Heinrich der Löwe. Joachim Ehlers. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Joachim Ehlers
Издательство: Автор
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Жанр произведения: История
Год издания: 0
isbn: 9783806243796
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des Schwarzen, Judith, mit Herzog Friedrich II., dem Vater Kaiser Friedrich Barbarossas. Heinrich der Schwarze selbst hatte schon vor 1100 Wulfhild zur Frau genommen, eine der beiden Erbtöchter des sächsischen Herzogs Magnus Billung und seiner Gemahlin Sophia aus dem ungarischen Königshaus. Seit dem 10. Jahrhundert gehörten die Billunger zu den führenden sächsischen Adelsfamilien; 936 war Hermann Billung von König Otto I. mit der Grenzverteidigung gegen die Slawen im Gebiet der Unterelbe eingesetzt worden, Grundlage seiner späteren Stellung als Markgraf. Mehrfach hatte er in Sachsen während der Abwesenheit des Königs als dessen Stellvertreter gewirkt, so daß sich um die Jahrtausendwende die herzogliche Gewalt der Billunger ausbildete, die allerdings schon viel von ihrer Bedeutung verloren hatte, als Magnus Billung im Jahre 1106 starb.19 Seither war Heinrich der Schwarze auch in Sachsen begütert, denn seine Gemahlin Wulfhild erbte das billungische Kerngebiet um Lüneburg, wo sich auch die Grablege der Familie befand; ihre Schwester Eilika, die zwischen 1095 und 1100 den Grafen Otto von Ballenstedt geheiratet hatte, brachte Güter in der Altmark, um Bernburg, Weißenfels und Halle an das Haus der Askanier.20 Erbansprüche Heinrichs des Schwarzen und Ottos von Ballenstedt auf die sächsische Herzogswürde ignorierte Heinrich V. allerdings und machte mit der Ernennung des Grafen Lothar von Süpplingenburg klar, daß der Dukat ein vom König verliehenes Amt bleiben sollte.

      Reichsweites Ansehen und anerkannte Autorität Heinrichs des Schwarzen lassen sich gleichwohl daran ermessen, daß er im Jahre 1122 zu den Fürsten gehörte, mit deren Zustimmung und Rat (consensu et consilio) die kaiserliche Position für das Wormser Konkordat entwickelt und verkündet wurde, so daß der lange Streit um die Investitur der Bischöfe endlich zu Ende gebracht werden konnte.21 Schon im folgenden Jahr hatte er die Genugtuung, unter seinen Vorfahren einen Heiligen zu wissen, denn im März 1123 bestätigte Papst Calixt II. dem Bischof Ulrich I. von Konstanz, daß dessen 975 verstorbener Vorgänger Konrad aus dem welfischen Haus liturgisch verehrt werden dürfe. Wenn die süddeutschen Zeugnisse der Familiengeschichte, Genealogia und Historia Welforum, den heiligen Konrad zwar erwähnen, über die feierliche Erhebung seiner Gebeine am 26. November 1123 in Konstanz aber nur die Sächsische Welfenquelle berichtet, läßt sich das wohl mit dem Übertragen der Familientradition nach Sachsen erklären, die vielleicht schon durch Heinrich den Schwarzen, spätestens aber durch Heinrich den Stolzen nach Lüneburg gekommen und dort präzisiert worden ist. Anläßlich der Feierlichkeiten für den heiligen Konrad machte Heinrich der Schwarze der Konstanzer Kirche Güterschenkungen und »erwies sich dadurch überzeugend als Nachkomme des so bedeutenden Mannes« (se nepotem tanti viri evidenter ostendit).22 Ahnenstolz und Sorge um das Gedenken veranlaßten Heinrich den Schwarzen nach dem Bericht der Welfenquelle auch, das Grab Etichos zu suchen, des Stammvaters der Familie, dieses Grab öffnen zu lassen, eine neue Grablege und darüber eine Kirche zu errichten. In Weingarten begann Heinrich einen Neubau der Klosterkirche, in deren Westchor die Vorfahren bestattet wurden: Rudolf II., der Neffe des soeben kreierten heiligen Konrad, mit seinen Söhnen Heinrich und Welf II., Welf III. und Welf IV. mit seiner Gemahlin Judith von Flandern, Welf V. Auch Heinrich der Schwarze selbst sollte mit seiner Gemahlin Wulfhild und beider Tochter Sophia in Weingarten bestattet werden.23

      Zwei Jahre nach dem Akt von Konstanz, am 23. Mai 1125, starb Kaiser Heinrich V. Beste Aussichten für die Nachfolge hatte sein Neffe, der Staufer Herzog Friedrich II. von Schwaben, Schwiegersohn Heinrichs des Schwarzen durch die Ehe mit dessen Tochter Judith. Während der Wahlversammlung in Mainz Ende August aber entzog Heinrich dem Verwandten die Unterstützung und gab seine entscheidende Stimme dem sächsischen Herzog Lothar von Süpplingenburg. Die Gründe für diese spektakuläre Wendung sind im einzelnen unklar; sicher ist, daß der aus billungischem Erbe rührende sächsische Besitz mit dem Zentrum Lüneburg für Heinrich den Schwarzen motivierend gewirkt hat, und möglicherweise ist seine Wahlentscheidung auch durch eine Absprache befördert worden, deren Ergebnis allerdings erst später sichtbar wurde. Am 22. Mai 1127 übergab König Lothar seine damals zwölfjährige Erbtochter Gertrud dem Sohn Heinrichs des Schwarzen zur Ehe. Die Hochzeit Gertruds mit dem wohl neunzehnjährigen Heinrich, den man später »den Stolzen« nennen sollte, wurde eine Woche danach auf dem Gunzenlê gefeiert, jenem berühmten Feld bei Augsburg, auf dem 955 die große Ungarnschlacht Ottos des Großen stattgefunden haben soll; anschließend wies Heinrich der Stolze Gertrud bis zum Herbst die Ravensburg als Aufenthaltsort zu.24 Ob König Lothar seinem Schwiegersohn kurz darauf die sächsische Herzogswürde übertragen hat, ist nicht sicher, aber sämtliche sächsischen Quellen der Zeit leiten Recht und Anspruch Heinrichs des Stolzen auf den Dukat aus seiner Ehe mit Gertrud ab.25 Heinrich der Schwarze hat das nicht mehr erlebt. Kurz nach seinem Eintritt in den Konvent des Klosters Weingarten ist er dort am 13. Dezember 1126 gestorben.

