und Piacenza zusammengetan hatte. Die drei Städte suchten das Bündnis mit Papst Hadrian IV. und versprachen ihm, ohne seine Zustimmung niemals Frieden mit dem Kaiser zu schließen; der Papst kam ihnen mit der Ankündigung entgegen, den Kaiser binnen vierzig Tagen zu exkommunizieren. Zum erstenmal nahm das später so wirkungsvolle Bündnis der lombardischen Städte mit dem Papst konkrete Form an. Wegen Mangel an Pferdefutter, der ewigen Schwachstelle mittelalterlicher Reiterheere, mußten der Kaiser und der Herzog ihr Unternehmen allerdings bald abbrechen; sie wandten sich wieder der Belagerung von Crema zu und setzten jetzt eigens konstruierte Belagerungsmaschinen ein. Heinrich der Löwe hat sie genau studiert und später im Krieg nördlich der Elbe ähnliches Gerät verwendet.

      Vor Crema erhielt der Kaiser die Nachricht vom Tod Papst Hadrians IV., der am 1. September 1159 gestorben war. Seit der Weigerung der deutschen Fürsten, nach der Kaiserkrönung im Sommer 1155 den vom Kaiser dem Papst in Aussicht gestellten Feldzug gegen die Normannen in Süditalien anzutreten, hatte sich Hadrian IV. neu orientieren müssen, weil es König Wilhelm I. von Sizilien inzwischen gelungen war, sich gegen adlige Opposition und byzantinische Angriffe durchzusetzen, so daß er nun aggressiv gegen den Kirchenstaat vorgehen konnte. Um dem zuvorzukommen, schloß der Papst mit Wilhelm im Juni 1156 in Benevent einen Vertrag und belehnte ihn mit dem Königreich Sizilien, dem Herzogtum Apulien und dem Fürstentum Capua, so daß die normannische Königsherrschaft jetzt öffentlich als legitim anerkannt war. Darüber hinaus garantierten sich Papst und Normannenkönig ihre jeweiligen territorialen Besitzstände, so daß es fortan geregelte Beziehungen zwischen ihnen gab, während sich das Verhältnis führender Vertreter der Kurie zum Kaiser deutlich verschlechterte. Diese Spaltung des Kardinalskollegiums in eine kaiserfeindliche Mehrheit und eine prokaiserliche Minderheit war durch die Versuche zur Anwendung der Roncalischen Gesetze auf den Kirchenstaat vertieft worden und wirkte sich am 7. September bei der Wahl des Nachfolgers Hadrians IV. aus.

      Die Mehrheit, etwa zwei Drittel der Kardinäle, sprach sich für den Kanzler der Kurie Roland Bandinelli als Papst Alexander III. aus, während die Minderheit den Kardinal Oktavian als Viktor IV. erhob.82 Weil es weder ein Mehrheitswahlrecht noch eine im Falle des Dissenses entscheidungsbefugte Institution außerhalb des Kardinalkollegiums gab, blieb es nun der gesamten lateinischen Christenheit überlassen, welchem der beiden Päpste sie folgen wollte und welches Ordnungsprinzip sich durchsetzen sollte: Die vom kanonischen Recht definierte Autorität des Papstes oder die römischrechtlich zur Amtsgewalt erklärte Autorität des deutschen Königs als römischer Kaiser. Roland Bandinelli war ein bedeutender Jurist, der in Bologna gelehrt hatte; als Berater und Legat Hadrians IV. hatte er 1157 auf dem Hoftag von Besançon die Auseinandersetzung mit Rainald von Dassel geführt, so daß seine Position für jedermann klar erkennbar war. Oktavian gehörte zu einer der führenden Familien in der Sabina, den Monticelli, die als Seitenlinie der römischen Crescentier zum europäischen Hochadel gerechnet wurden. Er galt als specialis amator Theutonicorum, als besonderer Freund der Deutschen,83 und hatte mehrfach Gesandtschaften zu Friedrich I. übernommen.

      Gleich nach der Wahl versuchten Pfalzgraf Otto von Wittelsbach und Graf Guido von Biandrate als Gesandte Friedrichs in Rom vergeblich, Viktor IV. zu allgemeiner Anerkennung zu verhelfen. Der Kaiser selbst schickte sogleich den Bischof Wilhelm von Pavia nach Frankreich, um König Ludwig VII. klarzumachen, was er schon von den deutschen, burgundischen und aquitanischen Großen verlangt hatte: Der neue Papst müsse dem honor imperii, der Ehre des Reiches, ebenso gerecht werden wie dem Frieden und der Einheit der Kirche. Das bedeutete, wie Friedrich am 16. September von Crema aus an Erzbischof Eberhard von Salzburg schrieb, daß niemand sich voreilig und ohne Absprache mit ihm für einen der Gewählten entscheiden dürfe.84 Um angesichts der Papstkrise die lombardischen Städte einzuschüchtern, versammelte der Kaiser zwei Tage später die wichtigsten Großen im Zelt Heinrichs des Löwen, verkündete die Reichsacht über die Bewohner von Crema und sprach den Bürgern aller anderen Städte, soweit sie sich derzeit in Crema aufhielten, ihre Eigengüter und Lehen ab.85

      Immer