Seewölfe Paket 12. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954395019
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deine Herren Söhne. Stimmt’s, Mister Lederer?“

      „Nun ja“, antwortete der Deutsche. „Die beiden Jungen haben mir voller Stolz erzählt, daß ihr Vater von Königin Elisabeth zum Ritter geschlagen wurde. Darauf können sie in der Tat stolz sein.“

      Hasard winkte ab.

      „Hier an Bord sind wir nicht so förmlich. Reden Sie mich an, wie alle anderen es auch tun. Ich heiße Hasard.“

      Lederer reichte ihm die Hand.

      „Bescheidenheit ist eine Zier, sagt man bei uns.“

      „Ein wahres Wort“, meinte Ben Brighton. „Wir sind gespannt auf Ihren Bericht, Johannes.“

      Der Deutsche lehnte sich an die Schmuckbalustrade. Einen Moment blickte er gedankenverloren zum Strand hinüber, wo der Profos und die anderen ihre traurige Arbeit verrichteten. Dann wandte er sich wieder den beiden Männern zu.

      „Ich kann es noch immer nicht ganz begreifen, daß ich es überlebt habe. Dabei habe ich ein schlechtes Gewissen, wenn ich mir vorstelle, wie es meinen Freunden ergeht.“

      Der Seewolf schüttelte energisch den Kopf.

      „Die Sache sieht etwas anders aus. Ihre Freunde müssen froh sein, daß Sie fliehen konnten. Andernfalls könnten sie im Kerker verrecken, und kein Mensch würde es jemals erfahren.“

      „Sicher, das sage ich mir auch. Von der Vernunft her ist das unbedingt richtig. Aber manchmal sind die Gefühle stärker, und dann denke ich, ich würde mich wohler fühlen, wenn ich alle Schwierigkeiten gemeinsam mit meinen Kameraden durchstehen würde.“

      Hasard nickte bedächtig. Schon in der Miene dieses aufrechten Mannes las er, daß dieser jedes Wort so meinte, wie er es sagte. Es gab nicht einen Hauch von Unehrlichkeit an Johannes Lederer. Hasard dachte an seinen eigenen Vater, der gleichfalls Deutscher gewesen war. Nach allem, was er gehört hatte, mußte sein Vater ein Mann von ebenso ehrenhaftem Schlag gewesen sein wie der Gast an Bord der „Isabella“. Vielleicht waren derartige Wesenszüge eine Tugend, die die Deutschen ganz allgemein auszeichnete.

      „Wie war das?“ fragte der Seewolf. „Befanden Sie sich mit Ihren Gefährten bereits auf dem Weg ins Landesinnere, als Sie von den Spaniern überrascht wurden?“

      „So war es. Wir hatten unseren Stützpunkt nordwestlich von Punta Peñas verlassen, und nach einem knappen Tagesmarsch wurden wir von einem Trupp spanischer Soldaten gestellt. Wir haben natürlich keinen Widerstand geleistet, denn wir glaubten, daß es sich um einen Irrtum handele, der sich rasch aufklären würde, zumal unser Stützpunkt noch nie offen angegriffen wurde. Dabei wäre es den Spaniern ein leichtes, ihn dem Erdboden gleichzumachen. Sie haben aber offiziell nicht erklärt, daß sie den Vertrag von fünfzehnhundertachtundzwanzig für ungültig halten.“

      „Das kann ich mir gut vorstellen“, sagte Hasard lächelnd, „denn damit würden sie ernsthafte Probleme heraufbeschwören. Heimlich still und leise geht es besser. Es dürften Jahre vergehen, bis Berichte von Überfällen auf deutsche Expeditionen bis nach Europa gelangen.“

      „Allerdings“, sagte Johannes Lederer grimmig. „Nur in diesem Fall werde ich ihnen einen Strich durch die Rechnung machen. Sie haben sich unsere gesamte Ausrüstung unter den Nagel gerissen, ganz zu schweigen davon, daß sie uns an der Ausübung unseres vertragsmäßigen Rechts hinderten. Unser Protest hat nämlich nicht das geringste genutzt. Sie haben meine Freunde in die Festung Macuro verschleppt. Das ist eine neue Ansiedlung direkt am Drachensund.“

      Ben Brighton wechselte einen Blick mit dem Seewolf, und Hasard wußte genau, was sein Erster dachte.

      „Keine Sorge, Ben“, sagte er deshalb, „wir werden nichts riskieren, was wir nicht im voraus kalkulieren können.“

      „Wie meinen Sie das?“ fragte Lederer. „Wollen Sie damit etwa andeuten …“

      „Genau das“, knurrte Ben Brighton, „Philip Hasard Killigrew wäre nicht der Seewolf, wenn er die Gelegenheit nicht nutzen würde, um den Dons ein wenig Feuer unter dem Hintern zu machen.“

      „Nur, wenn es gute Gründe gibt“, sagte Hasard gedehnt, „und danach sieht es fast aus.“

      Johannes Lederers Augen begannen zu leuchten.

