Ed Carberry und Ferris Tucker hatten sich blitzschnell Musketen gegriffen und lagen flach, die Stiefel noch im seichten Wasser. Hasard schwang sich mit einem Satz nach außenbords und landete im kniehohen Wasser, mit Deckung hinter dem Spiegel des Bootes. Bob Grey und Sam Roskill lagen auf den Bodenplanken der Jolle und brachten ihre Musketen in Anschlag.
Hasard zog seinen Radschloßdrehling. Die schwere Waffe war mit einem Bündel von sechs Läufen ausgestattet, auf einer Achse drehbar gelagert.
Der Fliehende warf sich jetzt herum und brachte seine Pistole in Anschlag.
„Feuerschutz!“ rief der Seewolf. Noch während er die letzte Silbe hervorstieß, schnellte er los.
Die Musketen seiner Männer krachten ohrenbetäubend.
Batuti und Dan O’Flynn hatten das schützende Dickicht erreicht.
Der Mann auf dem Strand drückte ab, doch seine Pistole gab nicht mehr als ein Klicken von sich.
Das Feuer der Verfolger war verstummt.
Wieder krachten zwei Schüsse vom Beiboot her. Die Musketen waren jetzt abgefeuert. Blieben noch die Pistolen von Ed Carberry, Ferris Tukker, Bob Grey und Sam Roskill.
Hasard stürmte an dem Mann vorbei, der in fliegender Hast den zweiten Hahn seiner doppelläufigen Kurzwaffe spannte.
„In Deckung!“ brüllte der Seewolf. „Hinter das Boot!“
Aus den Augenwinkeln heraus sah er noch, wie ihn der Mann entgeistert anstarrte.
Dann krachten die Pistolen. Hasard konnte sich nicht mehr um den Verfolgten kümmern. Ihm blieben nur noch Sekunden, um das Dickicht zu erreichen. So lange, wie seine Männer den Feuerschutz aufrechterhalten konnten. Mit den kurzläufigen Waffen brachten sie auf die Entfernung zwar keine gezielten Schüsse zustande, aber es genügte immerhin, um die Gegner in Dekkung zu halten.
Nur noch fünf oder sechs Schritte trennten den Seewolf vom Unterholz, rechter Hand von der Stelle, an der die Pulverwolken hervorgequollen waren. Das Feuer seiner Männer verstummte.
Im Dickicht entstand Bewegung. Die Kerle, die dort lauerten, wußten sehr gut, wieviel Zeit man zum Nachladen einer einschüssigen Vorderladerwaffe brauchte.
Ed Carberry, Ferris Tucker und die beiden anderen nahmen sich diese Zeit nicht. Mit Gebrüll stürmten sie los, den Strand herauf.
Mit einem letzten Satz erreichte Hasard eine mehr als mannshohe Mangrovenwurzel. Zehn Schritte entfernt, zur Linken, blinkte heller Stahl im Sonnenlicht. Hasard wirbelte herum und riß den Drehling zum Beidhandanschlag hoch. Aus der Bewegung heraus spannte er den Hahn, zog durch, und der Flint sprühte Funken auf dem Reibrad.
Er war um die Zeitspanne schneller, die die Funken brauchten, um das Zündkraut zu erreichen. Während die Pulverfahne mit hellem Zischen emporstieg, sah Hasard den Helm und den Brustpanzer. Das Laufbündel lag in der Visierlinie, und einen Sekundenbruchteil nach dem Fauchen des Zündkrauts wummerte der Schuß.
Der Spanier hatte es noch geschafft, seine Pistole in Anschlag zu bringen. Aber die Kugel, die sich löste, zirpte in den azurblauen Himmel. Der Mann kippte zur Seite weg und rollte auf den Strand hinaus, wo er reglos liegenblieb.
Schüsse krachten jetzt aus dem Inneren des Dschungels.
Batuti und Dan O’Flynn!
Ein grimmiges Lächeln spielte um die Lippen des Seewolfs. Er verließ seine Deckung.
Edwin Carberry und die anderen waren fast heran. Der Fremde hatte sich ihnen angeschlossen und hielt ein furchterregend großes Haumesser in der Rechten.
Im Unterholz wurde es lebendig. Batuti und der junge O’Flynn scheuchten die Dons erbarmungslos aus ihrem Hinterhalt. Welche Motive die Spanier auch immer bewegten, für Philip Hasard Killigrew lag die Schlußfolgerung auf der Hand. Wer eine halbe Armee losschickte, um einen einzelnen Mann zu verfolgen, der hatte keine lauteren Absichten.
