Schwertmeister der Magie: Drei Fantasy Sagas auf 2500 Seiten. Alfred Bekker. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Alfred Bekker
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Историческая фантастика
Год издания: 0
isbn: 9783745214710
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war der Sinn der Sache, Gorian“, antwortete er dann. „Jeder sollte denken, dass ich nicht mehr am Leben wäre – vor allem Hochmeister Aberian. Nur so hatte ich die Möglichkeit, ihn bei seinem Treiben auf frischer Tat zu ertappen. Aber ich kam zu spät. Wahrscheinlich war das Blatt ohnehin nicht mehr zu wenden.“

      Am nächsten Morgen überschritten sie den gefrorenen Gont und zogen dann tagelang durch die Wildnis des Estlinger Landes. Der Frostwinter war schon sehr weit nach Süden vorgedrungen. Immer wieder kamen sie an verlassenen Siedlungen vorbei, die offenbar schon vor dem Angriff von Morygors Horden verlassen worden waren. Die Bewohner waren vor der Kälte nach Süden geflüchtet.

      Während sich Torbas dafür entschieden hatte, allein auf einem Wollnashorn zu reiten und es seinem Willen zu unterwerfen, teilte sich Sheera nach wie vor eines der Tiere mit Gorian. Meister Thondaril ritt voran.

      Abends, wenn sie am Lagerfeuer saßen, erzählte der zweifache Ordensmeister von seinen Erlebnissen in Ameer, wo die Streitmacht von Kaiser und Orden so vernichtend geschlagen worden war, wie niemals zuvor in ihrer Jahrtausende währenden Geschichte. „Das, was dort geschehen ist, wird die Grundfesten des Heiligen Reichs erschüttern und es vielleicht sogar zerstören“, befürchtete er. „Der gesamte Norden des Reiches wird nicht zu halten sein, und es wird sehr schwer werden, überhaupt noch irgendwo eine Widerstandslinie aufzubauen.“

      „Man muss sich nur den Schattenbringer ansehen, wie er sich vor die Sonne schiebt, dann weiß man, wie groß unsere Chancen stehen“, meinte Torbas pessimistisch.

      „Der Schlüssel zu allem ist Morygor selbst“, sagte Gorian. „Wenn ich seine Schicksalslinie kreuzen und ihm gegenübertreten könnte ...“

      „Zunächst mal werden wir einiges dafür tun müssen, dass es für uns – dich eingeschlossen – überhaupt noch ein Schicksal gibt“, unterbrach ihn Torbas.

      „Vielleicht hören wir uns erst mal an, welche Pläne Meister Thondaril hat“, lautete Sheeras Ansicht.

      „Wir werden das tun, was ich Gorian schon anriet, bevor ich nach Ameer aufbrach.“

      „Wir reisen ins Basilisken-Reich?“, entfuhr es diesem.

      „Ja.“

      „Das klingt nicht, als wolle er mit uns darüber diskutieren“, erreichte Gorian ein Gedanke von Sheera.

      ––––––––

      Die Tage gingen ziemlich eintönig dahin. Sie nutzen die Helligkeit, um weiter nach Süden zu ziehen. Wenige Stunden Schlaf mussten in den Nächten genügen.

      Ein Schwarm Eiskrähen tauchte einmal am Horizont auf, was Meister Thondaril sofort veranlasste, mit den Schülern Schutz in einem nahen Waldstück zu suchen. „Morygors Spione sind nicht zufällig hier“, war er überzeugt.

      „Meint Ihr, sie sind noch auf der Suche nach uns?“

      „Wahrscheinlich in erster Linie nach dir, Gorian.“

      Wenn sie am Lagerfeuer saßen, nutzte Meister Thondaril häufig die wenigen Ruhestunden dazu, um durch Handlichtlesen Verbindung mit anderen Ordensmeistern aufzunehmen, etwa mit dem Gesandten des Ordens am Kaiserhof oder Ordensmeistern in allen Herzogtümern. So erhielt er nach und nach einen Überblick über die sich abzeichnende Lage, und die war geradezu deprimierend.

