Daß der Admiral ihnen blutige Rache geschworen hatte, ahnten sie nicht. Der gab sich mit der Niederlage noch lange nicht zufrieden.
9.
Am vierten Oktober gegen neun Uhr morgens lief die „Caribian Queen“ aus und nahm Kurs auf die Windward-Passage.
Sie waren noch keine halbe Stunde lang unterwegs, als der Ausguck drei zweimastige Schaluppen meldete, die achteraus auftauchten und weit hinten im Kielwasser des Zweideckers segelten.
Die Schaluppen waren schnell und wendig, und sie holten erstaunlich schnell auf.
Siri-Tong drehte sich unbehaglich um, denn die drei Schaluppen waren mit Sicherheit nicht zufällig aufgekreuzt und befanden sich auf dem gleichen Kurs wie sie.
Barba nahm den Kieker und blickte lange hindurch. Dann drehte er sich grinsend zu der Roten Korsarin um.
„Das ist Ihr Verehrer von gestern, Madame, der Kerl, der sich Admiral nennen ließ.“
„Der aufgeblasene Gockel aus Diegos Spelunke?“ fragte Siri-Tong erstaunt.
„Ja, genau, Madame. Er steht auf dem Achterdeck der mittleren Schaluppe und beobachtet uns ebenfalls durch ein Spektiv. Sollen wir wieder mal die Kuh fliegen lassen, Madame?“
Siri-Tongs Augen blitzten zornig. Sie war nahe daran, zu explodieren, als sie ebenfalls einen Blick durchs Spektiv warf. Da stand dieser Laffe von gestern tatsächlich auf dem Achterdeck und winkte!
„Klar Schiff zum Gefecht!“ befahl sie. „Hoch mit den Stückpforten. Diesem Kerl zeigen wir es.“
Die Crew rannte auf die Stationen. Kurz darauf flogen die Stückpforten hoch, die Rohre wurden ausgerannt.
Die Rohre waren gerade ausgerannt, als die Schaluppen unvermittelt auf Distanz gingen, was Siri-Tong noch mehr ärgerte. Erregt beobachtete sie, wie die eine Schaluppe mit dem Admiral an Bord im Kielwasser zurückblieb, während die beiden anderen außerhalb der Schußweite heranzogen, als wollten sie den Zweidecker begleiten.
Sie setzten sich querab an die Seiten der „Caribian Queen“, die eine an Backbord, die andere an Steuerbord. Für die Geschütze waren sie nicht zu erreichen.
Das tat der Admiral sehr geschickt. Er hielt so weit Distanz, daß sie nichts ausrichten konnten, sich aber ständig belästigt fühlten.
Siri-Tong ließ an die Schaluppe heransegeln, die sich auf der Backbordseite befand, um den Kerlen eine Ladung zu verpassen.
Doch sobald sie auch nur etwas den Kurs änderte, wich die Schaluppe sofort aus. Drehte sie auf die andere zu, dann wurde drüben das gleiche Manöver ausgeführt. Die Schaluppen waren schneller und wendiger und nicht zu fassen. Siri-Tong sah, daß sie schwer mit Drehbassen bestückt waren.
Noch ein paar Male wiederholte sie das Manöver – immer mit dem gleichen Mißerfolg. Die Kerle auf den Schaluppen grinsten, wie sie durch den Kieker erkannte. Das ließ ihre Wut noch größer werden.
„Die wollen uns vorerst nur ein wenig ärgern“, sagte Hasard beruhigend. „Aber sie werden bei Tage wohl kaum angreifen, das werden sie eher nachts versuchen. Vermutlich wollen sie uns entern.“
„Was ist bei uns schon zu holen“, schnaubte die Rote Korsarin verächtlich.
„Eine ganze Menge. Der Gockel will den Zweidecker haben – und natürlich auch dich, dich wohl ganz besonders, nach allem, was ich von gestern abend gehört habe. Der Kerl soll ja ganz scharf auf dich gewesen sein. Mac Pellew hat mir das erzählt.“
„Dieser aufgeblasene Pfau!“ sagte sie wütend. „Was bildet sich dieses Würstchen denn ein!“
Noch zweimal wiederholten sie das Manöver, indem sie den Kurs änderten, so schnell das möglich war. Doch die Kerle waren auf der Hut und paßten höllisch auf.
Stundenlang hingen sie dem Zweidecker wie Zecken im Pelz, ohne etwas zu unternehmen.
Die Männer wurden schon ganz fuchtig und fluchten erbittert, weil die Halunken einfach nicht zu fassen waren.
