Seewölfe Paket 12. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954395019
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wenn sie ohne Segel gegen Wind und Seegang zu rudern hatten.

      Doch die Schwierigkeiten sollten ihnen schon bald aus einer völlig anderen Richtung drohen. Nachdem sie geraume Zeit ihre Riemenarbeit in unverändertem Gleichklang geleistet hatten, setzten unvermittelt Böen ein. Anfangs vereinzelt, doch dann zunehmend häufiger begann das Segeltuch zu schlagen. Noch trübte kein Wolkenfetzen den Himmel, aber der Golf von Paria kündigte seine Tücken an. Die Decksleute wurden an die Brassen gescheucht. Es half jedoch wenig. Zu oft änderte der Wind jetzt seine Richtung.

      Die See wurde kabbelig. Schatten schienen mit den Böen über die Wasseroberfläche zu huschen. Noch lag die mächtige Galeere ruhig im Wellengang, doch häufig schnitten die Riemenblätter jetzt durch die Luft, statt ins Wasser zu tauchen.

      Gerhard von Echten und seine Männer hatten Mühe, nicht aus dem Takt zu geraten. Es zeigte sich, daß die Indios über mehr Erfahrung verfügten. Sie verstanden es, sofort auf den etwa fehlenden Gegendruck zu reagieren und ihre Muskelkraft entsprechend zu bremsen.

      Das Unvermeidliche geschah auf einer der Backbordbänke.

      Der Vormann und sein Nachbar verloren das Gleichgewicht, als ihre Riemen durch leeren Raum wischten. Vergeblich versuchten sie, sich rechtzeitig abzustützen. Eine Kettenreaktion war die Folge. Mit schmetternden Geräuschen verhedderten sich die Riemen der achteren Bänke an Backbord zu einem hölzernen Salat.

      Die Decksleute stießen wütende Schreie aus. Unter dem Sonnendach der Heckplattform wurden barsche Befehle laut. Der Stockmeister war eilends zur Stelle und ließ seine Peitsche auf die unglückseligen Ruderknechte niedersausen. Doch es half alles nichts.

      Die „Virgen de Murcia“ lief aus dem Ruder und begann zu stampfen.

      „Verfluchte Hundesöhne!“ schrie der Stockmeister mit sich überschlagender Stimme. „Hoch die Riemen!“

      Das Kommando war wie eine Erlösung. Außenbords flogen die Riemen empor, von den Ruderknechten in Ruhestellung gekantet. Von weitem sah die Galeere jetzt aus wie ein großes Insekt mit feingliedrigen, rechteckigen Flügeln. Die Decksleute arbeiteten fieberhaft an den Brassen, und im nächsten Moment standen die Segel wieder prall vor dem Wind.

      Capitán Gutiérrez schob sich mit zornrotem Gesicht an die Schmuckbalustrade. Er stützte sich mit den Händen auf, um sein Gleichgewicht zu halten.

      „Stockmeister!“ brüllte er.

      Der Kahlköpfige verneigte sich eilfertig.

      „Si, mi capitán?“

      „Wer waren die Bastarde?“

      Wortlos deutete der Stockmeister auf die Bänke der Deutschen an Backbord.

      „Ich habe den Verdacht“, sagte Gutiérrez gefährlich leise, „daß sie es absichtlich getan haben, um mich zu ärgern. Jeder von ihnen soll fünf Peitschenhiebe erhalten, damit sie sich solche Dreistigkeiten in Zukunft nicht mehr erlauben!“

      „Si, mi capitán!“ schnarrte der kahlköpfige Koloß, und mit fettem Grinsen wandte er sich zur Seite.

      Gerhard von Echten schloß die Augen, als die Peitschenschnur zischend herabsauste und auf die ungeschützten Rücken der Männer klatschte. Bei den ersten Hieben bissen sie noch die Zähne zusammen, doch dann konnten sie ihre Schreie nicht mehr unterdrücken.

      Gerhard von Echten mochte die Demütigung seiner Männer nicht mit ansehen. Dabei hatte er die vage Ahnung, daß dies nur ein Anfang der Qualen war, die ihnen noch bevorstanden.

      4.

      „Profos!“

      „Sir?“ Edwin Carberry ließ die Männer allein, die damit beschäftigt waren, die gefüllten Wasserfässer in den Laderaum abzufieren. Nach dem Zwischenfall am Strand hatten sie nicht lange suchen müssen, um eine geeignete Wasserstelle zu finden.

      „Nimm zehn Mann mit, Ed, und begrabt die Toten. Vergeßt die Musketen nicht.“

      „Denkst du etwa, da laufen noch mehr von diesen verfluchten spanischen Affenärschen herum?“ Carberry reckte sein Rammkinn vor.

