„Wenn ich sage, daß er uns freihält, dann stimmt das auch“, versicherte Carberry. „Niemand braucht einen lausigen Nickel mitzunehmen. Darauf halte ich jede Wette.“
Smoky spitzte die Ohren. Für Wetten jeder Art war er immer zu haben. Er wettete leidenschaftlich gern.
„Die Wette halte ich!“ rief er. „Ich wette, daß er uns nicht freihält, und du wettest dagegen.“
„Genau, abgemacht. Will noch jemand wetten?“
Mac Pellew kramte mit grämlichen Blicken in seinen Taschen herum und legte ein paar Münzen auf die Back.
„Sag bloß, du willst mitgehen“, erklärte Ed verwundert.
„Was sonst? Soll ich vielleicht hier herumhocken und Trübsal blasen?“
„Das tust du doch sonst auch immer. Also gut, dann legen wir den ganzen Krempel hier auf die Back, und wer die Wette gewonnen hat, kann das Zeug einstreichen. Wer geht noch mit?“
Smoky wollte mit, Mac Pellew, Paddy Rogers, Jack Finnegan und Matt Davies, der Mann mit der Hakenprothese. Jeder legte sein Scherflein auf die Back und sah den Profos an, der immer noch grinste.
„Das habt ihr verloren“, sagte er. „Das ist so sicher wie der Donner beim Gewitter.“
„Diego hält uns niemals frei“, behauptete Smoky. „Der gibt vielleicht die erste Runde zur Begrüßung aus, aber damit hat es sich dann auch schon. Du wirst dich wundern, Ed.“
„Oder ihr euch.“
Hasard entschied für sich, an Bord zu bleiben, selbst Ferris Tucker wollte nicht mit, und die anderen zogen auch nicht richtig.
Etwas später, über Tortuga war längst die Dunkelheit hereingebrochen, marschierte das halbe Dutzend Arwenacks los.
In Diegos „Schildkröte“ ging es bereits hoch her, als die Männer eintraten. Kerle aller Schattierungen hockten in der labyrinthartig verzweigten Spelunke. Ein paar Huren kicherten, in einer Abseite stritten sich zwei betrunkene Kerle. Hier gaben sich meistens jene Typen ein Stelldichein, die mit dem Teufel einen unheiligen Pakt geschlossen hatten. Aber es gab auch andere.
In einer Nische saßen um einen Tisch herum Siri-Tong, Jean Ribault, Karl von Hutten und das Ungetüm Barba. An anderen Tischen saßen weitere Männer aus Siri-Tongs und Ribaults Crew.
In einer der hintersten Nischen hockte der Admiral mit seinem Adjutanten, den beiden Schaluppenkapitänen und zwölf weiteren Schnapphähnen, die aussahen, als hätten sie rostige Nägel gefressen.
Himmel, sind das Visagen, dachte der Profos, als er sich einmal kurz umsah. Das waren ja Buschräuber der übelsten Sorte, ehrlose Halunken, die wegen eines lausigen Coppers die eigene Mutter umbrachten. Und inmitten dieser Schnapphähne hockte ein aufgeblasener Gockel in übereleganter Kleidung, der das große Wort führte.
Carberry kehrte den Buschräubern den Rücken, lümmelte sich an die Theke und blickte das Schlitzohr Diego grinsend an – seinen „guten Amigo Diego“, dem es unbehaglich über den Rücken rieselte, als er den Profos grinsen sah.
„Wir sind wieder da“, sagte der Profos, als hätte Diego das nicht längst bemerkt. „Freust du dich denn gar nicht? Du hast uns doch heute morgen extra eingeladen und wolltest uns freihalten.“
„Freihalten?“ fragte der alte. Halunke irritiert. „Aber mein lieber Amigo Ed, davon war doch keine Rede. Ich habe nur gesagt, ich hätte ein paar schöne Vögelchen für euch und ihr solltet den heutigen Abend nicht versäumen.“
„Wir sind ja nur sechs Mann“, meinte der Profos, „was ist das schon, wenn da jeder ein Bierchen nuckelt! Ein Klacks ist das, was, wie? Ich habe nämlich gewettet, daß du uns heute freihalten würdest, und ich will doch keine Wette verlieren. Was sollen die anderen Rübenschweine sonst von mir denken.“
„Ich weiß nicht, was die anderen Rübenschweine sonst denken“, murmelte Diego unbehaglich, „aber die Wette wirst du wohl verlieren, mein lieber Amigo Ed.“
Das Grinsen des Profos’ wurde ein bißchen hinterhältiger. Er lümmelte sich noch weiter an die Theke und schob lässig einen ziegenbärtigen kleinen Kerl zur Seite, der neben ihm herumhampelte.
