Heinrich der Löwe. Joachim Ehlers. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Joachim Ehlers
Издательство: Автор
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Жанр произведения: История
Год издания: 0
isbn: 9783806243796
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brachte der Ende Juli zum Erzbischof von Köln gewählte Kanzler Rainald von Dassel über die Alpen mit zurück.86 Nun befahl der Kaiser »dem Kanzler Roland und den Kardinälen, die ihn zum Papst gewählt haben«, auf einem Konzil zu erscheinen, das er für den 13. Januar 1160 nach Pavia einberufen hatte, und sich dort dem internationalen Schiedsgericht zu stellen. Zu diesem Konzil lud er in einer Vielzahl von Briefen »die beiden, die sich römische Päpste nennen«, ein, ferner »alle Bischöfe unseres Reiches und anderer Königreiche, nämlich Frankreichs, Englands, Spaniens und Ungarns«. König Heinrich II. von England wurde ausdrücklich gebeten, so viele Vertreter der englischen Kirche wie möglich nach Pavia zu schicken und sich vorerst neutral zu verhalten.87

      Anfang November erschienen Gesandte Alexanders III. vor Crema, wo sie der Kaiser nur auf dringenden Rat der Fürsten und auch dann noch höchst unwillig empfing. Ein entschiedener Anhänger Alexanders III., der Kardinaldiakon Boso, einst Kämmerer Hadrians IV., hat sechs Jahre später aufgeschrieben, daß Friedrich die Gesandten hätte hängen lassen, wenn Welf VI. und Heinrich der Löwe nicht persönlich dagegen eingeschritten wären.88 Selbst wenn dieser Bericht tendenziös entstellt ist, bleibt doch die Frage, warum Boso als Retter der Legaten ausgerechnet Welf VI. und Heinrich den Löwen ausgewählt hat. Offenbar konnte man ehestens diesen beiden eine solche Aktion zutrauen, denn sowohl durch die Vermittlungstätigkeit im Winter 1157/58 als auch durch seine Strafexpedition gegen die Grafen von Eppan hatte Heinrich der Löwe einen bestimmten Ruf erworben.

      Unterdessen zog sich die Belagerung von Crema unerwartet lange hin, so daß der Kaiser die Geduld verlor und vierzig von der Stadt gestellte Geiseln hinrichten ließ, anschließend noch sechs vornehme Mailänder Ritter, darunter den Neffen des Erzbischofs von Mailand. Weil die Belagerungsmaschinen von den Mauern aus sehr wirkungsvoll beschossen wurden, ließ Friedrich Gefangene vor die anrollenden Holztürme binden, aber die Verteidiger schonten weder ihre Mitbürger noch Freunde oder Verwandte, sondern töteten sie im fortgesetzten Einsatz der Steinschleudern.89 Später, im November oder Dezember, gelang es dann, den Stadtgraben von Crema teilweise aufzufüllen und mit dem darüber geführten Rammbock eine Bresche in die Mauer zu schlagen, doch die Stadt konnte dadurch nicht genommen werden, so daß der Kaiser den Termin des Konzils vom 13. Januar auf den 2. Februar verschieben mußte. Immerhin rechnete man demnach doch mit dem baldigen Fall der Stadt, zumal es in der ersten Januarhälfte gelungen war, den leitenden Ingenieur der Verteidigungswerke gegen ein hohes Honorar auf die kaiserliche Seite zu ziehen. Solche Spezialisten waren teuer bezahlte, sehr gesuchte und deshalb unabhängige Leute, die einen herrenmäßigen Lebensstil pflegen konnten und ritterlich lebten. Dem übergelaufenen Cremenser Meister Marchese schenkte der Kaiser jedenfalls als Begrüßungsgabe ein für den Kampf sorgfältig abgerichtetes Streitroß (desterius). Sogleich baute Marchese eine neuartige Angriffsmaschine, von der eine Brücke nach vorn ausgeklappt werden konnte, und mit diesem Gerät begann am 21. Januar der Sturm auf Crema. Wieder wurde mit großer Härte gekämpft; eigenhändig tötete der Kaiser als vorzüglicher Bogenschütze mehrere der Verteidiger. Dem Ritter Bertolf von Urach, der im ersten Sturmtrupp in die Stadt eingedrungen und dabei ums Leben gekommen war, zog einer der Verteidiger die Kopfhaut ab und band sie an seinen Helm, »nachdem er sie vorher aufs sorgfältigste gekämmt hatte«.90 Selbst dieser Angriff führte noch nicht zum Ziel, doch immerhin willigten die Bürger von Crema jetzt in Verhandlungen ein, die Heinrich der Löwe gemeinsam mit dem Patriarchen Pilgrim von Aquileja führte und dabei eine Kapitulation gegen freien Abzug mit tragbarer Habe vereinbarte. Am 26. Januar gewährte der Kaiser auf dieser Grundlage Frieden. Er blieb noch bis zum Ende des Monats am Ort, um die Zerstörung der Stadt einzuleiten, bei der sich die Bürger von Cremona besonders hervortaten.91

      Heinrich der Löwe hatte an allen diesen Kämpfen teilgenommen und reiste mit dem Kaiser am 2. oder 3. Februar nach Pavia ab, wo Friedrich am 5. Februar das Konzil eröffnete. Im vollen Bewußtsein seiner Kompetenzen als Schutzherr der römischen Kirche behandelte Friedrich das Schisma als Rechtsstreit um die Frage, wer der rechtmäßige Papst sei. Er sah sich dabei als Nachfolger der römischen Kaiser Justinian und Theodosius, die solche Fragen entschieden hatten,92 und knüpfte auch an die Position Kaiser Heinrichs III. an, der 1046 auf der Synode von Sutri über mehrere Päpste gerichtet hatte. Obwohl nach den Umwälzungen der gregorianischen Reform kaum noch auf allgemeine Anerkennung einer solchen kaiserlichen Kompetenz gerechnet werden durfte, versuchte Friedrich die Wahl Viktors IV. nachträglich zu legitimieren und das Schisma mit der Exkommunikation Rolands rasch zu beenden.

