Es war stets mein innigster Wunsch, alle nur erdenkbaren menschlichen Facetten im Namen der Liebe auszukosten. Ich persönlich neige dazu die Liebe als das fünfte Element nach Feuer, Luft, Erde und Wasser zu bezeichnen. Sie ist mystisch und allumfassend und alleine deshalb eben musste ich für so manchen eine Hochstaplerin sein, wenngleich sich damals trotz aller Aufrufe während der fünf Monate kein Einziger der von mir angeblich Geschädigten meldete! Du kannst dir wohl vorstellen, in welcher inneren Verfassung ich mich noch immer befinde. Aber die wahnsinnige Empörung über das mir zugefügte Unrecht, das eine ganze Familie ins tiefste Unglück brachte, hat mich auch körperlich mitgenommen. Sieh mich bloß an. Ich habe eine schwere Krankheit mit Mühe überstanden. Und über die Behandlung während meiner Haft erzähle ich dir später noch ausführlich, es wird dich erschüttern!
Wenn ich an all die Zerrbilder denke, die man von mir entworfen hat, steigt Bitterkeit in mir auf. Man glaubt in mir so eine Art Flittchen sehen zu müssen, die sich um kurzer Genussstunden willen, die sich dafür, dass sie sich mit Prunk umgeben kann, dem Meistbietenden in die Arme wirft. Die Welt denkt, ich sei eine verblühte Frau, der der einst farbenprächtige Staub ihrer Schmetterlingsnatur fortgeweht ist, die sich um jeden Preis eine sorgenlose Existenz schaffen wollte. Ich bin jedoch eine tiefernste Natur! Der stete Kampf gegen mein Schicksal, dieses Sich-unausgesetzt-in-Notwehr-Befinden, hat mir Mut und Energie gegeben – und eine große Rücksichtslosigkeit. Mein ganzes Leben war ja ein einziges Sich-Aufopfern für andere und so mag es sein, dass Gott mich genau dafür auch noch bestrafte. Wieso? … Weil ich ständig meine eigenen Bedürfnisse zurückstellte, Sinn und Zweck meines Lebens allein darin sah, andere Menschen glücklich zu machen. Glaubst du mir nicht? Nein, nicht aus Liebe alleine, nicht aus kleinlichem Selbsterhaltungstriebe heiratete ich mehrmals. Sondern aus dem Gefühl heraus, einem Menschen etwas sein, ihm eine Heimat geben zu können, die ich auch selbst so sehnsüchtig erhoffte. Es kam mir so erhaben vor, sich selbst in der Sorge um einen anderen zu vergessen. Wenn ich dann einsehen musste, dass der Mann sich nicht einmal die geringste Mühe gab, mein Seelenleben zu verstehen, sondern mich nur seine Wirtschafterin sein ließ, die geistig neben ihm darben sollte, wenn dann noch die Erkenntnis dazukam, dass der Mann durch und durch schlecht und gemein war, dann war meines Bleibens nicht länger. Ich ging wieder hinaus in die Welt und nahm den Kampf mit dem Leben mutig auf. Allemal aber ging ich bettelarm fort – betrogen und belogen, in den heiligsten Gefühlen misshandelt! Wie? … Die Geschichte meiner vier Ehen zuvor willst du wissen? Ach, wie schwer es ist zu leben. Jetzt soll ich das Ganze wieder aufwühlen? Na gut, ich will es für dich tun, auch wenn es mich enorme Kraft kostet. Hast du denn überhaupt so viel Zeit?
Ich war kaum siebzehn Jahre alt, als ich Herrn Kunz in Berlin heiratete. Einen sehr gut aussehenden, stattlichen Mann. Ich wusste nichts vom Leben, nicht einmal einen Ball hatte ich bis dato besucht; meine Mutter führte ein einsames Dasein, nachdem ihr einziger Sohn im Duell gefallen war. Niemand kam in unser Haus. Ich war von Kindheit an von einem glühenden Wissensdurst beseelt und meine kluge, hochintelligente Mutter half mir, diesen zu befriedigen. Dann heiratete ich diesen Agenten, hatte eine entzückende Wohnung – aber keinen richtigen Mann. Ich war zu unerfahren, um das zu verstehen, wunderte mich aber, dass der Herr die wunderschönsten Stickereien anfertigte und mir ständig die Haare machen wollte. Er hatte in seiner ganzen Art etwas Weibliches und war mir also kein Ehemann. Ich wartete wohl auf etwas, gab mich jedoch mit der Zeit auch ohne dieses Etwas zufrieden. Schon nach wenigen Tagen unserer Ehe, wenn man dieses Zusammensein so nennen kann, blieb mein Mann Tage und Nächte aus, ohne dass ich wusste, wo er sich befand. Er verreiste für lange Zeit, ohne mir auch nur einen einzigen Brief zu schreiben, ohne dass ich seinen Aufenthaltsort kannte. Eines schönen Tages erfuhr ich das Schreckliche. Er war ein Säufer, ein Spieler, hatte Wechsel gefälscht, Unterschlagungen gemacht und sollte verhaftet werden. Du kannst dir wohl vorstellen, was ich durchmachte. Es brauchte übermenschliche Kraft, all das zu verstehen. In meiner Gutgläubigkeit gab ich ihm alles, was ich besaß, und verhalf ihm zu seiner Flucht nach Amerika, deckte mit dem Letzten seine Schulden und Fälschungen – er versprach mir, im Gegenzug dafür ein neues Leben anzufangen. Sobald alles in geordneten Bahnen verlaufe, so seine Worte, werde er mich nach Amerika nachholen. Vielleicht hätte ich nicht so gelitten, wenn ich ihn gleich losgelassen hätte. Doch ich wartete und wartete auf seine Nachricht, bis ich einsehen musste, dass er mich betrogen hatte. Was weiter aus ihm geworden ist, weiß ich nicht. Erst bei meiner Verhandlung in Leoben vernahm ich, dass er gestorben sei.
Ich mietete mir dann damals ein kleines Zimmer und fristete mithilfe kunstvoller Handarbeit mein Leben, bis ich als Gesellschafterin einer Dame eine Stellung fand. Bei dieser Dame zu Hause war alles ein wenig anders als