Seewölfe Paket 21. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954397808
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Er konnte es drehen und wenden, wie er wollte – normalerweise mußten die Schiffe des Bundes längst in Sicht sein.

      Nachdenklich begab er sich zurück auf das Achterdeck. Ramón Vigil wußte, woher der verschlossene Gesichtsausdruck seines Kapitäns rührte.

      „Sieht so aus, als ob alles schiefgegangen sei“, sagte der Bootsmann. „Wenn Sie mich fragen, ist der verdammte Nebel schuld daran.“

      Don Juan zog die Schultern hoch.

      „Vielleicht haben Killigrews Schiffe eine Auffangposition bezogen, die weniger weit westlich der Schlangen-Insel liegt. Aber das würde allem widersprechen, was ich weiß. Die Taktik des Bundes der Korsaren müßte es sein, den Gegner möglichst weit von der Insel entfernt zu stellen. Nur dadurch könnte der Verband daran gehindert werden, sein Ziel zu erreichen.“

      Ramón Vigil blickte Don Juan einen Moment schweigend an und schien zu zögern.

      „Ich möchte mich nicht als Besserwisser aufspielen“, sagte er schließlich, „aber ich könnte mir vorstellen, daß der Verband und die Schiffe des Bundes im Frühnebel aneinander vorbeigesegelt sind.“

      Don Juan sah den Bootsmann verblüfft an. Er mußte zugeben, daß er an diese Möglichkeit überhaupt nicht gedacht hatte. Hölle und Teufel, wenn Ramón recht hatte, ergaben sich völlig neue Konsequenzen!

      Schlagartig wurde ihm klar, was das bedeutete.

      Von Stunde zu Stunde entfernten sich die beiden Verbände immer mehr voneinander. Irgendwann würde dann ein Zeitpunkt erreicht sein, an dem es für die Schiffe des Bundes unmöglich war, den spanischen Verband noch einzuholen. Das wiederum bedeutete allergrößte Gefahr für die Schlangen-Insel, die den Angreifern in einem solchen Fall ohne den Schutz ihrer Flotte ausgeliefert war.

      „Ich befürchte, du könntest recht haben“, sagte Don Juan gedehnt. Er zog die Augenbrauen zusammen. „Natürlich habe ich den Nebel in meine Berechnungen nicht einbezogen. In der Tat kann dadurch alles hinfällig geworden sein. Du brauchst also nicht zu denken, daß ich dich für einen Besserwisser halte.“

      Ramón Vigil lächelte.

      „Ich habe daran gedacht, als wir plötzlich mitten in den Verband geraten sind, ohne daß wir es wußten. Wenn allein schon der Schüttregen zu so einem Irrtum geführt hat, können doch die beiden Verbände im Nebel regelrecht aneinander vorbeigegeistert sein.“

      Don Juan nickte und preßte die Lippen zusammen.

      „Immer vorausgesetzt, daß du recht hast: Cuberas Verband dürfte bereits einen Vorsprung von einem Vormittag haben. Jetzt ist es Mittag, und der Vorsprung wird immer größer. Ist dir klar, daß wir in einer verteufelten Zwickmühle sitzen?“

      „Allerdings“, erwiderte der Bootsmann. „Sollen wir weitersegeln oder umkehren? Ehrlich gesagt, ich beneide Sie nicht um die Entscheidung.“

      Don Juan nickte abermals. Innerlich rang er mit sich selbst.

      Wenn er jetzt weiter auf Südostkurs segelte, und die beiden Verbände hatten sich wirklich im Nebel verfehlt, dann arbeitete die Zeit für die Spanier und gegen den Bund der Korsaren. Das Ergebnis würde eine Katastrophe sein, ein mörderisches Gemetzel auf der Schlangen-Insel. Die Ausmaße, die dieses Blutvergießen annehmen würde, waren geradezu unvorstellbar.

      Wenn er aber auf Gegenkurs ging, und die gegnerischen Verbände hatten sich im Nebel nicht verfehlt, dann mußten die Schiffe des Seewolfs und seiner Gefährten ohne jegliche Vorwarnung auf die Spanier stoßen.

      Letzteres ist das kleinere Übel, sagte sich Don Juan nach gründlichem Nachdenken. Und eben dies erleichterte ihm die Entscheidung.

      „Ramón“, sagte er entschlossen, „wir segeln zurück. Kurs Nordwest.“

       4.

      Eine Ruhe von fast unnatürlicher Art herrschte auf den Decks der „Isabella“. Kaum anders ging es auf den fünf übrigen Schiffen des Bundes der Korsaren zu. Seit den Nachtstunden hatten sich die Männer in ständiger Gefechtsbereitschaft befunden, und fortwährend hatten sie damit gerechnet, daß es mit der Anspannung endlich vorbei sein würde.

