Seewölfe Paket 17. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954397754
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keinen Bissen mehr und kann meinetwegen die Planken annagen.“

      Der Kutscher war fuchtig geworden. Schließlich ließ er sich nicht einfach unterstellen, ein Giftmischer zu sein. Das klang ja gerade so, als würde die „Isabella“ von einer heimtückischen Mörderbande bevölkert.

      Stenmark übersetzte seine Worte, doch Witold Woyda jammerte lauthals weiter.

      „So war das doch nicht gemeint!“ rief er schließlich. „Es war nur eine Vermutung. Es kann ja auch eine andere schlimme Krankheit sein. So helft mir doch!“ Ein lautes Ächzen und Gurgeln rundete seine Worte ab.

      „Nun ja“, meinte der Kutscher, „ich will nicht dran schuld sein, wenn der Bursche tatsächlich das Zeitliche segnet, obwohl das für die Welt auch nicht gerade ein schwerer Verlust wäre. Macht auf, ich schaue mal rein. Du, Bob, begleitest mich mit deiner Funzel, damit ich mir den Kerl bei Licht ansehen kann.“

      Bill schloß das Schott zur Vorpiek auf und schob den schweren Eisenriegel zurück.

      Bob Grey, der in einer Hand eine schußbereite Pistole hielt, hob mit der anderen die Tranlampe hoch. Die Gestalt, die sich auf den Planken krümmte, wurde in trübes Licht getaucht.

      Stenmark und Bill postierten sich am Eingang.

      „Hilfe, Hilfe!“ wimmerte Witold Woyda, der immer noch seine schmucke Uniform und seine Perükke trug, wie sie meist nur von hochstehenden Offizieren aufgesetzt wurde. Er hatte die Beine angewinkelt und preßte beide Hände gegen den Leib.

      Die beiden Männer traten näher. Während sich der Feldscher neben dem Gefangenen niederkniete, um ihn zu untersuchen, hielt Bob die Tranlampe hoch, um die Szene zu beleuchten.

      Witold Woyda verzog schmerzlich das Gesicht und rollte mit den Augen, als stehe sein letztes Stündlein bevor.

      „Diese Krämpfe bringen mich noch um“, stieß er mit gequälter Stimme hervor. Wie es auf den ersten Blick aussah, hatte es ihn tatsächlich übel erwischt.

      Der Kutscher beugte sich über ihn, um zunächst einmal durch Abdrücke festzustellen, wo das Schmerzzentrum lag. Beim ersten Druck seiner Fingerspitzen zuckte der polnische Generalkapitän heftig zusammen und stieß einen kurzen Schrei aus.

      Der zweite Druck hingegen schien ihm keineswegs mehr Schmerzen zu bereiten. Im Gegenteil. Sein Oberkörper ruckte schlagartig hoch, und seine rechte Hand fuhr blitzschnell zum Gürtel des Kutschers, in dem ein Messer steckte. Während er den Feldscher mit der anderen Hand am Hemdkragen packte, riß er das Messer heraus und setzte es ihm an die Kehle.

      „Laßt eure Waffen fallen!“ brüllte er gleichzeitig. „Wenn ihr nicht gehorcht, ist euer Quacksalber ein toter Mann!“

      Stenmark vergaß zunächst vor lauter Verblüffung, die Aufforderung des Polen zu übersetzen. Dennoch wußte jeder auf Anhieb, was mit dem Befehl gemeint war.

      Auch Bob Grey war völlig überrascht worden. Woyda hatte unglaublich schnell gehandelt und zudem noch den richtigen Augenblick abgepaßt, so daß es ihm unmöglich geworden war, seine Pistole abzufeuern. Er hätte damit unweigerlich den Kutscher erwischt, da dieser sich über den Polen gebeugt hatte.

      „Du Hundesohn!“ rief Stenmark nun wutentbrannt. „Damit wirst du keinen Erfolg haben. Das einzige, was du mit diesem heimtückischen Trick erreichst, ist, daß dir unser Kapitän den Hals an der Rah langziehen läßt!“

      Witold Woyda stieß ein heiseres Lachen aus.

      „Niemand hängt mich an die Rah, solange dieser Mann hier in meiner Gewalt ist. Gleich, was ihr unternehmt, ich zögere nicht, sofort zuzustoßen! Los, laßt eure Waffen fallen, sonst ist es soweit!“

      Zähneknirschend gehorchten die Seewölfe.

      Zuerst polterte Bobs Pistole auf die Planken der Piek, sein Messer, mit dem er so meisterhaft umzugehen verstand, folgte. Auch Stenmark und Bill, die mit verkniffenen Gesichtern am Schott standen, warfen ihre Waffen auf den Boden.