      Der Seewolf zog die Schultern hoch.

      „Unser deutscher Freund ist überzeugt, daß es keine weiteren Verfolger gibt. Aber man soll seiner Sache nie zu sicher sein.“

      „Aye, aye, Sir. Wenn noch so eine Horde von lausigen Philipps aufkreuzt, werden wir ihnen ein Feuerchen unter dem Hintern entfachen. Und zwar gewaltig! Ho, die werden denken, sie seien mitten im Kombüsenfeuer des Gehörnten gelandet!“ Der Profos bekräftigte seine Prophezeiung mit einem grimmigen Nicken und stapfte zu den Männern zurück.

      Hasard drehte sich um. Vor dem Niedergang zum Achterdeck hatte der Kutscher einen provisorischen Behandlungstisch aufgebaut. Seine Instrumente lagen auf einem weißen Tuch. Die Zwillinge hatten heißes Wasser in einer Pütz herangeschleppt, die auf einem Schemel stand. Voller Eifer besorgten die Söhne des Seewolfs alle kleinen Handreichungen für den schmalbrüstigen, dunkelblonden Mann. Dabei fühlten sie sich allem Anschein nach wie die Gehilfen eines großen Doktors.

      Johannes Lederer hockte mit schmerzverzerrtem Gesicht inmitten dieser Hilfsbereitschaft. Er hatte die Streifschußwunde an der rechten Schulter mit einer Handbewegung abtun wollen. Aber damit hatte er bei dem Kutscher auf Granit gebissen.

      Ben Brighton, Hasards breitschultriger Stellvertreter, lehnte an der Schmuckbalustrade des Achterkastells und blickte schmunzelnd auf die Prozedur hinunter.

      „Einen Moment müssen Sie noch aushalten, Sir“, sagte der Kutscher, dessen richtigen Namen niemand kannte. Bei Sir Anthony Freemont, einem Arzt in Plymouth, war er Kutscher gewesen, und fortan hatte er sich so nennen lassen. An Bord der „Isabella“ versah er die Aufgaben des Kochs und des Feldschers.

      „Lieber noch zwei Streifschüsse als eine solche Behandlung!“ stöhnte Lederer, der leidliches Englisch sprach. Letztere Kenntnisse rührten aus jener kurzen Zeit her, die er während der Venezuela-Expeditionen an Bord von Segelschiffen verbracht hatte. Decksleute aus angelsächsischen Breiten fuhren auf allen Schiffen dieser Welt.

      „Bitte, Sir, Sie müssen schon stillhalten“, forderte der Kutscher eindringlich. Mit leichter Hand bewegte er die Holzstäbchen mit den Wolltupfern, die zuvor im kochenden Wasser gereinigt worden waren.

      Lederer verzog das Gesicht zu einer gequälten Grimasse, als der Feldscher der „Isabella“ die letzten festgetrockneten Stoffasern des zerrissenen Hemds aus der offenen Wunde entfernte.

      „Wenn es nach unserem Kutscher ginge“, meinte Ben Brighton grinsend, „müßten wir jeden Tag mindestens ein halbes Dutzend Verletzte an Bord haben. Er ist mal wieder ganz in seinem Element.“

      „Ich hoffe, Sie fühlen sich nicht als eine Art Versuchskaninchen, Mister Lederer“, wandte sich der Seewolf an den Deutschen.

      Der Kutscher hob empört den Kopf.

      „Ich muß doch sehr bitten, Sir. Ich habe niemals behauptet, daß mein medizinisches Wissen allumfassend ist. Aber für eine einfache Wundbehandlung reicht es wahrhaftig aus. Was Mister Brightons Bemerkung betrifft, so möchte ich dem entgegenhalten, daß ich meine Arbeit nicht aus Leidenschaft, sondern allein aus der Notwendigkeit heraus verrichte. Ich denke, es ist nicht angebracht, mich mit einem Quacksalber auf eine Stufe zu stellen.“

      Ben Brighton hob die Hände und ließ sie wieder fallen.

      „Ich bitte vielmals um Entschuldigung, Mister Feldscher. Auf die Füße treten wollte ich dir nun wirklich nicht.“

      Der Kutscher brummte Unverständliches und fuhr mit seiner Behandlung fort.

      Hasard warf einen Blick zu seinem Ersten Offizier und nickte beschwichtigend. Ben war ein Mann, der meist nicht viele Worte verlor. Ließ er sich doch einmal zu einer lässigen Bemerkung hinreißen, wie jetzt, dann trat er auch noch ins Fettnäpfchen. Der Seewolf klopfte dem Kutscher auf die Schulter.

      „Niemand