„Aber auch das Will gelernt sein“, sagte Siri-Tong. „Eine ungeschickte Ladenummer kann da sehr viel verpatzen.“
„Ob das Problem eines Tages wohl noch mal gelöst wird?“ fragte Karl von Hutten, der gerade zu ihnen getreten war.
„Mit Sicherheit“, erwiderte Ribault. „Aber das wird wohl noch ein paar Jahrzehnte dauern.“
„Jahrhunderte“, sagte Hasard. Er hatte seine Muck geleert und warf wieder einen prüfenden Blick zur östlichen Kimm. „Aber darüber sollten wir uns jetzt keine Gedanken machen. Der Admiral ist verschwunden. Wir können unsere Reise fortsetzen.“
„Sollte der Narr wirklich noch mal auftauchen, kriegt er einen Pfeil in den Achtersteven“, sagte Shane. „Sollte er wirklich so dumm sein, kommt er nicht mehr mit heiler Haut davon.“
„Laßt uns in Ruhe abwarten, was weiter geschieht“, sagte die Rote Korsarin.
Jean Ribault mußte unwillkürlich grinsen. „Ich sage, daß er doch ein hartnäckiger Verehrer ist, dieser Admiral. Er ist vernarrt in dich.“
„Ich bin entzückt!“
„Ich meine, er steigt vielleicht doch noch an Bord und versucht, dich zu verführen“, fuhr Ribault unbeirrt fort. „Was tust du dann?“
„Ja, was tue ich dann wohl?“
„Nimm mal an, er bedroht dich mit einer Pistole oder so.“
„Das heizt mal wieder deine schmutzige Phantasie an, was?“ stieß sie aufgebracht hervor. „Aber das sieht dir ähnlich. Hör bloß auf, mich damit anzuöden. Ich finde das kaum noch lustig.“
„Aber, Madam!“ rief Barba mit seiner dröhnenden Baßstimme. „Wir würden dich doch verteidigen – alle Mann!“
„Zur Hölle mit dem Admiral“, sagte Siri-Tong und übersah Hasards Lächeln. „An die Arbeit jetzt! Alle Mann auf ihre Posten! Wir gehen wieder auf Kurs Südsüdwest!“
Kurze Zeit darauf lag die „Caribian Queen“ wieder auf ihrem alten Kurs und pflügte bei anhaltendem Wind aus Nordosten die See. Die Männer verrichteten ihren normalen Decksdienst und stellten dabei die unterschiedlichsten Überlegungen an.
Hatte Campos die Nase voll? Oder hatte er die Lektion immer noch nicht begriffen? Nun, sie wußten nicht, wie der Kerl sich verhalten würde, aber die nächsten Stunden würden zeigen, wie weit sein Starrsinn und seine Verbohrtheit gingen.
Mit finsterer Miene hockte Luis Campos auf der achteren Segellast seiner Schaluppe. Dieser schlanke und geschmeidige Mann trug ein schwarzes Spitzbärtchen, kleidete sich wie ein Pfau und benahm sich dabei auch sehr gespreizt. Was Frauen betraf, hielt er sich für unwiderstehlich. Er stammte aus Portugal und hatte in der Karibik eine Horde von nahezu vier Dutzend Schnapphähnen aus aller Herren Länder um sich versammelt. Sie waren Abenteurer und Deserteure, entlaufene Sklaven oder ganz einfach auch Faulpelze und Glücksritter, die sich einbildeten, auch ohne Arbeit schnell reich zu werden.
Campos war ein größenwahnsinniger, aber nichtsdestoweniger gefährlicher Mann, verschlagen und ohne Skrupel, dabei aber auch ziemlich intelligent. Er ließ sich mit „Admiral“ anreden, und die Kerle kuschten vor ihm, weil er sehr schnell mit dem Messer bei der Hand war. Er verstand sich aufs Kämpfen und auch auf die Seemannschaft, denn bevor er sich der Piraterie verschrieben hatte, war er auf verschiedenen Handelsfahrern Erster Offizier gewesen.
Doch der Traum vom schnellen Geld, von einem großen Schiff und einer schönen, wilden und rassigen Frau schien vorerst ausgeträumt zu sein. Für jene, die ihr Leben gelassen hatten, war alles vorbei. Sie würden nie wieder in Kneipen mit Huren zusammenhocken, kühne Pläne schmieden und große Töne spucken. Sie waren tot, und an ihnen hatten nur noch die Haie ihre Freude.
Der Admiral trauerte nicht um sie. Kerle wie sie waren bei ihm Mittel zum Zweck. Er benutzte sie, um selbst sein Ziel zu erreichen. Wenn er reich genug war, würde er sie alle ausbooten. Sie waren allesamt primitive, geistlose Kerle, wertlose Kreaturen in seinen Augen, die nichts taugten. Was bedeutete es schon, wenn sie krepierten?