      Kaiser Lothar III.

      Die Familie des 1125 neugewählten Königs gehörte zum alten sächsischen Adel, sehr wahrscheinlich verwandt mit Liudolfingern, Billungern und Brunonen, den Grafen von Walbeck, Querfurt und Haldensleben. Lothar vermehrte sein eher schmales väterliches Erbgut um Helmstedt schon im Jahre 1100 durch die Hochzeit mit Richenza von Northeim, einer Enkelin jenes Herzogs Otto, dessen Tochter Ethelinde Welf IV. einst verstoßen hatte. In der Nachfolge des Billunger Herzogs Magnus übernahm Lothar Grafschaften in den Diözesen Verden, Minden und Paderborn sowie die Hochvogtei über das Bistum Verden, so daß er große Teile der weltlichen Ressourcen dieses Bistums nutzen konnte. Richenza erbte 1117 nach dem Tod ihrer Mutter Gertrud von Braunschweig den Besitz der Brunonen um Braunschweig und machte Lothar damit zum mächtigsten Dynasten Sachsens.26 Weil das Herzogspaar bei der Verheiratung seiner Tochter nicht mehr auf weitere Nachkommenschaft hoffen durfte – 1127 war Lothar zweiundfünfzig, Richenza wohl vierzig Jahre alt –, würde der gesamte Besitz über Gertrud an Heinrich den Stolzen fallen; mit ihm als Schwiegersohn hatte der König die Grundlagen seiner Herrschaft nach Süden erweitert und zugleich die Welfen endgültig nach Sachsen gezogen. Indem Lothar auch nördlich der Elbe Herrschaftsrechte geltend machte, vergrößerte er seine Handlungsspielräume und erschloß neue Wege zur Stärkung der sächsischen Herzogsgewalt, die sein Enkel Heinrich der Löwe mit großer Energie weitergehen sollte.

      Nordalbingien unterschied sich vom übrigen Sachsen seit dem 9. Jahrhundert beträchtlich durch seine periphere Lage zum Karolingerreich und dessen politischer und zivilisatorischer Ausstrahlung.27 Die altsächsischen Gaue Holstein und Stormarn blieben genossenschaftlich organisiert und kannten weder Adelsherrschaft noch Lehnswesen und Ministerialität, wohl aber führende Familien, aus denen die overboden kamen, denen die Leitung der Abwehr gegen die vordringenden Slawen übertragen war. Seit den siebziger Jahren des 11. Jahrhunderts lag die Grafengewalt über Holstein und Stormarn in den Händen der Billunger, und 1111 belehnte Lothar als ihr Rechtsnachfolger einen Adligen aus dem mittleren Wesergebiet, Adolf von Schauenburg, mit der Doppelgrafschaft, die ganz von den Aufgaben der Slawenabwehr, der Mission, dem Landesausbau und der Expansion geprägt war. Seit 1066 war die Grenze zunehmend unruhig; die vom Bremer Erzbischof östlich des karolingischen Limes Saxoniae gegründeten Missionsbistümer Oldenburg, Ratzeburg und Mecklenburg waren verlorengegangen, und das Land wurde wieder heidnisch. Es ist bezeichnend für die Königsferne dieser nördlichen Region, daß Adolf von Schauenburg sein Grafenamt nicht vom König bekam, sondern vom Herzog.

      Erst auf der Grundlage seiner ausgedehnten Eigengüter und der militärischen Schlagkraft seiner darauf angesiedelten Dienstleute konnte Lothar die Herzogsrechte effektiv nutzen, denn für sich genommen waren diese Rechte rein formaler Natur und zeigten nur in der Hand eines hinreichend Mächtigen praktische Wirkung: Führung des sächsischen Heeresaufgebots, Wahrung des Landfriedens, Einberufung von Landtagen. Zum Schutz des Landfriedens hat Lothar mehrfach in Westfalen eingegriffen, wo er von Haus aus nicht begütert war. Als Haupt der sächsischen Fürstenopposition gegen Heinrich V. siegte er 1115 in der Schlacht am Welfesholz zwischen Mansfeld und Eisleben so entscheidend über das königliche Aufgebot, daß Sachsen fortan für Heinrich V. verloren war und Lothar daraufhin königliche Kompetenzen an sich ziehen konnte. Aus eigener Machtvollkommenheit ernannte er im Jahre 1123 zwei Markgrafen, nämlich Konrad von Wettin in der Mark Meißen und Albrecht den Bären in der Lausitz;