Seewölfe Paket 12. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954395019
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Riemen von gut zwölf Yards Länge zu bewegen.

      Jetzt ertönten wieder die barschen Befehle der Soldaten, als sie die Gefangenen auf die freien Ruderbänke scheuchten. Von der sehr flach gebauten Back löste sich eine Gestalt, bei deren Anblick die Indios sofort die Köpfe tiefer zogen.

      Ein Schauer lief Gerhard von Echten über den Rücken, als er den Kerl sah. Ein Riese von Statur, sowohl in seiner Körpergröße als auch in seiner Breite. Mindestens zwei Zentner Lebendgewicht schleppte der Bursche mit sich herum. Außer einer Leinenhose mit breitem Gurt über dem mächtigen Bauch war er unbekleidet. Kleine tückische Augen funkelten in seinem feisten Gesicht. Sein Kahlkopf leuchtete in der Sonne. Da er eine schwere Lederpeitsche in der Rechten trug, bestand kein Zweifel über die Aufgabe, die dieser Koloß an Bord der „Virgen de Murcia“ zu erfüllen hatte.

      Er watschelte mit beträchtlicher Geschwindigkeit über den Plankengang heran, der sich von der Back bis zum Achterdeck in erhöhter Position zwischen den Ruderbänken entlangzog.

      Einige der Gefangenen verhedderten sich in ihren Ketten, als sie von den Soldaten auf die Bänke gestoßen wurden.

      Gerhard von Echten hielt den Atem an. Er wußte, was jetzt folgte.

      Der kahlköpfige Stockmeister stieß einen heiseren Wutschrei aus. Mit einem letzten Satz, der seine Körpermassen erbeben ließ, war er zur Stelle. Die geflochtene Lederschnur der Peitsche zischte nieder. Ein scharfer, klatschender Laut folgte.

      Der Getroffene, der zwischen den Bänken gestrauchelt war, schrie schmerzerfüllt auf. Er stürzte gegen die Indios auf der Bank davor, doch die braunhäutigen Männer rührten sich nicht und wagten nicht, ihm aufzuhelfen.

      Noch zweimal schlug der Stockmeister zu. Abermals gellten Schrei, als zwei weitere Männer getroffen wurden, die nicht sofort den rechten Platz auf ihrer Bank gefunden hatten.

      Gerhard von Echten empfand ohnmächtige Wut, die wie eine brennende Woge in ihm aufstieg. Der Anblick des kahlköpfigen Fettwanstes, der breitbeinig auf dem Plankengang lauerte, brachte seinen Zorn fast zum Überkochen. Von Echten mußte alle Willenskraft aufwenden, um sich zu beherrschen. Er folgte Sigmund Haberding und den anderen, die sich wieder in Bewegung setzten.

      Der Zufall wollte es, daß Haberding und von Echten ihren Platz nebeneinander auf der letzten Bank an Steuerbord zugewiesen erhielten. Sie mußten den Kopf weit in den Nacken legen, wenn sie zu der Schmuckbalustrade aufblicken wollten, die die Plattform unter dem Sonnendach begrenzte. Gerhard von Echten war Vormann auf seiner Bank, saß also direkt am Plankengang und würde später den Takt vorzugeben haben, wenn die Schinderei begann.

      Die Spanier ahnten offenbar nicht, daß Sigmund Haberding sein Stellvertreter war. Äußerlich war Haberding nicht das, was man einen auffälligen Menschen nennen konnte. Dunkelblond, mittelgroß und von schmaler Statur, schien er alles andere als ein harter Kämpfer zu sein. Doch dieser Eindruck trog.

      Gerhard von Echten hatte in seinem Leben nur wenige Leute kennengelernt, die Intelligenz und körperliche Kraft und Gewandtheit gleichermaßen hatten. Sigmund Haberding, Baumeister und Landvermesser von Beruf, gehörte zu dieser seltenen Spezies. Bei der Planung der Venezuela-Expedition hatte er keine Eventualitäten außer acht gelassen. Die Gruppe unter Gerhard von Echten war dank der Leistung seines Stellvertreters exzellent ausgerüstet gewesen und hätte monatelang ohne fremde Hilfe im unwegsamsten Dschungel aushalten können. Nur eins hatte niemand einplanen können: jene unliebsame Konfrontation mit den Spaniern, die sie wie ein Blitz aus heiterem Himmel getroffen hatte.

      Der Sargento und sein Bewachungskommando blieben unter dem Sonnendach des Achterdecks. Eine andere Gruppe von Soldaten, die offenbar zur Schiffsbesatzung gehörten, eilte von der Back her auf die neuen Ruderknechte zu. Sie schleppten Ringe und Eisenstangen heran, mittels derer die Fußketten der Gefangenen an den Stützleisten vor den Bänken befestigt wurden. Die Handketten wurden unlösbar mit den Griffstücken der schweren Riemen verbunden. Unlösbar jedenfalls für die Gefangenen, weil die Augbolzen mit dem Hammer festgeschlagen wurden und später nur mit einer Zange herausgezogen werden konnten.