      Schon die Beteiligung an seinem Konzil aber mußte dem Kaiser die engen Grenzen seines Handlungsspielraums vor Augen führen, denn es kamen etwa fünfzig Erzbischöfe und Bischöfe, sehr viele Äbte und Pröpste aus Deutschland und Reichsitalien, nicht hingegen Vertreter der französischen und der englischen Kirche, auch nicht Alexander III., der jedes Gericht über einen Papst als illegal ansah. Nach der Eröffnung verließ der Kaiser die Versammlung, die nunmehr allein beriet und sich nach wenigen Tagen für Viktor IV. entschied. Dieses Ergebnis war als solches nicht überraschend, aber Heinrich dem Löwen zeigten die zugrunde liegenden Voten künftige Schwierigkeiten an. Vom deutschen Episkopat hatten sich zwar die Erzbischöfe von Mainz, Köln, Magdeburg und Bremen samt ihren Suffraganen mit mehr oder weniger großen Bedenken für den kaiserlichen Papst ausgesprochen, aber die Erzbischöfe von Trier und Salzburg erklärten sich für Alexander III., die Bischöfe von Bamberg, Passau und Regensburg wollten ihre Entscheidung vom Votum der gesamten Kirche abhängig machen; die Botschafter der Könige von Frankreich und England äußerten sich gar nicht, sondern forderten kaiserliche Gesandtschaften an die Höfe Ludwigs VII. und Heinrichs II. Obwohl alle Bistümer seines bayerischen Herzogtums zur Diözese Salzburg und damit nach der Entscheidung Erzbischof Eberhards nun zur Obödienz Alexanders III. gehörten, stimmte Heinrich der Löwe für Viktor IV., ebenso hielten es die Herzöge Welf VI., Berthold von Zähringen und Friedrich von Schwaben.93

      Nach dieser Entscheidung und bei näherer Analyse des Abstimmungsverhaltens, der offenen oder versteckten Opposition, durfte sich der Kaiser keineswegs als Sieger fühlen, denn jetzt würde auf europäischer Ebene der Kampf um die allgemeine Anerkennung des rechten Papstes beginnen und auch mit den Mitteln einer frühen Publizistik durch Briefe, Streitschriften und Rundschreiben geführt werden müssen. Unter dem Druck ihrer Landeskirchen neigten Ludwig VII. von Frankreich und Heinrich II. von England eher zu Alexander III., auf dessen Seite sich auch der einflußreiche Zisterzienserorden stellte. Besonderes Gewicht hatte das Milieu der französischen hohen Schulen, denn dort studierten viele Ausländer, die in ihrer Heimat schon hohe Kirchenämter innehatten oder dafür vorgesehen waren. In Paris hörten sie überzeugende Argumente zugunsten Alexanders III. Im Sommer 1160 schrieb Johannes von Salisbury, der durch Studien in Frankreich gebildete Sekretär und Berater des Erzbischofs Theobald von Canterbury, an den ihm befreundeten englischen Magister Radulf von Sarre nach Frankreich, daß die Vorgänge in Besançon gezeigt hätten, wie frühzeitig Friedrich begonnen habe, Roland als seinen Feind zu betrachten, und daß deshalb zu befürchten sei, der Kaiser werde Ludwig VII. von seinem bis jetzt noch festen alexandrinischen Standpunkt abbringen. Die Beschlüsse des Konzils von Pavia, auf dem der Kaiser die nur Gott unterstellte römische Kirche zu richten gewagt habe, seien nicht akzeptabel, denn: »Wer hat die universale Kirche dem Urteil einer partikularen unterworfen? Wer hat die Deutschen zu Richtern über die Nationen bestellt? Wer hat diesen rohen und heftigen Menschen die Vollmacht gegeben, einen Fürsten ihrer Wahl über die Häupter der Menschenkinder zu setzen? Tatsächlich hat ihre blinde Raserei (furor) das immer wieder versucht, aber durch Gottes Willen ist es jedesmal gescheitert, und sie haben sich für ihr eigenes Unrecht geschämt.«94 Mochte hier auch ein besonderes Ressentiment gegen die Deutschen die Feder führen, so hatte Johann von Salisbury doch in einem entscheidenden Punkt recht: Noch niemals in der jüngeren Kirchengeschichte seit der Mitte des 11. Jahrhunderts hatte sich ein kaiserlicher Papst gegen den gewählten Konkurrenten behauptet. Es war keineswegs sicher, daß Friedrich seinen Kandidaten gegen den vorhersehbaren Widerstand würde durchsetzen können, wenn sich alle antikaiserlichen Kräfte hinter Alexander III. versammelten.

      Nach dem Konzil von Pavia beriet sich der Kaiser mit den Fürsten über das weitere Vorgehen und entließ daraufhin das Heer. Nach den verwüstenden Feldzügen zweier Jahre hielt er es für zweckmäßig, »wenn das Land einige Ruhe habe und sich erhole, bis es nach der Feldbestellung im kommenden Jahr neue Heimsuchungen ertragen und ein neues Heer aufnehmen und ernähren