Seewölfe Paket 22. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954397815
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sich ergehen lassen. Es war deshalb nicht verwunderlich, daß die Dons, die sich vorwiegend auf die Hütten und das Stranddickicht konzentriert hatten, in gewissem Sinne mit Kanonen nach Spatzen schossen. Daß die mühsam errichteten Hütten dabei zu Bruch gegangen waren, beeindruckte die beiden Schiffsmannschaften nicht sonderlich, denn die konnte man notfalls wieder aufbauen.

      Charles Stewart, den gefangenen Kapitän der „Dragon“, hatte man unter Bewachung ins Inselinnere gebracht. Auch die Jollen, die man nach der Versenkung der beiden Schiffe hatte retten können, befanden sich außerhalb des direkten Gefahrenbereichs. Im Grunde genommen waren die Engländer jetzt froh, daß die „Orion“ und die „Dragon“ als Wracks die Buchteinfahrt versperrten oder doch zumindest stark einengten. Gewissermaßen war das ein Vorteil für sie, denn die gesunkenen Schiffe hatten den Spaniern das Manövrieren erschwert und ein Einlaufen in die Bucht verhindert.

      Unter diesen Voraussetzungen hatten die Chancen der Engländer, „ihre“ Insel zu verteidigen, gar nicht so schlecht gestanden, und manch einem von ihnen war ein Grinsen über das Gesicht gehuscht, als das heftige Kanonen- und Drehbassenfeuer der Spanier das Uferdickicht zerrupft hatte. Ja, es war ihnen sogar gelungen, sechs Boote der Dons, die auf der Insel landen wollten, mit gezieltem Musketenfeuer zu durchlöchern. Die Soldaten hatten Mühe gehabt, zu ihren Schiffen zurückzuschwimmen.

      Dann aber war plötzlich dieser Zweidecker aufgetaucht und hatte sich auf die beiden Kriegsgaleonen gestürzt – und das mit durchschlagendem Erfolg. Ja, das gut armierte Schiff war wie der Teufel über die Spanier gekommen, deren Aufmerksamkeit sich voll auf das Stranddickicht konzentriert hatte.

      Innerhalb kurzer Zeit waren die Decks der östlich ankernden Galeone durch das Drehbassenfeuer des Zweideckers leergefegt worden. Dem davorliegenden Kriegsschiff war es noch schlechter ergangen, denn seine Ankertaue waren zerfetzt worden, so daß es achteraus trieb und sich mit schweren Treffern in der hinter ihm ankernden Galeone verfing.

      Obwohl die Engländer für das Geschehen noch keine Erklärung gefunden hatten, waren sie in lautes Beifallsgebrüll ausgebrochen. Am liebsten hätten sie der schwarzhaarigen Frau und ihren Mannen an Bord des Zweideckers vor Begeisterung die Hände geschüttelt. Doch während das düstere Schiff nach seinem Überraschungsangriff nach Westen ablief, hatten sie die aus dem Wasser ragenden Masten der „Orion“ und der „Dragon“ daran erinnert, daß auch sie selber schon auf sehr unliebsame Weise Bekanntschaft mit diesem Schiff geschlossen hatten.

      Marc Corbett, der hinter einem Felsbrocken kauerte, wandte sich an seinen Kapitän.

      „Sir“, sagte er, „was immer diese bemerkenswerte Frau bewogen haben mag, die Spanier anzugreifen – sie hat uns damit zu einer einmaligen Chance verholfen. Ich finde, daß wir diese Chance schleunigst nutzen sollten.“

      „Wie meinen Sie das?“ fragte Sir Edward Tottenham mit einem leichten Stirnrunzeln.

      „Wenn wir jetzt schnell und entschlossen handeln, Sir“, erwiderte Corbett, der die Gunst der Stunde blitzartig erkannt hatte, „müßte es möglich sein, eine der beiden angeschlagenen Galeonen zu entern.“

      „Zu entern?“ Sir Edward warf seinem ersten Offizier einen verwunderten Blick zu. „Wie kommen Sie auf diese Idee, Mister Corbett? Wir sind zwar eine stattliche Anzahl von Männern, aber wir dürfen dennoch nicht vergessen, daß wir es mit zwei gut ausgerüsteten Kriegsschiffen zu tun haben. Ich möchte auf jeden Fall ein Blutvergießen in unseren Reihen vermeiden.“

      „Das ehrt Sie, Sir“, sagte Corbett. „Durch das Eingreifen des Zweideckers hat sich unsere Situation jedoch ganz entscheidend verbessert. Auch unser Musketenfeuer hat die Spanier sicherlich davon überzeugt, daß sie die Insel nicht so einfach überrennen können. Zur Zeit aber sind sie stark mit sich selber beschäftigt. Eine bessere Chance, eine der beiden Galeonen zu entern, wird sich uns nie wieder bieten …“

      „Hm.“ Sir Edward nickte. „Genaugenommen haben Sie recht, Corbett.“ Die Blicke des Kommandanten der gesunkenen „Orion“ schweiften zu den beiden Kriegsgaleonen hinüber, um die es gegenwärtig schlecht bestellt war. Sie waren völlig ineinander verhakt. Die westliche Galeone hing regelrecht an der anderen. Der Zweidecker hatte die Bug- und Heckankertrosse zerschossen, so daß sie bei dem derzeit herrschenden Südwestwind gegen die hinter ihr ankernde Galeone getrieben war. Ihre Backbordseite hing längsseits der Steuerbordseite der anderen. Die Rahen waren ineinander verfangen.