      Der Stockmeister wartete geduldig, bis die Soldaten ihre Arbeit verrichtet hatten und sich wieder auf die Back begaben. Sie verfügten dort ebenfalls über ein Sonnendach aus Segeltuch, das auf einer Firststange ruhte. Letztere lag in einer Halterung am Fockmast und auf einer Traverse vor dem Galionssporn.

      Im Gegensatz zu den kleineren Galeeren hatte die „Virgen de Murcia“ zwei Masten, an denen Rahsegel gefahren wurden. Dieses war unüblich, denn die Galeeren, die Gerhard von Echten aus dem Mittelmeerraum kannte, verwendeten ausnahmslos Lateinersegel. Möglicherweise hatten sich die Baumeister dieser Prunkgaleere aber für die Rahbesegelung entschieden, weil sie für die bisweilen auftretenden tückischen Stürme im Golf von Paria besser geeignet waren.

      Überhaupt mußten die hier stationierten Galeeren in Venezuela gebaut worden sein, denn eine Überquerung des Atlantiks war mit Schiffen dieser Art ein allzu waghalsiges Unterfangen. Das Armierungssystem der Galeere war so überholt wie der Schiffstyp selbst. Auf einer Plattform am Bug ruhte ein überschwerer Mörser. Außerdem gab es vier Drehbassen, je zwei vorn und achtern an Backbord und Steuerbord. Den Rest an Feuerkraft hatte die Schiffsbesatzung mit Musketen und Armbrüsten zu bewerkstelligen.

      Nach Meinung der Spanier waren Galeeren aber wegen ihrer Wendigkeit und ihres geringen Tiefgangs für Einsätze in Küstennähe noch immer am besten geeignet. Gegner dieser Ansicht behaupteten indessen, daß Galeeren heutzutage bestenfalls noch gut dafür waren, größere Segelschiffe bei ungünstigem Wind in den Hafen zu schleppen. Dieselben Gegner wiesen auch darauf hin, daß eine Galeere gegen ein Kriegsschiff unter Segeln nur dann eine Chance hatte, wenn es ihr gelang, vier Strich von achtern heranzurudern. Nur dadurch gelangte sie in den toten Winkel der feindlichen Bordgeschütze, und das wiederum war meist nur bei einer Flaute möglich.

      Das heisere Organ des Stockmeisters störte Gerhard von Echten in seinen Gedanken.

      „Herhören, ihr verdammten Hunde! Ihr habt ab sofort die Ehre, eins der prächtigsten Schiffe im Golf von Paria rudern zu dürfen. Wer sich dieser Ehre unwürdig erweisen sollte, kriegt die Peitsche zu schmecken. Ist das klar?“ Der feiste Kahlkopf blickte mit seinen schmalen kleinen Augen in die Runde. Er nickte zufrieden, als niemand es wagte, einen Laut von sich zu geben. Dann fuhr er fort: „Ich werde euch jetzt zeigen, was ihr zu tun habt. Und gnade euch Gott, wenn das nachher nicht klappt! Wir haben nämlich Order für eine Inspektionsfahrt nach Punta Peñas. He, du!“ Er wandte sich zur Seite und stieß einem der Indios mit dem Peitschenstiel gegen die Schulter. „Hoch mit dir! Zeig den Neuen, wie man pullt!“

      Der Eingeborene sprang von seiner Ruderbank auf und packte den Riemen, der wie alle anderen in Ruhestellung arretiert war. Seine beiden Nebenmänner mußten dem Beispiel folgen, denn die drei Riemen einer Bank ließen sich nur gleichzeitig bewegen.

      „Aufpassen jetzt!“ brüllte der Stockmeister. „Seht genau her, ihr Mistkerle! Wir fangen an mit dem ersten Takt. Der Vormann steht als erster auf, und die beiden anderen folgen ihm jeweils einen Moment später. Den richtigen Zeitabstand kriegt ihr von selbst raus, wenn ihr erst mal angefangen habt. So! Und jetzt …“ Er deutete auf den Indio, der nach seinen Worten die entsprechenden Bewegungen vollführte. „… einen Schritt vor, rechten Fuß auf die Fußraste und – fallen lassen!“

      Der Indio sackte zurück auf seine Bank.

      „Damit ihr’s kapiert“, blaffte der Kahlkopf, „durch diesen Bewegungsablauf taucht das Riemenblatt mit einer kurvenförmigen Linie ins Wasser. Weshalb das wichtig ist, braucht ihr nicht zu wissen.“

      „Bestmögliche Ausnutzung der Hebelwirkung“, flüsterte Sigmund Haberding.

      Gerhard von Echten nickte kaum merklich.

      „Sei still!“ zischte er, ohne den Stockmeister aus den Augen zu lassen. Dieser hatte zum Glück nichts bemerkt. Es war sinnlos, wenn sie sich von Peitschenhieben traktieren und dadurch ihre Kraftreserven schmälern ließen. Denn ihre Energie würde rasch dahingeschmolzen sein. Wenn es aber irgendwann eine Chance für sie geben sollte, dann brauchten sie wenigstens ein Mindestmaß an Stehvermögen.

      „Jetzt