Dennoch war Luis Campos ein gefährlicher Kerl, ein verschlagener, etwas größenwahnsinniger Typ, skrupellos, schnell mit dem Messer zur Hand und intelligent.
Bevor er seine einträgliche Laufbahn als Schnapphahn eingeschlagen hatte, war er auf etlichen Handelsseglern als Erster Offizier gefahren.
Aber da war nicht viel zu holen gewesen, und so hatte er es bald satt gehabt, ein braves Leben zu führen.
Es war ihm nicht schwergefallen, mit einer Horde desertierter Kerle eine Schaluppe aufzubringen. Der ersten Schaluppe war etwas später eine zweite gefolgt, dann eine dritte. Und weil es in der Karibik von Schnapphähnen aller Schattierungen nur so wimmelte, hatte er auch bald eine wilde Horde um sich geschart, die ihm den nötigen Respekt zollte.
Der Portugiese war ein eitler Stutzer, er kleidete sich gern wie ein Pfau und benahm sich ausgesprochen gespreizt. Zudem war er sehr eitel und hielt sich selbst – was Frauen betraf – für unwiderstehlich. Er war schlank und geschmeidig und hatte sich ein schwarzes Spitzbärtchen wachsen lassen, sozusagen als Krönung seiner Erscheinung, denn er glaubte, daß dieses Bärtchen auf Frauen unheimlich wirke.
Seine Mannschaften dagegen wirkten zerlumpt und abgerissen, abenteuerliche Figuren von fern betrachtet, aus der Nähe nichts anderes als Abschaum aus den Hafengossen, Kerle, die nichts mehr zu verlieren hatten als ihr Leben, rücksichtslose, brutale Halunken mit Gaunervisagen, denen die Gier nach Geld und Gold in den heimtückisch blickenden Augen stand.
Gestern nachmittag war Luis Campos, den die anderen mit „Admiral“ anzureden hatten, heimlich in die Bucht gesegelt und vor Anker gegangen.
Er wollte auskundschaften, wie sein geplanter Coup durchzuführen war, denn er hatte schlicht und einfach vor, den feisten Wirt der „Schildkröte“ auszunehmen, von dem sich herumgesprochen hatte, daß er das Geld nur so scheffelte. Der Mann sollte bereits ein Vermögen angehäuft haben, und so hatte Luis Campos beschlossen, an diesem Vermögen teilzuhaben.
Er sah das als nicht sonderlich schwierig, aber einträglich an. Mit einem Dutzend Kerle war es kein Problem, eine Kneipe zu stürmen, sich den Wirt zu schnappen und ihn auszuplündern. Zweimal hatten sie das bereits erfolgreich getan, und so sah er auch auf Tortuga keinerlei Schwierigkeiten. Die Spelunke und die Gewohnheiten des Wirtes mußten nur etwas ausgekundschaftet werden. Ein Kerl, den er deshalb losgeschickt hatte, kehrte gerade in einem kleinen Boot zurück und enterte auf.
Der Kerl war sein „Adjutant“, denn natürlich hielt der Admiral die militärische Fachsprache für angebracht. Er hatte auch einen „Stab“, der sich aus den Kapitänen der beiden anderen Schaluppen und seinem Adjutanten zusammensetzte.
Der Adjutant, zugleich Campos’ engster Vertrauter, hieß Carlos Molino und war – schlicht gesagt – ein kleiner mieser Drecksack. Er war nur auf der Welt, um andere zu beklauen, zu betrügen und zu schmarotzen. Er lebte grundsätzlich auf Kosten anderer und hurte, hungerte und soff sich durch sein erbärmliches Leben. Das war zwanzig Jahre lang gutgegangen und würde auch noch ein paar weitere Jahre gutgehen, bis Molino eines Tages in ein Messer fiel, an einem Strick aufgehängt oder von den Haien gefressen wurde.
Er war etwas kleiner als der Admiral, gerissen, durchtrieben und hinterhältig wie die meisten anderen Kerle auch.
Er stand vor dem Admiral und blickte aus rötlichen Augen zu ihm auf. Er wirkte auch noch leicht verkatert, denn er hatte die ganze Nacht durchgezecht, um auszukundschaften, wie die Spelunke am besten auszunehmen war.
„Du bist reichlich spät dran, Molino“, sagte der Admiral ungnädig. „Ich hoffe, du hast dich nur deshalb verspätet, weil du gute Nachrichten bringst.“
Auf der Gaunervisage des Adjutanten lag ein schmieriges Grinsen, als er heftig nickte.
