Die schwarze Baronin. Franz Preitler. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Franz Preitler
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783701179749
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ein Wesen, das sich Schätze angeeignet hatte, die nicht dem ewig sich drehenden Rad Fortunas unterworfen sind. Er kannte nichts sonst, als seine Amtsgeschäfte gut zu verrichten. Selbst die Klassiker waren ihm fremd. Seine ganze Widmung bestand darin, ein eleganter Mann mit guten Manieren zu sein. Sein Herz aber war von Gold und seine Liebe brachte mir den Himmel auf Erden.

      Es kamen herrliche Tage voll heimlichen Glückes! Nachdem wir uns verlobt hatten, fuhren wir nach Graz zum Notar und machten jeder unser Testament und einen Ehekontrakt. In diesem gab ich natürlich an, dass ich kein Vermögen habe. Später schrieb mein Mann einen Brief an meinen Anwalt, Herrn Doktor Kner, nach Trier, in welchem er ihn bat, die Scheidung voranzutreiben, da ich in elenden finanziellen Verhältnissen lebe! Und da behaupten die Menschen noch immer das Gegenteil! Vor Jahren sagte man mir, eine hohe Persönlichkeit des obersten Gerichtshofes habe sich dahingehend geäußert, dass ich meinem Manne angeblich einen enormen Reichtum vorgeschwindelt habe!

      Au contraire! Ich hatte den Heldenmut und zwang meinen Verlobten mein ganzes Leben anzuhören. Seine eigenen Briefe geben Zeugnis davon, dass er alles gewusst hat und mich nur umso inniger liebte. In meinem Glückstaumel dachte ich gar nicht an die Klatschbasen männlichen und weiblichen Geschlechts in diesem Nest. Ich lachte, wenn Franz mich davor warnte, in Reichweite der Mürzzuschlager Megären zu kommen. Mein Empfinden, meine Gedanken, mein Leben waren so rein, dass ich nicht einmal den Schein zu wahren trachtete. Die Leute waren ja auch alle so liebenswürdig zu mir und ich kannte diese erbärmliche Sorte Menschen noch nicht. Trotz meiner Welt- und Menschenkenntnis nahm ich das falsche Getue für bare Münze. Alles Schreckliche hatte ich verdrängt und lebte schlichtweg in der seligen Gegenwart meines jungen glücklichen Brautstandes. Bekanntlich sieht man in dieser Stimmung alles im rosigsten Lichte. Ist es dir noch nie so ergangen? Nein? Oh du Glückliche, kann ich nur sagen! Da ist dir im Leben viel erspart geblieben! Was? … Dann höre mir gut zu, wie sich alles entwickelt hat in Mürzzuschlag. Täglich kamen anonyme Briefe des gemeinsten Inhaltes. Diese Briefe charakterisierten die Gesinnung der Mürzzuschlager.

      Franz aber teilte seinen Eltern und seinem Bruder unsere Verlobung mit und bat um ihren Besuch. Seine Familie leistete der Einladung Folge und kam am 26. Juni vollzählig nach Mürzzuschlag. Die Mutter, eine furchtbar hässliche Frau mit einem unförmigen, dicken Leib, einem hageren, von roten Flecken entstellten Gesicht, sah aus, als ob sie in einen sauren Apfel gebissen hätte. Der Vater ist Kavalier, der Bruder ein nichtssagender Mann; seine Frau erinnert lebhaft an den Martinsbraten – oder wie nennt man die weißen Vögel vom Kapitol? Die ersten Worte, welche seine Mutter an mich richtete, waren: „Meine Gute, mein Sohn besitzt gar nichts, kein Vermögen!“ Bleich vor Entsetzen über diese Taktlosigkeit erwiderte ich: „Oh Madame, das macht doch überhaupt nichts aus!“ Bei Tisch zankte sich die ganze Familie und Franz wurde immer nervöser und sagte seiner Mutter unglaubliche Grobheiten; einzig die junge Frau seines Bruders fühlte das Ungemütliche der Situation nicht, weil das Essen sie zu sehr in Anspruch nahm. Herzlich froh war ich, als die Herrschaften wieder abreisten. Diese „Familie“ war der erste Wermutstropfen im Becher meines Glückes. Ich wurde mit Briefen seiner Mutter überschüttet. Was wollte sie nicht alles wissen! Wo mein Geld lag, wie viel es sei, wie es angelegt sei, ob es auf Franz’ Namen geschrieben werden würde. Ich antwortete kühl und höflich, dass mein Bräutigam über meine Verhältnisse genau unterrichtet sei.

      Unsere Brautzeit wurde durch die Quälereien seiner Mutter und durch die anonymen Briefe der Ortsbewohner getrübt. Von allen Seiten legte uns der ach so moralisch denkende Pöbel nahe, wir sollten endlich diesem unhaltbaren Zustand, unverheiratet zusammenzuleben, ein Ende bereiten. Mein Schatz war furchtbar nervös, wir litten grenzenlos, unsere Liebe aber wuchs von Tag zu Tag. Sie wurde durch diese Widerwärtigkeit nur intensiver. Franz weinte, als ich vom Fortgehen sprach und in Anwesenheit seines Vaters bat ich ihn aufrichtig, mich ziehen zu lassen. Seine Mutter hatte ihren Mann nach Mürzzuschlag geschickt, um Franz heimlich zu sagen, wie es um meine Vergangenheit stehe. Merkwürdig, wenn ich jetzt so darüber nachdenke: Immer, wenn der Vater nach Mürzzuschlag kam, zitterte ich. Er brachte nur Unglück. Noch am selben Tag reiste ich nach Wien, damit mein Franz einen klaren Kopf bekommen konnte. Ich wollte den ganzen Intrigen, die seine Mutter ständig spann, entfliehen. Mein Liebling war jedoch zu schwach, um seinen Eltern Paroli bieten zu können. Ich sage dir: Schwache Menschen sind das Produkt ihrer Umgebung. Sie selbst kann man dafür nicht verantwortlich machen. Und du irrst dich, wenn du glaubst, ich hätte meinen Franz vor die Alternative gestellt: „Entweder du heiratest mich, oder ich bleibe in Wien!“, so wie es mir angedichtet wurde. Franz war es, der mir geschrieben hat: „Ich erschieße mich im selben Augenblick, in dem du sagst, dass du für immer gehst!“

