Also war der Kneipenwirt vorerst abgemeldet. Luis Campos würde jetzt den ganzen Tag hier stehenbleiben, um alles genau zu beobachten. Dann rührte er sich nicht mehr vom Fleck.
Kurze Zeit später verließen drei Männer das Schiff, die sich der Admiral genau betrachtete. Einer sah zum Fürchten aus, der hatte ein wüstes Gesicht mit einem gewaltigen Kinn. Er war genauso ein Riese wie die beiden anderen. Der eine war rothaarig und breit wie ein Schrank. Der dritte war schwarzhaarig, breit und sehnig, mit auffallend blauen Augen. Der Schwarze warf einen Blick über die Menge, die sich um den Zweidecker scharte, und ging mit federnden, elastischen Schritten weiter. Dem Admiral entging auch nicht, daß sie den Serpentinenweg einschlugen:
„Aha, die Señores gehen saufen“, sagte er. „Der Schwarze sieht wie ein Kapitän aus, aber das Kommando über den Zweidecker hat doch wohl die Schwarzhaarige, wie ich annehme. Wie reimt sich das zusammen?“
Darauf wußte auch der Adjutant keine Antwort, und so blieben sie stehen und sahen den drei Männern nach, bis die ihren Blicken entschwanden.
Fast eine Stunde verging, in der sich der Admiral fast vor Sehnsucht verzehrte. Verschwand die Eurasierin einmal aus seinem Blickfeld, dann reckte er schon den Hals und wurde nervös. Kehrte sie wieder an Deck zurück, dann ergötzte er sich wieder an ihrem Anblick und war „aufs äußerste fasziniert“.
Dabei überlegte er immer wieder, wie er es anstellen sollte, das Schiff in seine Gewalt zu bringen.
Weniger problematisch war für ihn, wie er die Frau herumkriegen konnte. Das war ganz einfach, nur mußte sich die Gelegenheit bieten, dicht in ihrer Nähe zu sein. Dann würde er auf seine übliche Tour scharwenzeln, seinen Charme ausspielen und die Dame einwickeln. Sie würde ihm mit Sicherheit nicht widerstehen. So einfach war das, so glaubte jedenfalls der Admiral, und so spann er seinen Faden unaufhörlich weiter, während er alles beobachtete.
Zwei Galgenvögel näherten sich etwas schüchtern. Der eine war Pablo, der einer Ratte ähnelte, der andere war Escola, dem die Nase so traurig im Gesicht hing.
„Na, was hat sich in der Kneipe getan?“ forschte Molino. „Warum seid ihr schon zurück?“
Die beiden sahen ziemlich belemmert drein.
„Da war überhaupt nichts los“, sagte Pablo. „Nur drei Kerle erschienen mit einer langen Liste und bestellten etwas bei dem Wirt.“
Als er die drei Kerle beschrieb, drehte sich der Admiral um und musterte Pablo aus schmalen Augen.
„Aha, die waren es also“, sagte er. „Was bestellten sie denn?“
„Das haben wir leider nicht mitgekriegt, Admiral, weil der Schwarzhaarige mit dem Wirt in der Küche verschwand. Aber Holz wollten sie haben, das habe ich genau gehört.“
„Weiter, weiter“, sagte der Admiral ungeduldig.
„Der Wirt muß das Holz erst besorgen, deshalb wollen sie heute nacht noch im Hafen bleiben.“
„Aha, das heißt also, daß sie morgen früh lossegeln werden. Das Holz werden sie wohl später abholen. Aber warum habt ihr Blödmänner eure Ohren nicht weiter aufgesperrt?“
„Wir wußten ja nicht, daß es wichtig war, Admiral“, sagte Pablo. „Aber wir gingen eigentlich aus einem anderen Grund weg.“
Pablo druckste noch ein bißchen herum, bis Molino ihm energisch gegen das Schienbein trat und ihn somit aufforderte, auch noch den Rest zu erzählen.
