Seewölfe Paket 21. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954397808
Скачать книгу
Rauch kroch träge und schwerfällig in dieselbe Richtung, also nach Südwesten.

      „Das war’s“, sagte Karl von Hutten. „Natürlich wenden sie auf den anderen Bug und feuern auch die Batterien der anderen Seite ab, aber ich glaube nicht, daß noch viel passiert.“

      In der Tat vollzog der Feind das von Karl von Hutten angekündigte Manöver, und wenig später dröhnte und wummerte es wieder, als erschüttere ein gewaltiges Seebeben das Meer und die Insel. Auch diese Breitseiten lagen voll im Ziel und krachten in die Felsen, aber das Ergebnis war das gleiche wie zuvor: Die Kugeln richteten keinerlei Schaden an.

      Nur Gestein wurde zertrümmert. Brocken flogen durch die Luft und rollten an den Hängen hinunter. Sie klatschten in die Brandung, als der Donner der Breitseiten bereits wieder verklang.

      Ruhe trat ein. Die Schiffe bewegten sich wie verirrte Schwäne scheinbar ziellos durchs Wasser. Rufe ertönten, doch Karl von Hutten und seine Freunde konnten nicht verstehen, wie die nächsten Befehle des spanischen Kommandanten lauteten.

      „Also schön“, sagte Karl von Hutten mit geringschätzigem Lächeln. „Bislang haben sie sich aufs Steineklopfen beschränkt, aber sie werden inzwischen eingesehen haben, daß es sie nicht weiterbringt.“

      „Sie müssen sich eine neue Taktik einfallen lassen“, sagte Ramsgate.

      „Viele Möglichkeiten haben sie nicht“, meinte Arkana. „Aber sie könnten beispielsweise die Schaluppen mit hinzuziehen.“

      Karl von Hutten blickte durch sein Spektiv zur „San José“ und erkannte, daß sich auf dem Achterdeck ein ziemlich beleibter Mensch befand, den er dort vorher nicht bemerkt hatte. Dieser Mann beschrieb eine eigenartige Geste. Er hatte sich die Ohren zugehalten und ließ jetzt die Arme baumeln wie jemand, der den Glauben an Gott und das Vaterland aufgegeben hat.

      „Der Dicke da“, sagte von Hutten, „das muß Don Antonio de Quintanilla sein, der Gouverneur von Havanna. Wie eine überragende Führerpersönlichkeit sieht er aber nicht aus.“

      Pater David spähte ebenfalls durch eins der Rohre und sagte: „Er scheint mächtige Angst zu haben. Am liebsten würde er über Bord springen, nicht wahr?“

      „Den Eindruck habe ich auch“, erwiderte von Hutten. „Die Zügel scheint hingegen der Kommandant des Verbandes in der Hand zu haben.“

      Aufmerksam beobachteten sie jetzt den hageren, in seiner Haltung straff und energisch wirkenden Mann mit den eisgrauen Haaren, der sich auf dem Achterdeck des Flaggschiffes bewegte und Befehle zu erteilen schien. Er war der Kommandant, daran bestand kein Zweifel. Auch Arkana richtete jetzt ihren Kieker auf ihn und betrachtete ihn mit ernster, nachdenklicher Miene.

      „Das ist kein Mann, der aufgibt“, sagte sie. „Er wird kämpfen, bis entweder nichts mehr von seinen Schiffen übrig ist oder unsere Abwehr zusammenbricht. Eins von beiden. Er weicht nicht zurück. Er ist stolz, klug und unbeugsam.“

      „Mal sehen, wer der Schlauere ist“, sagte Ramsgate grimmig. „So leicht sind wir nicht zu überrumpeln, das haben wir ihm bereits bewiesen. Ich bin gespannt, wie’s weitergeht.“

      „Wir sollten nicht zu optimistisch sein“, warnte Pater David und ließ das Spektiv wieder sinken. „Sie haben noch alle Trümpfe in der Hand, obwohl es im Augenblick vielleicht nicht so aussehen mag.“

      „Vergessen wir auch nicht, daß unsere Krieger ihre bisherige Tarnung preisgeben, sobald sie ihr Abwehrfeuer eröffnet haben“, gab Arkana zu bedenken.

      „Das ist nicht zu ändern“, sagte Karl von Hutten. „Wir sind aber immer noch geschützter als die Gegner, die nur hinter den Schanzkleidern Deckung suchen können.“

      „Wenn überhaupt“, sagte der Alte. „Wir werden ihnen schon einheizen. Und – Hölle und Teufel – wir halten die Stellung, darauf könnt ihr euch verlassen.“ Seine Zuversicht schien keine Grenzen zu kennen, aber von Hutten, Pater David und Arkana teilten seine Meinung nicht unbedingt.

