Auf der psychologischen Ebene bietet dieses Buch bestimmte Einsichten und konkrete Methoden an, um mit Ihrer persönlichen Verletztheit im Zusammenhang mit der Liebe arbeiten und Ihren alten Groll loslassen zu können, so dass die Liebe freier in Sie hinein- und durch Sie hindurchfließen kann. Auf der spirituellen Ebene wird es Ihnen helfen, Ihre Fähigkeit zu entwickeln, sich zu öffnen, Ihre schwierigsten Erfahrungen in einen Raum von Liebe zu betten und darüber hinaus die große Kraft der absoluten Liebe anzuzapfen, die Ihre innerste Essenz ist, so dass diese Ihr Leben von innen her erfüllen und erleuchten kann.
Wenn Sie auf diesen beiden Ebenen arbeiten – ihre psychische Verletztheit angehen und lernen, einen Zugang zu der großen Liebe zu finden –, wird Ihnen das helfen, mit sich selbst, mit anderen und mit allen Aspekten des Lebens großherziger und offener umzugehen. Sie werden entdecken, dass Ihre Verletztheit keine Schuld und kein Fehler ist, sondern viel mehr ein Leitkompass, der zu größerer Verbundenheit führen kann. Und das wird Sie befähigen, mit der Spannung zwischen der der Liebe innewohnenden Vollkommenheit und der unvermeidlichen Unvollkommenheit von menschlichen Beziehungen kreativer umzugehen.
Alle Ideen und Methoden in diesem Buch sind aus meiner eigenen persönlichen Erfahrung und Forschung sowie aus meiner Arbeit als Psychotherapeut hervorgegangen. Als ich dieses Material Teilnehmern in meinen Kursen und Workshops vermittelte, sah ich, dass es eine kraftvolle Wirkung auf ihre Beziehungen zu sich selbst und zu anderen hatte. Im Unterrichtszusammenhang stellen praktische Übungen eine Möglichkeit dar, dass die Studenten dieses Material in konkreter, persönlicher Weise auf ihr eigenes Leben anwenden und es sich zu eigen machen. Da es jedoch den Textfluss stören kann, wenn man Übungen in ein Buch einbaut, habe ich beschlossen, einige dieser Übungen - abgesehen von ein paar wichtigen Ausnahmen - nach Kapiteln geordnet in einem Extrateil am Ende des Buches zusammenzustellen. Wenn Sie möchten, können Sie zu diesem Abschnitt gehen und mit den Übungen arbeiten, nachdem Sie das jeweilige Kapitel gelesen haben. Das wird Ihnen helfen, das Verständnis, das sie gewinnen, umzusetzen und sich ganz zu eigen zu machen.
Mögen alle Wesen glücklich sein und sich wohl fühlen. Mögen wir durch die Gewissheit, dass wir liebevoll gehalten werden, die grenzenlose Quelle der Freude in uns selbst finden und sie mit unserer Umwelt teilen. Mögen wir unsere wahre Natur als glückselige, strahlende Liebe erkennen.
Prolog
Sich liebevoll gehalten fühlen
David war eine interessante Mischung: Er war ein einnehmender Mann in den Vierzigern, der tiefe Gefühle für Frauen, für Sex und für ehrlichen, direkten Kontakt hatte. Dennoch lebte auch er im Schatten seiner Wunde, und sein Leben war von einer Reihe von Liebesaffären gekennzeichnet, die nie sehr weit gediehen waren. Obwohl er keine Probleme hatte, attraktive Partnerinnen zu finden, war die Geschichte immer die gleiche: Er pflegte sie am Ende immer zu verurteilen und von sich zu stoßen oder sich zurückzunehmen, bis sie schließlich gingen. Er wünschte sich verzweifelt Liebe im Leben, und als er auf all die Frauen zurückblickte, von denen er sich getrennt hatte, gab er zu, dass mehrere von ihnen eine gute Partnerin hätten abgeben können. Damals hatte er jedoch immer etwas gefunden, das seine Unzufriedenheit und sein anschließendes Gehen gerechtfertigt hatte. Mit einer Therapie hatte er begonnen, weil er herausfinden wollte, was mit seinem Liebesleben nicht stimmte.
Sechs Monate zuvor war er eine neue Beziehung mit einer Frau eingegangen, die er wilder und intensiver liebte als irgendeine andere zuvor. Sie hatten eine starke emotionale Verbindung, großartige Gespräche und sagenhaften Sex. Aber an einem bestimmten Punkt zog er sich zurück und schnitt die Beziehung zu Lynn ab, weil er ihr nicht vertrauen konnte und Angst davor hatte, dass sie ihn sehr verletzen könnte.