„So ist es, Admiral, ich habe mich genau umgesehen und umgehört und dabei allerlei erfahren. Diese Spelunke da oben am Berg ist eine wahre Goldgrube. Sie ist jeden Abend bis zum Morgen brechend voll. Der Wirt heißt Diego, ein dicker, feister Kerl, der die Münzen mit beiden Händen scheffelt. Er nimmt jeden Abend ein kleines Vermögen ein. Die Münzen rollen nur so. Er hat auch eine ganze Menge Weiberchen da oben, die ihm zusätzliches Geld einbringen.“
„Hört, hört!“ sagte der Admiral grinsend. „Weiberchen also auch. Hast du auch herausgefunden, wo er die Münzen versteckt hat?“
„Er nimmt sie mit in die Küche. Offenbar versteckt er sie dort. Aber den genauen Platz werden wir schon erfahren, wenn wir ihn ein wenig ausfragen.“
„Sehr richtig, Molino. Man muß nur richtig fragen, dann singen die Vögelchen alle ganz lustig. Du bist also der Ansicht, daß es sich für uns lohnen würde?“
„Unbedingt, Admiral, unbedingt“, versicherte Molino eifrig. „Ich habe einen Blick dafür.“
„Dann schicke nachher noch zwei Mann los. Sie sollen weiter beobachten, was sich in der Spelunke tut, aber sie sollen sich unauffällig verhalten. Am besten schickst du Pablo und Escola los, die fallen nicht so sehr auf.“
„Zu Befehl, Admiral.“
Der Admiral rieb sich die Hände. Dieser Spelunkenwirt versprach eine fette Beute zu werden, wenn er das Geld nur so scheffelte.
Etwas später meldete sich ein Ausguck aus den Bergen mit der Nachricht, daß ein „ziemlich dickes Schiff“, offenbar ein Zweidecker, Kurs auf die Insel halte und wohl den Hafen anlaufe.
„Wir werden unauffällig in der Nähe des Hafens einsickern“, sagte der Admiral, „und uns einen Überblick verschaffen. Wir beide bleiben gleich bis zum Abend da. Die anderen folgen später. Man muß immer Augen und Ohren offenhalten und gut informiert sein, wenn man etwas vorhat.“
Molino gab dem Kapitän recht. Er gab ihm immer recht und kaute alles nach, was der Admiral vorkaute. So war er immer am besten gefahren und hatte keinen Streit mit dem Admiral gekriegt, der sehr biestig werden konnte, schnell mit den Fäusten und noch schneller mit dem Messer war.
Ein paar seiner Kumpane hatten diese Erfahrung bereits hinter sich, doch sie nutzte ihnen nichts mehr.
Gut eineinhalb Stunden später war der Admiral mit seinem Adjutanten am Hafen „eingesickert“, wie er das nannte. Er strich mit eitler Geste sein Bärtchen und sah einer Frau nach, die einen Wäschekorb schleppte. Schließlich pfiff er anerkennend hinter ihr her.
Die Frau drehte sich um, blieb stehen, lächelte flüchtig und ging dann weiter, während der Admiral wie ein Pfau umherstolzierte.
„Na, wirke ich nicht auf Frauen, Molino?“ fragte er stolz. „Ein Pfiff, und die Weiber bleiben stehen.“
„Sie wirken sehr anziehend auf Frauen, Admiral, ganz ungeheuer“, lobte Molino. „Alle Frauen bewundern und himmeln Sie an, Admiral.“
Luis Campos hörte solche Schmeicheleien gern. Sie gingen ihm runter wie warmes Öl, und so nickte er seinem Adjutanten wohlgefällig und gönnerhaft zu.
Sie standen etwas abseits und beobachteten den unheimlich und düster wirkenden Zweidecker, der in den Hafen einlief und mit letzter Restfahrt an die Pier ging.
„Ein tolles Schiff“, sagte der Admiral bewundernd. „Wenn ich ein solches Schiff hätte, könnte ich mir ganz große Raids leisten. Wunderbar, dieser Kasten, zum Verlieben schön.“
„Ja, das wäre ein Schiff für Sie, Admiral, das wäre genau das richtige Schiff. Aber es hat eine ziemlich starke Besatzung, da sind ja an die hundert Mann drauf“, sagte Molino verwundert.
„Ja, das fiel mir auch schon auf. Na, vielleicht bleiben ein paar Kerle hier.“
Er sah wieder zu dem düsteren Zweidecker und war fasziniert. Von oben bis unten und von vorn bis achtern musterte er das Schiff. Der Gedanke, es in seinen Besitz zu bringen, fraß sich in ihm fest und nahm konkrete Formen an. Hm, das war ein schwerer Brocken, und es waren hartgesichtige Kerle an Bord, die so aussahen, als würden sie sich nicht die Butter vom Brot nehmen lassen. Aber das Schiff ließ