„Dem hätte ich die Haut in Streifen von seinem verdammten Affenarsch abziehen sollen“, knurrte Carberry. „Aber das konnte ja keiner wissen, daß die Galgenstricke drei Schiffe besitzen. Aber wir erwischen sie schon noch, einmal werden sie einen Fehler begehen, diese dreimal verfluchten Läuse.“
Es war wirklich lästig, die Kerle immer um sich zu haben. Der Admiral nervte sie an diesem Tag ganz gehörig. Hin und wieder ließ er etwas heranstaffeln, und wenn sie auf der „Caribian Queen“ wütend reagierten und den Kurs änderten, zog er die Schaluppen sofort aus dem Schußbereich.
Das ging den ganzen Tag so und zog sich bis in die Nacht hin.
Die Kerle auf der Admiralsschaluppe sahen noch reichlich lädiert aus. Einer hatte die Augen so dicht, daß er kaum noch etwas sah. Ein anderer hatte ein faustgroß angeschwollenes Ohr und dunkelblaue Blessuren an der Stirn, wo ihn eine Faust getroffen hatte, und der Adjutant hockte mit schmerzverzogenem Gesicht an Deck und pulte sich die Stacheln aus der Hand. Die Hand war fast zu doppelter Größe angeschwollen und schmerzte fürchterlich.
Am schlimmsten aber war der Kerl dran, der sich auf Mac Pellews „Spezialschemel“ gesetzt hatte. Der mußte zu dem Schmerz auch noch den Spott ertragen, mit dem die anderen nicht geizten. Er konnte nur noch auf dem Bauch schlafen, und wenn er sich bewegte, dann verzog er jedesmal das Gesicht. Er hatte immer noch den Hintern voller Stacheln und war dementsprechend launisch. Quatschte ihn einer provozierend an, dann ging er gleich mit den Fäusten auf ihn los.
Luis Campos selbst hatte einen Brummschädel und gehörige Schmerzen auf dem Brustkasten und den Rippen. Er konnte nur ganz flach atmen. Aber er steckte voller Haß bis an die Ohren, und er hatte sich geschworen, diesen Kahn zu entern, und wenn er dabei zum Teufel ging.
Es beruhigte ihn zumindest, daß sie auf dem Zweidecker langsam, aber sicher nervös wurden. Mit seinen Kapitänskumpanen hatte er das Vorgehen genau abgesprochen, und die hielten sich daran.
„Wir werden dieses Weib kriegen“, sagte er zum Adjutanten. „Und das Schiff natürlich auch. Dieses schwarzhaarige Biest wird auf den Planken vor mir herumkriechen und um meine Gunst winseln. Und den Kerl, der mich so hinterhältig verprügelt hat, den hänge ich als ersten an die Großrah des Zweideckers.“
„Und ich bringe den Hund um, der mir diese Hand beschert hat“, schwor der Adjutant zornig. „Ich habe mir diese Schnauze ganz genau gemerkt. Der sah aus wie ein faltiger Trauerkloß, als wollte er jeden Augenblick losheulen, so richtig grämlich und verbiestert. Den hänge ich neben dem anderen Kerl an die Rah.“
Er laberte dem Admiral vor, was er alles tun würde, wenn sie den „Mistkahn“ erst einmal geentert hatten, bis es dem schließlich zu dumm wurde.
„Halt jetzt dein Maul und nerv mich nicht!“ schrie er den Adjutanten laut an. „Oder ich hau’ dir was auf die Schnauze. Ich habe andere Sorgen als dein dummes Geschwätz. Oder siehst du nicht, daß ich scharf nachdenke?“
„Verzeihung, Admiral“, murmelte Molino. Dann drehte er sich um und zupfte weiter an seinen Stacheln in der Hand herum. Es waren so viele, daß er sie nicht einmal zählen konnte.
Der Admiral aber dachte nur noch an das schwarzhaarige Teufelsweib und das Schiff. Er gab den anderen ein Zeichen, wieder etwas näher heranzustaffeln. Dann grinste er, als der Zweidecker den Kurs änderte und wütend auf die Schaluppe lossegelte. Die wich sofort aus und ging auf Distanz, während der Zweidecker wieder auf den alten Kurs zurückfiel.
Das Spielchen bereitete ihm Spaß, und sobald Manöver gefahren wurden, schnappte er sich den Kieker und blickte aufs Achterdeck, wo die schwarze Schöne stand. Deren Gesicht war vor Wut, Zorn und Hilflosigkeit knallrot angelaufen.
„So ist’s richtig“, murmelte er.