„Hab’ ich nicht“, sagte Diego. „Was ist das denn?“
„Bier und Schnaps, mein Freund. Lage laufend hat nämlich den Vorteil, daß du den Zapfhahn nicht immer auf- und zudrehen mußt. Du kannst ihn gleich offenlassen und brauchst nur immer die Humpen darunterzuhalten. Wir werden schon dafür sorgen, daß nichts verlorengeht. Wir haben nämlich verflucht großen Durst.“
Der Profos sah sich um und entdeckte den stutzerhaft gekleideten Kerl, der ihn verwundert anstarrte. Daß der Admiral ihn für einen Bordgeistlichen hielt, konnte der Profos allerdings nicht wissen. Als sich ihre Blicke kreuzten, sah der Admiral scheinbar gleichgültig zur Seite.
„Lage laufend“ brachte den dicken Diego ganz schön ins Schwitzen, denn die Kerle legten ein Tempo vor, als wären sie am Verdursten. Kaum hatte er diesem Monstrum von Profos den ersten schäumenden Humpen hingestellt, da soff der ihn auch schon in einem mächtigen Zug aus, wischte sich über die Futterluke und knallte den Humpen auf die Theke.
„Das andere Zeug kann der Schankknecht an den Tisch bringen“, sagte Ed gönnerhaft, „den ersten zischen wir immer am Tresen. Wir setzen uns da drüben hin.“
Er deutete auf einen Tisch, den Diego extra freigehalten hatte, an dem aber der Ziegenbärtige hockte, der eben noch an der Theke gestanden hatte.
Sie setzten sich um ihn herum und kreisten ihn ein. Das Kerlchen mit dem Lotterbart glotzte von einem zum anderen, fühlte sich mächtig unbehaglich und tat das unter ständigem Geräusper kund.
„Hast du Motten im Bart, Gevatter?“ erkundigte sich der Profos. „Du siehst so zerpliesert aus.“
Das dreckige Kerlchen zupfte aufgeregt schluckend an seinem Bart herum und schüttelte den Kopf.
„Motten?“ krächzte er. „Wollen Sie mich beleidigen, Señor?“
„Dieser Tisch ist doch reserviert“, sagte Ed, „aber nicht für ein mottenbärtiges kleines Rübenschwein, sondern für uns. Oder habe ich das falsch verstanden, was, wie?“
Barba blickte grinsend zu ihnen herüber, und auch der Franzose lachte leise, weil Ed es wieder mal nicht lassen konnte. Sie rückten dem Kerlchen noch etwas dichter auf die Pelle, bis der hoffnungslos eingeklemmt zwischen Smoky und dem Profos saß.
Das behagte ihm noch weniger, und den anderen behagte es auch nicht, denn der Kleine stank wie ein Ziegenbock und seine Nähe war nur schwer zu ertragen.
Er schnappte sich seinen Humpen, murmelte etwas und quetschte sich zwischen den beiden hindurch. Mit galligen Blicken hastete er zur Theke und zupfte wieder aufgeregt an seinem Bart.
Die Männer aus Ribaults Crew und auch die von Siri-Tong lachten und schmusten mit Diegos Täubchen. Aus den Nischen waren Gekicher und Gekreische zu hören. Die Mannschaften des Bundes der Korsaren waren heute Diegos bevorzugte Gäste, und sie genossen das sichtlich. Noch mehr bevorzugt wurde allerdings die Crew um Carberry – wegen der geheimen Erpressung. Einer der Schankknechte rannte ständig hin und her, um die Kerle zu versorgen, und er hatte viel zu tun, denn auch Mac Pellew soff heute wie ein Gaul, obwohl er ein Gesicht zog, als würde ihm eimerweise Essig vorgesetzt.
Der dickliche Paddy Rogers bewies wieder einmal, daß er nicht nur viel essen konnte. Im Trinken war er genauso gut und nahm es anfangs auch noch mit dem Profos auf.
„Sieh dir mal diesen Krähhahn an“, raunte Smoky dem Profos zu, „der glotzt dich an, als wolle er dich auffressen. Und die Rote Korsarin hat er mit seinen Blicken schon aufgefressen.“
„Kenne ich nicht“, sagte Ed. „Aber wenn er noch lange so dämlich glotzt, werde ich ihm sein Rüschenhemd verknoten. Wird sowieso Zeit, daß hier mal wieder der Laden gefegt wird.“
Die anderen grinsten, denn der Profos war nun einmal ein Rabauke aus Passion, der keinem Stunk aus dem Wege ging. Aber er beruhigte sich schnell wieder, als vier Täubchen, die Diego geschickt hatte, ihren Tisch ansteuerten.
