Seewölfe Paket 21. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954397808
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der „San José“ in die Brüche. Die Splitter wirbelten durch die Luft, und alle Männer – von Don Garcia Cubera bis zum Rudergänger – warfen sich sofort in Deckung, um nicht getroffen zu werden.

      Den dicken Gouverneur aber erwischte es. Ein Splitter bohrte sich in seinen Allerwertesten, und er kreischte und quietschte wie ein Schwein, das geschlachtet werden soll. Er sprang auf, taumelte, prallte gegen die Nagelbank des Besanmastes, griff mit beiden Händen nach dem Gesäß und brüllte vor Schmerz. Dann führte er eine Art Veitstanz auf, und es war ein Wunder, daß er dabei nicht durch die im Schanzkleid entstandene Bresche außenbords stürzte.

      Manch einer wünschte es ihm im stillen – auch der Erste Offizier, der in diesem Augenblick wieder den Kopf hob und zu ihm blickte. Es war kein Haß, der sie dazu trieb, eher die Verachtung, die sie für ihn empfanden. Kein Mensch konnte ihn leiden, weder an Bord der „San José“ noch auf den anderen Schiffen des Verbandes. Aber das hatte er, Don Antonio, sich selbst zuzuschreiben. Fast hatte es den Anschein, als habe er von Anfang an darauf hingearbeitet, sich sämtliche Sympathien zu verderben.

      Don Antonio wankte zum Backbordniedergang, der das Achterdeck mit dem Hauptdeck verband, breitete die Arme aus, begann zu fuchteln und schrie mit verzerrtem Gesicht: „Hilfe! Capitán! Ich bin verletzt! Ich blute! Ich sterbe! Einen Arzt – rasch!“

      Don Garcia Cubera richtete sich hinter ihm auf. „Señor! Ich bin hier!“

      Don Antonio fuhr zu ihm herum. Er ruderte mit den Armen und hatte wieder Mühe, das Gleichgewicht zu halten.

      „Ich bin getroffen!“ kreischte er mit hoher, seltsam gequetscht klingender Stimme. „Zu Hilfe! Ich verblute!“

      Er verlor auf dem leicht schwankenden Deck die Balance und stürzte den Niedergang hinunter. Seiner Körperfülle hatte er zu verdanken, daß er sich nicht ernstlich verletzte oder sich die Knochen brach. Wie eine große Kugel rollte er auf die Kuhl hinunter, dann streckte er die Arme und Beine weit von sich und pumpte wie ein zu Tode erschrockener Mondfisch, den es an Land verschlagen hat, Atemluft.

      Kurz darauf fiel es ihm wieder ein: Er war verletzt, schwer verletzt. Die Blessur konnte ihn das Leben kosten, wenn nicht sofort etwas geschah. Warum rührte sich niemand? Warum rannten die Kerle nicht, um sein edles Leben zu retten?

      „Au!“ brüllte er. „Capitán, um Himmels willen!“ Erst jetzt schien er richtig zu registrieren, daß er diesmal auf dem Rücken lag. Der feine Splitter, so schien es, hatte sich bei dem Aufprall auf die Planken der Kuhl noch ein wenig tiefer ins Fleisch gebohrt. Don Antonio japste und keuchte, verschluckte sich, hustete und schien irgend etwas, vielleicht grünes Gift, auszuspucken.

      „Er spuckt sich die Galle aus dem Leib“, sagte der Zweite Offizier.

      „Nur zu“, sagte der Dritte. „Recht so. Weiter so. Er hat es verdient. Seht ihn euch an. Ist er nicht ein Jammerlappen?“

      Sie alle gönnten dem Dicken von Herzen, was ihm widerfahren war. Und keiner rührte sich, keiner zeigte Einsatz.

      „Stehenbleiben“, sagte der Profos mit dunkler Stimme. „Wir haben keinen Befehl vom Comandante. Ohne Befehl läuft nichts.“

      „Ein Ding steckt in seinem Achtersteven“, sagte der Schiffszimmermann. „Aber es wäre besser gewesen, wenn er eine Kugel abgekriegt hätte, und zwar mitten hinein in den fetten Hintern. Ja, das hätte mir weitaus besser gefallen.“

      „Daß es ihm den Arsch aufreißt?“ fragte der Profos unverblümt. „Stimmt. Er hätte es verdient.“

      „Señor!“ rief Don Garcia Cubera noch einmal, nachdem er bereits den Befehl zum Anluven und zum Rückzug gegeben hatte. „Was ist los? Was ist geschehen?“