Das Problem indes war die Tatsache, daß er jetzt nur noch eine Schaluppe und eine Crew von zwanzig Kerlen hatte. Seine kleine Flotte existierte nicht mehr, obwohl sie doch so wendig und wehrhaft gewesen war. Eben: Der Gegner war hart und mächtig und ließ sich nicht überrumpeln.
Unter diesem Aspekt schien es vernünftiger zu sein, schleunigst nach Tortuga zurückzukehren und sich zu verkriechen. Die Schmach war groß genug, und es würde einige Zeit dauern, bis die Bande die Niederlage überwunden hatte und für neue Taten zu haben war.
Aber es gab dabei noch eine Gefahr – daß nämlich die letzten Getreuen, die ihm geblieben waren, „fahnenflüchtig“ wurden und ihn im Stich ließen. Dann saß er ganz allein da und würde einige Schwierigkeiten haben, neue Leute für seine Unternehmungen zu finden. Und neue Schaluppen? Wie sollte er die bekommen? Kaufen konnte er sie nicht, es fehlten ihm dazu die Mittel. Aufbringen konnte er sie nur, wenn er eine ausreichend starke Mannschaft zusammen hatte.
Wie er es auch drehte und wendete, die Rückkehr nach Tortuga war eine Niederlage, und zwar auf der ganzen Linie. Sollte er sich in eine andere Richtung wenden, vielleicht nach Kuba segeln oder nach Florida? Auch das brachte nichts Konkretes, höchstens noch mehr Unsicherheiten und Ungewißheiten.
Campos gab sich einen innerlichen Ruck. Warum umkehren? Es wäre der größte Fehler gewesen, den er hätte begehen können. Für ihn gab es nur eine Chance: Er mußte das Eisen schmieden, solange es noch heiß war. Nein, er steckte nicht auf. Sein Stolz war verletzt, er wollte Revanche. Er mußte seinen letzten Kerlen beweisen, wie verwegen und kühn er war. Der nächste Vorstoß mußte zu einem vollen Erfolg für sie werden.
Dafür, so nahm er sich jetzt schon vor, würde er sorgen. Er war nicht der Mann, der sich durch zwei Schlappen entmutigen ließ. Er hielt verbissen und hartnäckig an seinem Vorhaben fest. Und wie würde er das Weib mit den schwarzen Haaren behandeln, wenn er sie erst vor sich hatte? Auf die Planken würde er sie zwingen, und sie mußte sich ihm, ihrem neuen Herrn und Gebieter, öffentlich unterwerfen, sonst ließ er sie vor aller Augen nackt auspeitschen. Und die anderen? Wer sich zur Wehr setzte, würde erschossen oder kielgeholt werden. Alle anderen würde er in Ketten legen lassen.
So war das: Er, Luis Campos, der Admiral, brauchte nur das Achterdeck dieses Höllenschiffes mit den zwei Batteriedecks zu entern und das Weib als Geisel zu nehmen. Dann hatte er sie alle in der Hand – alle.
Aber vorher mußte er an Bord seiner Schaluppe für reinen Tisch sorgen. Die Kerle hatten den Schwelbrand im Laderaum gelöscht, ein paar kleine Schäden behoben und sich davon überzeugt, daß der Zweimaster noch intakt war. Jetzt lungerten sie mit mürrischen Mienen auf dem Deck herum.
El Gordo spuckte ausdauernd ins Wasser, die anderen, murrten und fluchten. Ein krausköpfiger Kreole warf ständig giftige Blicke zu Campos hinüber, ein anderer spielte auf höchst verdächtige, bedenkliche Weise mit dem Heft seines Messers.
Glaubt bloß nicht, daß ihr meutern könnt, dachte der Admiral. Da habt ihr euch verrechnet, und zwar gründlich.
Er hatte den Zustand der Niedergeschlagenheit überwunden und fühlte frische Energien in sich zurückkehren. Er erhob sich und suchte mit dem Blick nach dem Ausguckposten im Bug. Der Kerl – ein Ire aus Cork – versuchte, wegzusehen. Am liebsten wäre er wohl außenbords gesprungen, wenn nicht die Haie gewesen wären.
Wenn die Hunde frech werden, statuiere ich ein Exempel, dachte der Admiral.
Laut sagte er: „Du – Ire! Komm her! Ich hab’ mit dir zu reden!“
Der Ire wandte sich zu ihm um und hob sein Kinn etwas an. Er fühlte sich in die Enge getrieben, aber jetzt brach auch der Stolz in ihm durch – und die ganze Sturheit seiner Rasse.
„Mit mir?“ fragte er. „Warum?“
„Das