„Die beiden anderen Kerle fingen Stunk an. Stunk eigentlich nicht direkt, aber immer wenn wir ein Bier bestellten, soffen es uns die beiden grinsend weg. Der Rothaarige war ja nicht so unfreundlich, aber der andere mit den Narben im Gesicht, der Bordgeistliche, der drohte uns ein bißchen versteckt.“
„Der ist Bordgeistlicher?“ fragte der Admiral fassungslos. „Der mit dem gewaltigen Kinn und der brutalen Visage? Bordgeistlicher soll der sein?“
„Ja, das haben wir genau gehört. Er läßt auch immer Bibelsprüche los, und wer ihm widerspricht, den schlägt er zusammen. Wir wollten aber kein Aufsehen erregen, und so sind wir gegangen.“
„Bordgeistlicher“, wiederholte der Admiral immer hoch fassungslos. „Den Hauklotz muß ich mir nachher genauer ansehen. Wie kann so was denn Bordgeistlicher sein?“
„Vielleicht drischt er ihnen das Evangelium mit den Fäusten ein“, sagte Molino. „So was soll es ja geben, und wenn die Señorita sehr fromm ist, sorgt sie eben für Ordnung an Bord, und jedermann hat ebenfalls fromm und gläubig zu sein.“
Bei dieser Theorie kroch dem Admiral ein kühler Schauer über den Rücken, und er stierte wieder zu der Frau hin. Er konnte sich nicht vorstellen, daß die Lady besonders fromm war, denn sonst hätte sie die rote Bluse ganz sicher hochgeschlossen, abgedichtet und verschalkt getragen, damit niemand einen unzüchtigen Blick riskierte.
Sie brauchten auch nicht mehr lange zu warten, denn nach einer weiteren Viertelstunde kehrten die drei Männer auf dem Serpentinenpfad wieder zurück.
Der Admiral stellte sich so, daß er nicht auffiel, denn nach seiner stutzerhaften und kostbaren Kleidung hatten sich die Neugierigen schon mehrmals umgesehen und ihn dabei auch ganz ungeniert angestarrt. Jetzt und hier aber war es besser, wenn die drei Kerle ihn nicht sahen.
Sie gingen ziemlich dicht vorbei und unterhielten sich. Luis Campos nahm ganz besonders den Bordgeistlichen aufs Korn. Wenn der wirklich ein Hochwürden war, wollte er nicht bei dem an Bord sein. Der sah tatsächlich so aus, als würde er mit dem Alten Testament alle kurz und klein schlagen, die an seinem Wort zweifelten. Schon seine Stimme dröhnte so laut wie die Posaunen von Jericho, und dann hängte er an jeden Satz immer ein „Was, wie“ dran. Ein schöner Hochwürden war das, wenn er seinen Schäfchen das Bier wegsoff.
Nach nochmals einer Stunde, in der der Admiral eisern auf seinem Beobachtungsposten blieb, kamen Maultierkarren den Pfad herunter und fuhren auf die Pier. Dann wurden Fässer, Kisten, Tonnen und Ballen abgeladen, und das alles verschwand im unersättlichen Bauch des düsteren Zweideckers.
Bis zum Abend blieb der Admiral auf der Lauer und sah sich Schiff und Leute an. Das schwarzhaarige Weib Wühlte ihn immer mehr auf und machte ihn geradezu rasend.
Vielleicht sucht sie heute abend die Kneipe auf, dachte er. Dann war der erste Schritt getan.
„Wir ziehen uns jetzt zurück“, sagte er kurz vor Einbruch der kurzen Dämmerung. „Ein Dutzend Kerle kann sich heute an Land austoben, die anderen bleiben auf den Schiffen. Die beiden Kapitäne, die zu meinem Stab gehören, haben ebenfalls wachfrei. Sagt ihnen Bescheid und verschwindet jetzt. Später treffen wir uns in der Kneipe da oben am Berg.“
Pablo und Escola verschwanden, während der Admiral mit seinem Adjutanten den Weg zur Kneipe nahm.
8.
„Was ist denn mit euch Transäcken los?“ fragte Carberry zu diesem Zeitpunkt. „Will denn keiner mit? Sonst könnt ihr doch nicht schnell genug an Land rennen. Ribault ist mit ein paar Männern losgezogen, Siri-Tong ebenfalls, und ihr hockt hier, als ob ihr nicht bis drei zählen könnt.“
Die meisten zogen nicht so richtig oder hatten einfach keine Lust, zu Diego hinaufzugehen.
Der verfressene Paddy Rogers sah interessiert hoch.
„Bei Diego gibt’s doch auch was zu futtern, oder?“
„Na klar, jede Menge. Der haut dir ’nen ganzen Ochsen in die Pfanne, wenn’s sein muß. Und das alles wird mit dem Vormarssegel bezahlt.“
Der Profos sah sich im Kreis der Arwenacks um und grinste voller Vorfreude.
„Wieso mit dem Vormarssegel?“