      Die Batterien auf der Schlangen-Insel befanden sich hinter Sandsackbarrieren, die Kugeln jeden Kalibers abfingen oder verschluckten. Es konnte allenfalls passieren, daß Sand aus den Löchern der Säcke rieselte. In diesem Punkt hatte Hesekiel Ramsgate durchaus allen Grund, optimistisch gestimmt zu sein, was den Ausgang des Kampfes betraf. Aber es gab auch noch andere Aspekte, die berücksichtigt werden mußten.

      Karl von Huttens Erfolg im Einsatz gegen die „San Gabriel“ war ein vielversprechender Anfang, aber es gab noch keinen Grund zum Jubeln. Die Lage war nach wie vor ernst genug: Denn veranschlagte man auf jedem der fünf spanischen Kriegsschiffe etwa zweihundert Mann Besatzung einschließlich der Seesoldaten, dann standen etwa achtzig Verteidiger der Schlangen-Insel einer Streitmacht von etwa tausend Mann gegenüber, wobei die Besatzungen und Seesoldaten der sechs Schaluppen noch nicht mitgerechnet waren.

      Somit verfügten die Spanier über eine mehr als zwölffache Übermacht. Die Verteidiger waren nach wie vor auf sich allein gestellt und durften nicht mit Hilfe, rechnen. Kein Schiff des Bundes der Korsaren stand zur Zeit zur Verfügung, es wäre illusorisch gewesen, darauf zu hoffen.

      Die „Empress of Sea II.“ und die „Wappen von Kolberg“ konnten bei einer Hin- und Rückfahrt zwischen der Schlangen-Insel und Coral Island, die für jeden Törn etwa fünf Stunden beanspruchte, allenfalls gegen Abend oder in der ersten Nachthälfte wieder eintreffen und von See her in das Geschehen eingreifen.

      „Aber wo bleiben die sechs Schiffe unserer Freunde?“ fragte Pater David, als sie sich über diesen Punkt unterhielten. „Wir wissen ja immer noch nicht genau, was vorgefallen ist.“

      „Sie sind dem Gegner entgegengesegelt und haben ihn wohl auch stellen können“, sagte von Hutten. „Aber die Frage ist, ob eine Schlacht stattgefunden hat.“

      „Natürlich“, sagte Ramsgate. „Das beweist doch die Tatsache, daß statt des durch die Brieftaube angekündigten Zehnerverbandes nur sechs Kriegsschiffe bei uns eingetroffen sind.“

      „Also ein Gefecht, bei dem unsere Schiffe vier der Dons versenken konnten“, sagte Arkana. „Aber wie ist es ihnen dabei ergangen?“

      „Wir müssen das Schlimmste befürchten“, erwiderte von Hutten gepreßt. „Anderenfalls wären unsere Schiffe auch längst hier gewesen. Sie hätten die Spanier ja verfolgt.“

      „Vorläufig sind wir auf reine Vermutungen angewiesen“, sagte Pater David. „Wir kennen den wahren Sachverhalt nicht und sollten uns deswegen jetzt nicht die Köpfe zerbrechen, es hat keinen Sinn. Wir machen uns nur unnötig verrückt.“

      „Ja“, pflichtete von Hutten ihm bei. „Zumal der Untergang unserer Schiffe für uns bedeuten würde, daß wir lediglich noch von der ‚Empress‘ und der ‚Wappen‘ unterstützt werden können. Dann haben auch wir verspielt, denn wir können uns auf die Dauer nicht gegen die Übermacht der Angreifer halten.“

      Trotzdem war die kleine Gruppe der Verteidiger eisern entschlossen, dem Gegner die Zähne zu zeigen, auszuhalten und zu kämpfen, und sei es schließlich Mann gegen Mann.

      Was Karl von Hutten, Arkana, Ramsgate, Pater David und die anderen einkalkuliert hatten, trat jetzt ein. Der Gegner, der durch keinerlei Gegenreaktion oder Abwehr mehr gewarnt war, wurde weniger vorsichtig. Die fünf Kriegsschiffe rückten näher an die Insel heran und erreichten die Fünfzig-Yards-Grenze.

      Leicht konnten Arkana und die Männer die Distanz abschätzen. Als Arkana sicher war, daß sich die Schiffe im Schußbereich der Kanonen befanden, gab sie ihren Kriegern den Feuerbefehl.

      Plötzlich spuckten die Felsen der Schlangen-Insel, die eben noch so öde und verlassen gewirkt hatten, Feuer, Rauch und Eisen. Ein wahrer Höllensturm brach gegen die Angreifer los und belegte sie mit stakkatohaftem Beschuß.

      Von einem Moment zum anderen hatte sich die Insel in eine feuerspeiende Festung verwandelt, und bei dem Donnern der Kanonen allein blieb es nicht. Schon huschten die ersten Pfeile zu den Schiffen hinüber. Arkanas Krieger und Kriegerinnen, die nicht an den Geschützen eingesetzt waren, richteten sich aus ihren Deckungen