      Mir lag nur sein Glück am Herzen. Und erst als er mich überzeugt hatte, dass ich wirklich sein Glück bedeutete, ging ich nach Mürzzuschlag zurück – fest entschlossen, unter allen Umständen die Gattin des heißgeliebten Mannes zu werden. Ich wollte alles tun, was eine liebende Frau nur ersinnen kann, um meinen Auserwählten glücklich zu machen. Nach meiner Rückkehr nagte aber eine innere Unruhe an uns beiden. Um diesem qualvollen Zustand ein Ende zu bereiten, aber auch aus Angst, dass mich diese Quälereien ermüden könnten, ging er dann schließlich zum Pfarrer in Mürzzuschlag und holte sich dort Rat. Auch er selbst hatte aufgrund des Geredes im Ort keine Ruhe, um seiner Arbeit nachgehen zu können. Er war neu in seinem Amte und wusste: Wenn er seinen Aufgaben nicht gewachsen war, würde er diese Anstellung verlieren, die ihm und seiner Familie das hohe Ansehen brachte.

      Das alles sah ich und konnte nichts ändern. So befürwortete ich seinen Schritt, sich dem hiesigen Pfarrer anzuvertrauen. Der Pfarrer riet zu schleuniger Hochzeit und wollte mich sehen. Mein Herzensschatz bat mich, auf keinen Fall über mein bitteres Schicksal zu sprechen, denn der hochwürdige Mann mit dem niedrigen Horizont würde es nicht verstehen. So erzählte ich dem Pfarrer also nur, dass ich eine geschiedene Frau und noch nicht frei sei. Dass meine Dokumente bei einem Prozess gebraucht würden und nicht zu meiner Verfügung stünden. Auf seine Frage, ob mein ehemaliger Gatte noch am Leben sei, erwiderte ich, dass ich nichts von ihm wisse. Für mich sei er nicht mehr auf der Welt. Auch sagte ich dem Pfarrer, dass, wenn er mich, weil ich eine geschiedene Frau sei, nicht trauen könne, wir auf andere Art zum Ziele kommen würden. Er jedoch meinte, das sei für ihn kein Hindernis. Daraufhin bat Franz den Pfarrer, ein feierliches Eheverlöbnis in der Kirche von Mürzzuschlag vorzunehmen, er werde danach beruhigt sein. Am 15. Juli fand dieses Eheverlöbnis in der geschlossenen Kirche statt. Du kannst dir vorstellen, dass ich auf diese Lösung nur deshalb eingegangen bin, weil ich hoffte, dass nun endlich Ruhe in unsere Beziehung einkehre. Aber meinem Franz reichte das Eheverlöbnis nicht. Nach geraumer Zeit erklärte er mir, es müsse auf schnellstem Wege etwas gefunden werden, das es uns ermögliche, vor der ganzen Welt als Ehepaar zusammenzuleben und nicht nur unter dem pöbelhaften Volk in Mürzzuschlag. Er schrieb an meinen Anwalt in Trier, der den Scheidungsprozess führte, dass ich geneigt sei, alle Schuld auf mich zu nehmen, dass er ihm sogar ein Extrahonorar geben wolle, wenn er die Scheidung beschleunige, denn der Pfarrer warte bereits auf meine Dokumente. Außerdem werde er zwei Wochen Urlaub bekommen, nachdem der Kaiser mit dem Zaren zur Jagd in Mürzsteg gewesen sei, und plane in dieser Zeit die Hochzeitsreise. Ich war schockiert, doch dem nicht genug. Um den Quälereien seiner Eltern zu entkommen, teilte er ihnen unsere bevorstehende Hochzeit mit und dass ich 300.000 Kronen für ihn deponiert habe. Seine Mutter wollte ja nur das viele Geld. Dann ging er zum Pfarrer, der ihm versprach, ein Eheverlöbnis in Form einer richtigen Hochzeit vorzunehmen. Er zeigte mir ein Dokument, das folgenden Wortlaut hatte: „Um der Braut des Herrn Bezirkshauptmannes zu ermöglichen, unter dem Schutze ihres zukünftigen Gatten vor den Verleumdungen und Anfeindungen eine Zuflucht zu finden, nehme ich in Form einer Hochzeit ein feierliches Eheverlöbnis vor. Doch hat diese Ehe vor dem Gesetze keine Gültigkeit!“ Dieses Schriftstück schrieb der Pfarrer, stempelte es und versah es mit dem Kirchensiegel. Nach der Hochzeit sei das Schreiben von den Trauzeugen zu unterfertigen und außer uns und den beiden Herren würde ja niemand davon erfahren. Erst nach einer tatsächlich rechtmäßigen Trauung sollten die Daten ins Kirchenbuch eingetragen werden. Mein Mann gab dafür 600 Kronen! Meine Scheidungspapiere waren zu dieser Zeit noch immer nicht in Mürzzuschlag eingelangt. Dem Bürgermeister musste er ebenfalls ein paar Hundert Kronen zustecken, damit er keine Schwierigkeiten betreffend gewisser Unstimmigkeiten zur Formalität machen konnte. Zu meinem Franz, der selig war, sagte ich: „Du bist ja der Hüter des Gesetzes und