      „Ich sterbe!“

      „Es hat nicht den Anschein, Señor!“

      „Sie wollen mich verrecken sehen!“ kreischte der Dicke. „Darauf haben Sie’s angelegt? Ja, das könnte Ihnen so passen!“

      „Reden Sie keinen Unsinn“, sagte Cubera scharf, indem er sich der Schmuckbalustrade am vorderen Querabschluß des Achterdecks näherte. „Versuchen Sie doch, sachlich zu bleiben.“

      „Sachlich? In dieser Hölle?“

      „Es ist ein Gefecht“, sagte Cubera so ruhig wie möglich. „Wir haben gewußt, daß wir keine Spazier- oder Lustfahrt unternehmen.“

      „Sie mit Ihren Reden!“ stieß Don Antonio keuchend hervor und versuchte, sich erneut aufzurappeln. Diesmal wollte es einfach nicht gelingen. Mit einem Schrei plumpste er auf die Planken zurück – wieder auf die „schwere Blessur“. Er stöhnte und wimmerte und wand sich vor Schmerz und Qual.

      Einige der Seeleute und Seesoldaten wandten sich angewidert ab. Andere lachten trotz der bedrohlichen Situation, in der sie sich befanden. Auch die „San José“ hatte einige Treffer zu verzeichnen, von denen zwei bedenklich stimmten, weil sie unmittelbar über der Wasserlinie lagen.

      Hinzu kam das Unheil, das die Pfeile angerichtet hatten: Zwei Tote mußten geborgen und beigesetzt, sechs Verletzte so schnell wie möglich verarztet werden. Außerdem galt es, die Feuer zu löschen, die nach wie vorauf den Decks und in der Takelage flackerten. Die Männer waren mit Pützen und Kübeln unterwegs und gossen Seewasser auf die Brände.

      „Helfen Sie mir!“ stieß Don Antonio flehend und händeringend hervor.

      Cubera betrachtete ihn ohne die geringste Spur von Mitleid. „Señor, für Blessuren bin nicht ich zuständig. Darum kümmert sich der Schiffsarzt.“

      „Wo ist er?“

      „Er ist jetzt schwer beschäftigt.“

      „Was?“ Don Antonio stieß pfeifend die Luft aus. Er war hochrot im Gesicht angelaufen, und ein jäher Schlaganfall schien jeden Moment seinem Dasein ein Ende bereiten zu wollen – was dann aber doch nicht der Fall war. „Der Kerl hat gefälligst mich, den Gouverneur, als ersten zu versorgen!“

      Cubera tat drei Schritte nach links und stand am Niedergang.

      „Welchen Kerl meinen Sie?“ fragte er kalt.

      Das Donnern der Kanonen hatte aufgehört, es flogen auch keine Brand- und Pulverpfeile mehr. Zu hören waren nur noch das Stöhnen der Verwundeten, das Knarren der Rahen und Blöcke und das Plätschern des Seewassers an den Bordwänden. In aller Deutlichkeit waren Cuberas Worte nun zu vernehmen, und die eisige Kälte, mit der er sprach, traf Don Antonio wie eine Reihe von Peitschenhieben.

      „Sie wissen, daß ich von dem Arzt spreche“, sagte er etwas leiser. „Wo, zum Teufel, steckt er?“

      „Wahrscheinlich im Schiffslazarett, das Gott sei Dank unbeschädigt geblieben ist. Und danken wir auch dem Herrn, daß unser Arzt am Leben ist“, entgegnete Cubera.

      „Señor“, sagte der Dicke. „Ich wiederhole es: Ich bin verwundet und habe Anspruch auf Behandlung.“

      „Wo hat es Sie getroffen?“

      „An einer – empfindlichen Körperstelle.“

      „Am Kopf?“

      „Sie wissen genau, wo!“ stieß Don Antonio hervor.

      „Nein, Señor! Wenn Sie sich nicht dazu bequemen, es mir zu erklären, kann ich dem Arzt auch nicht die Order erteilen, Sie zu versorgen! In dem Fall müssen Sie so in Ihre Kammer zurückkehren!“

      „Nein“, stöhnte Don Antonio. „Nur das nicht. Ich brauche – Hilfe.“

      „Dann beantworten Sie meine Frage!“ rief Cubera.

      Langsam richtete sich der Dicke an der Nagelbank des Hauptmastes auf, dann drehte er sich um und deutete mit dem Finger der rechten Hand wehleidig und mitleidheischend auf sein Hinterteil.

      „Ich sehe nichts!“ rief Cubera. „Es kann sich höchstens um eine Lappalie handeln!“

      „Nein! Ich leide große Schmerzen!“

      „An