      „Vielleicht kann ich Ihnen noch einen zusätzlichen Grund liefern. Nach unserer Ankunft in Venezuela haben wir gehört, daß in letzter Zeit etliche Silbertransporte in Macuro eingetroffen sein sollen. Wir haben unsere Informanten unter den Eingeborenen, müssen Sie wissen. Es ist damit zu rechnen, daß die Silbervorräte von Macuro in Kürze nach Spanien verschifft werden sollen.“

      „Ich kann deine Gedanken regelrecht lesen“, sagte Ben Brighton, wobei er den Seewolf forschend musterte.

      Hasard gab sich einen Ruck.

      „Wir haben mehrere Gründe für einen Angriff auf Macuro. Erstens könnten wir den Drachensund vermutlich sowieso nicht passieren, ohne mit den Dons aneinanderzugeraten. Zweitens handelt es sich um die Deutschen, die dort unrechtmäßig festgehalten werden. Und drittens wäre es in unser aller Interesse, ihnen die Silbervorräte abzuknöpfen – falls vorhanden.“

      „Phantastisch!“ rief Johannes Lederer begeistert. „Nicht im Traum hätte ich damit gerechnet, daß sich die Dinge so wenden würden!“

      Der Seewolf blickte ihn ernst an.

      „Es wird alles andere als ein Vergnügen, Johannes. Was ich von Ihnen brauche, sind alle Informationen, die Sie über die Festung Macuro haben.“

      5.

      Mit langen Schatten begleitete die tiefstehende Sonne den mühevollen Weg der Galeerensklaven von Macuro. Gebeugt von mörderischer Arbeit, schlurften sie über die Holzplanken der Anleger, und die Ketten erschienen ihnen wie eine kaum noch zu bewältigende Last.

      Die uniformierten Bewacher gaben sich nicht mehr die Mühe, sie noch mit Hieben und Stößen voranzutreiben. Jeder der Soldaten wußte, daß es keinen Sinn gehabt hätte. Ein nur mäßiger Schlag hätte schon genügt, um diese geschundenen Männer von den Beinen zu fegen.

      Auch Gerhard von Echten spürte jeden einzelnen Knochen im Leib. Äußerlich unterschied er sich durch nichts von den anderen. Krumm und schleppend bewegte er sich vorwärts, diesmal an der Spitze der Gefangenenformation, da sie das Schiff in umgekehrter Reihenfolge verlassen hatten.

      Sie erreichten den schmutziggelben Strand, und jeder einzelne Schritt wurde ihnen nun eine noch größere Last. Lediglich Gerhard von Echten verfügte noch über eine letzte Reserve. Vielleicht lag es an seiner Zähigkeit, daß es ihm gelungen war, seine Kräfte einzuteilen. Möglicherweise war es auch seine unbändige Willenskraft gewesen, die ihm dabei geholfen hatte. Die stundenlange Riemenarbeit an Bord der „Virgen de Murcia“ hatte er überstanden, ohne vollends zu zerbrechen.

      Seine Gefährten waren dagegen ebenso ausgelaugt wie die Indios. Auch Sigmund Haberdings Atem ging rasselnd und schwer, und es schmerzte von Echten, den Freund so ausgepumpt zu sehen.

      Die Palisaden mit den Batterietürmen erhoben sich drohend vor ihnen und warfen schwarze Schatten auf den Sand. In der Werft abseits des Hafens war Stille eingekehrt, auch von der Pfahlbausiedlung der Eingeborenen drangen keine Geräusche mehr herüber. Capitán Gutiérrez und seine Begleiter befanden sich jetzt vermutlich schon in einem ihrer gemütlichen Salons oder daheim bei ihren Familien. Bei der Ankunft in Macuro hatte Gerhard von Echten gesehen, daß es eine Reihe von einzelnen Wohnhäusern für die Offiziere und ihre Angehörigen gab.

      Soldaten öffneten das Tor zwischen den beiden vorderen Batterietürmen. Es bewegte sich knarrend in seinen großen Angeln.

      Das weite Areal der Festungsanlage dehnte sich im Blickfeld der Ruderknechte. Von Echten erschien der Appellplatz größer, als er ihn in Erinnerung hatte. Die Baracken, in denen die einfachen Soldaten hausten, erstreckten sich unüberschaubar weit, bis in die Schlagschatten am jenseitigen Ende der Festung. Irgendwo dort befanden sich die