Die Señoritas kicherten verschämt und fragten noch verschämter, ob sie Platz nehmen dürften, um die Gentlemen ein wenig zu unterhalten.
Klar durften sie, und sie durften sich auch gleich etwas zu trinken bestellen, weil die Männer ja noch „Lage laufend“ guthatten und Bescheidenheit in diesem Fall wirklich nicht angebracht war.
In der hinteren Nische lief dem Admiral und seinen Kerlen langsam die Galle über. Sie kriegten kein Bein auf den Boden, keine Señorita erschien an ihrem Tisch, und sie wurden ziemlich nachlässig bedient, weil die anderen Kerle hier ganz offen bevorzugt wurden. Den Admiral ärgerte das über alle Maßen.
„Da ist wieder dieser Bordgeistliche!“ sagte er entrüstet. „Diese Kerle predigen den anderen Moral, aber sie selbst saufen und huren ungeniert herum. Dieser Hochwürden säuft mehr als ein Ochse.“
Den anderen paßte das ebenfalls nicht. Auf ihren Galgenvogelvisagen erschien allmählich ein drohender Ausdruck.
Luis Campos hatte jetzt allerdings Gelegenheit, die Rote Korsarin genauer in Augenschein zu nehmen, was er auch ungeniert tat. Aus unmittelbarer Nähe stierte er die hübsche Eurasierin an und wurde immer schärfer und erregter.
Er plusterte sich auch wieder auf und riß dumme und zotige Witze, um die Aufmerksamkeit der Señorita zu erregen. Doch die warf ihm zu seinem Ärger nicht einen einzigen Blick zu. Sie nahm ihn überhaupt nicht zur Kenntnis, er war Luft für sie.
Das kratzte mächtig an seiner Eitelkeit und der Einbildung, daß er sich für unwiderstehlich hielt. Auch als er sich mehrmals laut räusperte, reagierte die Angebetete in keiner Weise. Sie unterhielt sich mit einem schlanken, verwegen aussehenden Kerl und lachte hin und wieder perlend.
Was die sich einbildete! Der Fatzke neben ihr sah nicht halb so gut aus wie er, und das Monstrum an ihrem Tisch mit der plattgehauenen Visage war ja wohl das letzte! So dachte der Admiral, doch er wollte die Gelegenheit nutzen um die Señorita kennenzulernen. Wenn die morgen in See ging, war die letzte Gelegenheit vorbei, und er würde sie vielleicht nie wiedersehen.
Diese Frau und das Schiff, dachte er, das ist eine einmalige Kombination. Diesen Gedanken konnte er nicht mehr loswerden, er nistete sich immer fester in ihm ein.
Einmal brüllte er laut nach dem Wirt und beschwerte sich über die lahme Bedienung. Er trat ziemlich herrisch auf, doch auch diese Geste verfehlte ihre Wirkung, weil Diego ärgerlich abwinkte und die Señorita ihn wiederum nicht zur Kenntnis nahm.
Carberry hatte sich halb zur Seite gedreht. Neben ihm saß eine aufgedonnerte Schöne, die an seinen Haaren auf der Brust herumzupfte, die dem Profos wie eine Matte aus dem Hemd quollen.
Er sah genau, was da in der Nische vor sich ging, und hatte auch etwas von einem „Bordgeistlichen“ vernommen. Er grinste still vor sich hin. Demnach hatte der aufgeblasene Gockel also zwei Zuträger, und zwar waren das jene Kerlchen, die heute morgen in der Kneipe gewesen und „einen ausgegeben“ hatten. Er sah die beiden Kerle jedoch nirgends.
„Der Kerl wird ja immer wilder“, raunte Jack Finnegan. „Der kann kaum noch an sich halten. Ein aufdringlicher Gockel ist das. Der will was von der Roten Korsarin.“
„Hab’ ich längst gemerkt“, sagte Ed, „darauf warte ich ja nur. Wenn sich eine Gelegenheit ergibt, werden wir den Gockel mal krähen lassen.“
Die Gelegenheit ergab sich schon bald darauf, denn der Admiral wollte es jetzt ganz genau wissen.
Er beugte sich zu Molino hinüber und sah ihn an.
„Ich möchte die Señorita kennenlernen“, sagte er. „Du, als mein persönlicher Adjutant, erhältst den ehrenvollen Auftrag, die Señorita an meinen Tisch zu bitten. Tu das aber gefühlvoll, charmant und freundlich. Du sagst ihr, daß der Admiral sie bitten läßt, klar?“
„Sehr wohl, Admiral. Sie werden mit mir zufrieden sein.“
Carlos Molino erhob sich mit einem schmierigen Grinsen, das er für besonders anziehend hielt. Dabei versuchte er, seinen