„Du hast doch ein Geheimlager unter deiner Spelunke“, sagte Ed, „das ist mir noch verteufelt gut in Erinnerung, als wir da durchmußten. Von der Küche aus gelangt man da hinein, aber auch durch einen versteckten Zugang in der Schlucht, wenn man den Mechanismus kennt. Ich kenne ihn gut.“
„Um Himmels willen“, sagte Diego beschwörend, „doch nicht so laut, mein lieber Freund.“
Der Profos senkte daraufhin die Stimme zu einem Flüstern.
„In dem Geheimlager gibt es alles, was das Herz begehrt“, sagte er, „vom Schießpulver bis zu Wein, Bier und herrlichen Schnäpsen. Da könnte eine ganze Mannschaft monatelang saufen.“
„Was willst du damit sagen, Amigo?“ jammerte der Wirt.
„Na, ganz einfach, Amigo Diego: Wenn du uns nicht freihältst, werden wir in das Geheimlager durch die Schlucht eindringen und dort den Pegelstand der vielen Fässer und Flaschen ein bißchen verändern, nach unten, versteht sich. Und wenn wir richtig nuckeln, gelangst du in den Besitz vieler leerer Flaschen und Fäßchen. Da ist es doch wohl besser, du gibst hier ein paar Runden aus, damit ich meine Wette gewinne.“
Der Dicke schwitzte Blut und Wasser. Dann schluckte er hart.
„Das ist Erpressung“, keuchte er.
„Das ist eine Alternative oder wie das heißt“, säuselte der Profos. „Eine von zwei Möglichkeiten. Wer wird denn einen lieben Freund erpressen, Amigo? Es handelt sich doch nur um eine lumpige Wette.“
„Die mich ein Vermögen kostet“, klagte der Dicke.
Der Profos grinste immer noch so freundlich, während Diego weiterhin Blut und Wasser schwitzte. Er versuchte es ein letztes Mal.
„Das kann doch nicht dein Ernst sein.“
„Doch, doch. Mein voller Ernst.“
„Was wird denn dein Kapitän dazu sagen?“ fragte der Dicke.
„Er wird es nie erfahren – und wenn, dann erst, wenn das Geheimlager total gelenzt ist und von der Kneipe nur noch die nackten Felswände übrig sind.“
Da gab Diego sich endlich geschlagen. Nein, dachte er, dann hielt er die Kerle doch lieber frei, weil das immer noch billiger war. Er stellte sich vor, wie dieses Ungetüm von Profos mit den fünf anderen Rabauken im Geheimlager hockte und wie sie über die Wein-, Bier- und Schnapsvorräte herfielen. Dieser Gedanke behagte ihm überhaupt nicht. Wenn die Kerle total abgefüllt waren, zerschlugen sie ihm womöglich noch den Rest, und der Schaden würde ins Unermeßliche gehen.
„Also gut“, murmelte er mit versagender Stimme. „Du hast deine Wette gewonnen. Ich halte euch frei.“
„Lauter, damit die anderen das auch hören“, sagte der Profos heiter.
„Ihr seid heute meine Gäste“, sagte Diego lahm, „ich halte euch heute frei. Ihr könnt trinken, was Ihr wollt.“
Smoky starrte den Wirt perplex an. Die anderen staunten ebenfalls.
„He!“ sagte Smoky verblüfft. „Dann haben wir ja unsere Wette verloren.“
„Genauso ist es“, sagte Ed. „Mit einem ausgewachsenen Profos soll man eben nicht wetten. Diego kann meinem Charme einfach nicht widerstehen.“
„Nein, sein Charme ist wirklich umwerfend“, sagte der Wirt. „Er ist auch immer so bescheiden.“
„Richtig“, murmelte Ed. „Wie heißt es doch: Bescheidenheit ist eine Zier, doch weiter kommt man ohne ihr.“
„Was wollt