      Aber buchstäblich nichts war geschehen. Als sich der Nebel nach einer quälenden Ewigkeit gelichtet hatte, hatte ihnen die Sonne zwar ein Bilderbuchwetter beschert. Aber von den Dons, mit denen man immer noch rechnete, zeigte sich nicht einmal das Tüpfelchen einer Mastspitze.

      So blieb nicht aus, daß die Männer wortkarg wurden, um ihre wachsende Gereiztheit nicht zu zeigen. Gespräche wollten nicht mehr aufkeimen. Unablässig starrten die Männer über die Verschanzungen und erblickten doch nichts anderes als die endlose Weite mit ihrem leuchtenden karibischen Blau und den dünnen weißen Schaumkronen, die wie symmetrisch gezogene Linien eines unsichtbaren Malers erschienen.

      Auf der „Isabella“ stapfte Edwin Carberry rastlos über die Planken der Kuhl. Entgegen seinen Gewohnheiten gab er in diesen Mittagsstunden des 23. Juli nichts Lautstarkes von sich. Statt dessen brummte er bisweilen ein gepreßtes „Himmel, Arsch …“ vor sich hin, fluchte halblaut auf die „elende Lausebande“, mit der nur die Spanier gemeint sein konnten, und blieb von Zeit zu Zeit stehen, reckte sein Rammkinn vor und starrte mit mißmutigem Narbengesicht über die öde Leere der See.

      Aber selbst die inbrünstigsten Verwünschungen bewirkten keine Besserung. Es blieb wie verhext. Kein spanischer Kampfverband kam in Sicht.

      Dan O’Flynn hatte sich auf seinem Posten als Ausguck im Vormars vorübergehend von Bill ablösen lassen. Von allen Arwenacks verfügte Dan noch immer über die schärfsten Augen, und angesichts des Ernstes der Lage hatte er Hasard am frühen Morgen gebeten, seine alte Funktion wieder aufnehmen zu dürfen. Der Seewolf hatte nichts dagegen einzuwenden gehabt. Natürlich war auch auf die übrigen Ausgucks der „Isabella“ Verlaß, doch Dan vollbrachte mit seiner außergewöhnlichen Sehkraft überdurchschnittliche Leistungen.

      Nach dem stundenlangen Ausharren im Vormars hielt es Dan O’Flynn nun nicht mehr aus. Er mußte einfach die Gedanken loswerden, die sich bei ihm aufgestaut hatten. Mit langen, federnden Schritten eilte er über die Kuhl, vorbei an den Männern, die angesichts der plötzlichen Hast in ihrer dumpfen Monotonie stutzten. Verblüfft schauten sie ihm nach, wie er mit einem Satz über den Steuerbord-Niedergang zum Achterdeck aufenterte.

      „So geht das nicht weiter“, sagte er ohne Einleitung, indem er sich vor Hasard und Ben Brighton aufbaute. „Seit Stunden tut sich überhaupt nichts. Dabei müßten wir längst im schönsten Feuerzauber stecken.“

      „Freu dich nur nicht zu früh“, entgegnete der Erste Offizier der „Isabella“ trocken, „den Schlamassel wirst du noch rechtzeitig genug erleben.“

      Dans Kopf ruckte herum, und er sah Ben Brighton funkelnd an.

      „Woher willst du wissen, daß ich das Gegenteil von dem gemeint habe, was ich sagte?“

      „Kein Mensch kann sich im Ernst ein Seegefecht herbeiwünschen.“

      „Das wollte ich damit auch nicht sagen“, erwiderte Dan. „Diese Tatenlosigkeit ist schlimmer, als endlich Gewißheit zu haben. Außerdem geht es ja wohl darum, daß wir die Schlangen-Insel wirksam abschirmen, nicht wahr?“

      Ben Brighton nickte, scheinbar gelassen.

      „Gut. Dann drück dich nächstes Mal bitte so aus, daß man nicht um drei Ecken denken muß, um es zu verstehen.“

      Dan O’Flynn wollte aufbrausen, aber der Seewolf griff mit einer beschwichtigenden Handbewegung ein.

      „Es reicht jetzt“, sagte er energisch. „Gegen ein bißchen Wortgeplänkel ist nichts einzuwenden. Wenn es hilft, der Nervosität Luft zu verschaffen, ist es gut. Aber wir sollten es nicht übertreiben.“ Er wandte sich Dan O’Flynn zu. „Was glaubst du, über was Ben und ich uns die ganze Zeit den Kopf zerbrechen?“

      „Ist mir schon klar“, entgegnete Dan und