      „Aufstehen!“ befahl Woyda, und dem Kutscher blieb nichts anderes übrig, als der Aufforderung Folge zu leisten. Langsam erhob er sich von den Planken, und der Pole folgte ihm.

      Der Kutscher kochte innerlich vor Wut. Verdammt, warum war er nur auf diesen Kerl hereingefallen? Was würde Hasard dazu sagen? Es war noch gar nicht lange her, seit der räuberische Finne Matti Hakulinen Mac und den Profos durch einen üblen Trick als Geiseln genommen hatte. Sollte sich das jetzt in ähnlicher Form wiederholen? Dem Kutscher wurde abwechselnd heiß und kalt. Er empfand seine Situation als schreckliche Blamage, jawohl! Schließlich waren sie in der Überzahl gewesen, trotzdem waren sie auf diesen Gauner hereingefallen.

      „Eins schwöre ich dir, Woyda“, sagte er mit gepreßter Stimme und ohne den Kopf zu bewegen. „Wenn ich dir jemals wieder eine Muck oder Kumme zu füllen habe, dann kannst du dessen sicher sein, daß ich mir ein hochwirksames Gift besorgen werde, aber eins, das dich langsam zu einer Kakerlake zusammenschrumpfen läßt. Und dann zertrete ich dich mit meinem Stiefelabsatz!“

      Stenmark übersetzte diese Worte, doch Woyda stieß abermals ein trokkenes Lachen aus.

      „Dazu wirst du keine Gelegenheit mehr haben, du Bastard! Im übrigen folgt ihr mir jetzt an Deck, und dann wollen wir mal sehen, wer hier am längeren Hebel sitzt. Wenn euer Kapitän kein Feigling ist, läßt er sich sogar gegen diesen Hund hier austauschen.“

      Die Seewölfe hatten längst begriffen, was dieses Schlitzohr von Generalkapitän beabsichtigte. Wie er den Seewolf einschätzte, würde der keinen von seinen Männern über die Klinge springen lassen, sondern sich notfalls selber als Geisel zur Verfügung stellen. Damit hätte sich das Blatt für ihn entscheidend gewendet. Ohne Zweifel wollte Woyda sein ehemaliges Flaggschiff, die jetzige „Wappen von Kolberg“ zurückhaben und ebenso seine geraubten Schätze, die sich noch immer an Bord befanden.

      „Ihr geht jetzt schön brav vor mir und eurem Quacksalber her!“ befahl der Pole. „Und vergeßt nicht: eine falsche Bewegung, und er stirbt!“

      Bob, Bill und Stenmark blieb nichts anderes übrig, als dem Generalkapitän zu gehorchen. Keiner von ihnen wollte den Kutscher unnötig gefährden, also setzten sie sich in Bewegung.

      Witold Woyda schob den Kutscher vor sich her, das Messer direkt an dessen Hals.

      „Du hältst dich mit der Lampe direkt vor uns“, forderte er Bob Grey auf, der die Tranfunzel noch immer in Händen hielt.

      Bob gehorchte.

      Der kleine Trupp gelangte jedoch nicht weit. Bereits nach wenigen Schritten trat ein Umstand ein, mit dem niemand gerechnet hatte.

      Der Kutscher, der durch die Umklammerung Woydas den Blick geradeaus gerichtet hielt, stolperte über die schwere Pistole Bob Greys, die dieser auf die Planken geworfen hatte.

      „Verdammt!“ stieß er hervor und geriet im selben Moment samt Woyda, der ihm den linken Arm unters Kinn gelegt hatte, ins Straucheln.

      Der Pole, der von diesem Umstand genauso überrascht wurde wie der Kutscher, ließ seine Geisel für den Bruchteil einer Sekunde los. Und damit beging er einen schwerwiegenden Fehler.

      Der Kutscher, der ein sehr flinker Mann war, reagierte geistesgegenwärtig. Er ging blitzschnell in die Hocke, so daß die Faust mit dem Messer über seinen Kopf hinwegzuckte. Dann sprang er hoch, packte Woyda mit einer Kraft, die man ihm gar nicht zugetraut hätte, am Unterarm und wuchtete ihn mit Schwung über seine Schultern.

      Mit einem Ächzen, das diesmal sehr echt klang, krachte der Generalkapitän auf die Planken vor dem Schott.

      Damit war sein Schicksal besiegelt, denn jetzt warfen sich auch die anderen Seewölfe mit Hurra auf ihn. Ein Hagel von eisenharten Fäusten prasselte auf ihn nieder. Wuchtige Hiebe trieben ihn hoch und schmetterten ihn erneut auf die Planken.

      Witold Woyda bezog die härteste Tracht Prügel seines Lebens, und als ihn die Seewölfe schließlich wieder gefesselt in der Vorpiek zurückließen, sah er tatsächlich aus, als sei er von schweren Krankheiten, beispielsweise der Beulenpest,