      Außerdem hatte die westliche Galeone bedenkliche Treffer in der Wasserlinie empfangen. Tottenham konnte sich gleich den anderen Männern lebhaft vorstellen, wie dort unter Deck fieberhaft gearbeitet wurde, um die gefährlichen Lecks abzudichten.

      Marc Corbett, dem es unter den Nägeln brannte, riß den Kapitän aus seinen Gedanken.

      „Was werden Sie unternehmen, Sir?“ fragte er voller Ungeduld. „Meiner Meinung nach sollten wir keine Zeit verlieren.“

      Sir Edward Tottenham nickte abermals.

      „In Ordnung, Mister Corbett. Unsere Lage sieht nicht gerade rosig aus, deshalb dürfen wir in der Tat nicht wählerisch sein. Ich denke ebenfalls, daß wir die Gunst der Stunde nutzen sollten. Bitte, veranlassen Sie, daß Mister Gretton die nötigen Instruktionen erhält.“

      Das ließ sich Marc Corbett nicht zweimal sagen. Er beauftragte sofort einen Meldegänger, sich so rasch wie möglich zur Ostseite der Bucht durchzuschlagen, um Arthur Gretton, der sich dort mit einem Teil der „Dragon“-Mannschaft verschanzt hatte, die Entscheidung Tottenhams mitzuteilen.

      Unter der Crew der „Orion“ stieß der Entschluß, eine Galeone zu entern, auf lebhafte Zustimmung. Die Männer wußten zwar, daß dies ein äußerst riskantes Unternehmen war, aber sie waren sich auch darüber im klaren, daß sie eine solche Chance so rasch nicht wieder erhalten würden.

      „Die Boote“, sagte Corbett. „Wir müssen schleunigst die Boote holen und in Strandnähe bringen.“

      „Veranlassen Sie das, Mister Corbett“, sagte Sir Edward. „Aber die Männer sollen vorsichtig sein und die Deckungen gut ausnutzen, damit die Spanier unsere Absicht nicht zu früh erkennen. Außerdem sind wir ohne die Boote aufgeworfen und sitzen bis zum Jüngsten Tag auf dieser Insel fest.“

      Der Erste Offizier brachte die Männer sofort in Bewegung. Jeder hatte inzwischen begriffen, um was es ging, und jeder wußte auch, daß die Jollen das einzige „Kapital“ waren, über das sie verfügten. Sie waren in ihrer derzeitigen Situation mehr wert als zahlreiche Kisten mit Gold und Edelsteinen. Deshalb hatte man die insgesamt acht Boote noch vor dem Beschuß der Dons weiter ins Inselinnere gebracht und dort gut versteckt.

      Das wiederum hatte sich in doppelter Hinsicht als klug erwiesen. Zum einen wären nach dem massiven Angriff höchstens noch Trümmerstücke davon übrig, zum anderen wären die Boote – im Falle einer Landung – den Spaniern in die Hände gefallen. So aber hatten sich die Engländer die Möglichkeit offengehalten, in der Nacht mit den Jollen zu einer anderen Insel überzusetzen.

      Daß sich ihnen jetzt die Chance bot, zu einem weiteren wirksamen Gegenschlag auszuholen, nachdem sie die Landungsboote der Spanier leckgeschossen hatten, stimmte die Mannen zuversichtlich. Schließlich waren sie kein kleines, hilfloses Häuflein, sondern beide Schiffsmannschaften bildeten zusammen eine Kampftruppe von etwa 160 Mann. Und allesamt waren sie rauhe Kämpfer, die zudem noch von der Aussicht beseelt wurden, sich jetzt ein Schiff erobern zu können. Kein Wunder, daß sie kräftig in die Hände spuckten, als sie aufbrachen, um die Jollen aus ihren Verstecken zu holen. Marc Corbett führte die Männer an, während Sir Edward Tottenham vorerst mit einem Beobachtungstrupp hinter den Felsen der Westseite zurückblieb.

       2.

      „Klar zur Wende!“ Die Stimme der Roten Korsarin tönte hell wie eine Schiffsglocke über die Decks der „Caribian Queen“. Ihr langes, pechschwarzes Haar wehte im handigen Südwestwind und ergänzte hervorragend ihre übrige Erscheinung.

      Die schlanke Eurasierin stand auf dem Achterdeck und stützte die Hände in die Hüften. Ihren Mund umspielte