Sie hatten noch ihre Pistolen.
Drei Mann lösten sich gleichzeitig aus dem Dickicht.
„Achtung!“ brüllte der Seewolf und hatte den Drehling schon im Anschlag.
Augenblicklich lagen Carberry und die anderen flach.
Das Wummern des Drehlings vermischte sich mit den helleren Pistolenschüssen der Spanier. Ihre Kugeln fauchten bedrohlich nahe über die am Boden Liegenden weg und rissen kurz vor dem Uferwasser Sandfontänen hoch. Doch die Schüsse des Seewolfs trafen mit erbarmungsloser Präzision. Die drei Spanier schafften es nicht mehr, ihre Säbel herauszureißen und den Kampf fortzusetzen. Aus dem Dickicht ertönten jetzt wildes Gebrüll, Kampfeslärm, Kommandos auf spanisch und das helle Klirren von Stahl, der auf Stahl prallte.
Hasard brauchte seinen Männern keine Zeichen zu geben. Sie waren bereits auf den Beinen. Gemeinsam mit ihm drangen sie in das Unterholz vor. Der Seewolf schob seinen Drehling unter den Gurt und zog den Cutlass. Hier, wo es kein übersichtliches Schußfeld gab, waren Pulver und Blei nicht viel wert.
Im Handumdrehen erfaßten sie die Lage.
Fünf Spanier waren es noch, die auf einer winzigen Lichtung auf Batuti und Dan O’Flynn eindrangen. Angesichts der drohend blitzenden Säbelklingen war deutlich, daß die beiden sich ihrer Haut nicht mehr lange erwehren konnten.
Hasard war als erster auf der Lichtung, sprang über zwei Spanier weg, die reglos am Boden lagen, und stieß den Cutlass hoch.
„Ar – we – nack!“ brüllte er mit Donnerstimme, und die anderen fielen mit ein.
„Ar – we – nack!“ Der alte Kampfruf derer von der Feste Arwenack in Cornwall hallte grollend durch den Dschungel und übertönte die kreischenden und zeternden Tierstimmen.
Die Spanier wirbelten herum, und ihre rasch aufgebaute Kampfformation, auf nur zwei Gegner abgestimmt, geriet in Unordnung. Einer von ihnen, ein Riese von Kerl, der die Rangabzeichen eines Teniente trug, stürmte mit heiserem Angriffsschrei auf den Seewolf los.
Hasard ließ ihn heran, parierte mit eiskalter Ruhe, und dann prallten die Klingen hell klirrend aufeinander. Aus den Augenwinkeln heraus sah Hasard, wie der Fremde sein Haumesser schleuderte. Einer der Spanier, der sich zu weit von den anderen weggewagt hatte, sank mit gurgelndem Laut zu Boden.
Nur noch Minuten währte der verbissene Kampf. Ein unsicherer Schritt seines Gegners gab dem Seewolf die Gelegenheit, blitzschnell zu reagieren. Er unterlief den neuerlichen Angriff, und die Klinge seines Cutlass flirrte schräg von oben nieder.
Jähe Stille kehrte ein, und für den Moment war auch die Lärmkulisse des Dschungels verstummt.
Hasard schob seinen Säbel zurück in die Scheide. Die Bewegung, mit der er es tat, hatte etwas Endgültiges. Es gab hier nichts mehr zu tun. Der Kampf war hart und grausam gewesen, doch sie hatten keine andere Wahl gehabt. Sie wußten, was ihnen geblüht hätte, wenn nur einer von ihnen den Spaniern in die Hände gefallen wäre.
Die Seewölfe wandten sich ab und nahmen den Mann in ihre Mitte, der ihnen sein Leben verdankte.
3.
Der Hafen der Festung Macuro bestand aus Pfählen. Hunderte von ihnen, vielleicht mehr als tausend, waren in den weichen Grund gerammt worden, damit sie die Bretter trugen, aus denen Stege, Anleger und Plattformen zusammengezimmert worden waren.
Bereitwillig hatten die Spanier das Verfahren der Eingeborenen übernommen, die ihre Hütten vor der Mangrovenküste bauten. Eine solche Pfahlbausiedlung grenzte unmittelbar westlich an den Hafen von Macuro. Zwischen dem Gewirr der algenbewachsenen Pfähle lagen flache Einbäume, und aus den Eingängen der Hütten starrten braunhäutige Menschen herüber, die das Geschehen in stumpfer Apathie verfolgten.
Jene