In unseren ersten Sitzungen blieb David auf Lynn konzentriert und darauf, dass ihr nicht zu trauen war. Aber schließlich lenkte ich seine Aufmerksamkeit auf das zurück, was in ihm vorging. Er war mit einer launischen, depressiven Mutter aufgewachsen, die über lange Zeitabschnitte hinweg fast nicht für ihn verfügbar gewesen war, und wenn sie da gewesen war, hatte sie emotional wenig zu geben gehabt. Nichts, was David getan hatte –, von wütend werden bis sich zurückziehen – hatte ihm die Aufmerksamkeit und die Liebe gebracht, die er gebraucht hätte. In Folge davon hatte er einfach kein Vertrauen, dass es wirklich Liebe für ihn geben könnte oder dass er geliebt werden könnte, für das, was er war. Er versuchte dann immer, seinen Wert dadurch zu beweisen, dass er Frauen beeindruckte, während er sie gleichzeitig aber dafür ablehnte, dass er das tun musste.
Unter Davids einnehmendem Äußeren war eine Wut am Sieden, die er kaum erkennen und noch viel weniger benennen konnte, weil Wut in seiner Familie die schlimmste Sünde war und Ablehnung garantierte. Eine Art seine Wut auszudrücken bestand darin, jeden von sich zu stoßen, der ihm nahezukommen versuchte. Im Grunde sagte er zu allen Frauen, die ihn haben wollten: „Verschwinde. Ich traue deinem Interesse und deiner Anziehung nicht, weil du mich nie wirklich wirst lieben können.“
Das Misstrauen, das er Lynn gegenüber verspürte, hallte die Korridore seiner gesamten Vergangenheit entlang, seines ganzen Lebens, in dem er sich nie vollkommen geliebt oder angenommen gefühlt hatte.
Nachdem David ein paar Wochen lang mit seiner Verletztheit gearbeitet und sie verstanden hatte, begann sein Interesse an Lynn wieder aufzuleben, und er wollte sie wiedersehen, obwohl es sich gefährlich anfühlte. Als er dies in Betracht zog, gab es einen wunderbaren Moment, in dem er aufsah, als ob er in den Himmel starren würde, undrhetorisch fragte: „Ist es also das? Du liebst jemanden, öffnest dich und fühlst dich verletzlich, du lässt den anderen ein und er wird wirklich wichtig für dich, und dann kann er einfach alles tun, was er will – weggehen, dich verletzen, dich anlügen –, und du kannst nichts dagegen tun? Ist es das, was Liebe ist?“
Die Wundheit von Davids Worten brachte eine Saite in mir zum Klingen und setzte mich mit meiner eigenen Erfahrung dessen, wovon er sprach, in Verbindung. Ich lächelte zustimmend. Ich dachte darüber nach, dass es wie eine Woge ist, die man nicht kontrollieren kann, wenn man wirklich eine tiefe Verbindung mit jemandem möchte und wenn diese Leidenschaft tief aus dem eigenen Inneren aufwallt. Es öffnet einen einfach explosionsartig. Man kann nicht nur die Gefühlswoge nicht kontrollieren, man kann auch nicht kontrollieren, wie die andere Person auf einen selbst reagieren wird. Ich dachte an Zeiten, in denen ich mich so geöffnet gefühlt hatte, und an die damit einhergehende Angst und meinen instinkthaften Selbstschutz.
„Wenn ich mich jemandem gegenüber so offen fühle, kann ich wirklich die Tiefe und die Kraft davon spüren“, fuhr David fort. „Ich weiß, dass es das ist, was ich wirklich mit jemandem haben möchte. Da liegt der wahre Saft drin.“ Er sprach über diesen süßen Punkt, an dem man sich ergibt und an dem einen die Kraft der Liebe trägt und bewirkt, dass man sich ohne zu bremsen weiter öffnen möchte. „Aber es fühlt sich so gefährlich an, als ob ich getötet werden könnte.“
David stand auf Messers Schneide, unsicher, ob er dem Sog seines Angezogenseins von Lynn folgen sollte – was sich schrecklich riskant anfühlte – oder ob er sich zurückhalten und auf Nummer sicher gehen sollte. Ich fragte ihn: „Wenn Sie in dieser Beziehung alles, was Sie sich wünschen, haben könnten, was wäre es?“ Die ersten Worte, die ihm über die Lippen kamen, waren ein Klägliches: „Ich weiß es nicht.“ Ich ermutigte ihn, sich länger mit der Frage zu beschäftigen, in sich zu blicken und eine Antwort aus größerer Tiefe aufsteigen zu lassen. Nach einer Pause sagte er: „Ich würde gerne im Stande sein, ihr zu vertrauen, und wissen, dass ich wirklich geliebt werde.“ Kaum waren diese Worte aus seinem Munde geflossen, als er sie schon einschränkte: „Aber vielleicht ist das zu viel verlangt.“ Ich fragte: „Wie würde es sich anfühlen, wenn Sie so geliebt würden? Was würde Ihnen das geben?“ Nach einer längeren Pause sagte er: „Ein Gefühl, angenommen zu sein und für das geschätzt zu werden,