      „Die Leviathane kriechen durch Estrigge und Nemorien, und es gibt niemand, der sie aufhalten könnte“, berichtete er seinen Begleitern. Zwar waren auch Gorian und die beiden anderen ehemaligen Ordensschüler des Handlichtlesens mächtig, aber nur Meister Thondaril hatte die nötigen Kontakte innerhalb des Ordens, um Neuigkeiten zu erfahren, und zudem hatte er Gorian strengstens untersagt, mit irgendjemandem, den er vielleicht kannte, Verbindung aufzunehmen. Aus Sicherheitsgründen.

      „Ich hoffe, dass sich der Kaiser mit seinem Heer dem Feind entgegenstellt“, sagte Torbas. „Es ärgert mich, dass wir nicht dabei sein werden und uns stattdessen ins Basilisken-Reich davonmachen.“

      „Dafür gibt es Gründe“, gab Thondaril streng zurück. „Gründe, die ich euch ausführlich erläutert habe. Davon abgesehen wird der Kaiser kein Heer entsenden. Er hat vielmehr den Hof in Olandor aufgegeben, um ihn nach Arabur in Laramont zu verlegen. Er soll bereits unterwegs in seine laramontische Stammlande sein.“

      „Das Reich zerfällt“, stellte Sheera fest. „Es wird zerbrechen wie die Mauern der Ordensburg unter den Leibern der Leviathane.“

      „Was ist mit dem Orden?“, hakte Gorian nach.

      „Es gibt Pläne, irgendwo im Süden die überlebenden Meister zu versammeln und den Orden zu rekonstituieren. Aber das wird problematisch werden. Das Schwierigste dabei wird es sein, das Vertrauen zurückzugewinnen. Schließlich war unser Hochmeister ein Verräter.“ Thondarils Blick wurde düster, während er fortfuhr: „Ich gebe es ungern zu, Gorian, aber inzwischen denke ich manchmal, dass dein Vater recht hatte.“

      Am Ufer des in der Eiswüste kaum noch sichtbaren Flusslaufs des Gont, dessen mäandernde Linie die Grenze zwischen dem Estlinger Land und Nemorien bildete, stießen sie auf ein Fischerdorf, dessen Einwohner auf schreckliche Weise niedergemetzelt und entstellt worden waren. Den Toten fehlten die Augen, und Fleischstücke waren aus ihren Körpern gerissen.

      „Eiskrähen!“, murmelte Gorian.

      „Der Feind ist schneller als wir“, stellte Thondaril fest.

      „Folgen wir weiter dem Fluss bis Gontia?“, wollte Torbas wissen.

      Thondaril schüttelte den Kopf. „Nein. Wir werden einen geraden Weg Richtung Omont nehmen.“

      „Also über die Berge.“

      Thondaril wandte sich nach Torbas um. „Du hast dir die Karten in der Ordensbibliothek gut eingeprägt.“ Er machte eine ausholende Geste und fuhr dann fort: „Aber präg dir auch die Dinge ein, die man am liebsten aus seinem Gedächtnis verbannen möchte, und vergiss nie, wozu unser Feind imstande ist.“

      ––––––––

      Fast eine Woche waren sie bereits unterwegs, als sie die ersten Ausläufer des Estlinger Gebirges erreichten. Aber auch dort hatte der Frosthauch das Land fest in seinem Griff. In einer kleinen Siedlung am Fuß eines Bergmassivs übernachteten sie und deckten sich mit frischem Proviant ein. Die Preise, die dafür verlangt wurden, waren außergewöhnlich hoch, was daran lag, dass die Leute befürchteten, bald nicht genug für sich selbst zu haben. Und wahrscheinlich hatten sie recht damit, denn wann und ob es eine nächste Ernte geben würde, war völlig ungewiss. Immerhin war zu hören, dass es südlich der Berge, in Nomrigge und Omont, zurzeit deutlich wärmer sei, wie Reisende bezeugt hätten. Auf der Nordseite seien allerdings alle Pässe tief verschneit.

      Zunächst waren die Einheimischen wegen der Wollnashörner sehr misstrauisch. Aber Thondarils Ordensmeister-Ringe erweckten Vertrauen.

      „Ihr seid eine Legende, ehrwürdiger Meister“, sagte der Dorfälteste. „Thondaril, der Meister in zwei Ordenskünsten ... Wisst Ihr, dass man Lieder über Euch singt?“

      „Ich fürchte, es wird bald niemand mehr hier sein, der diese Lieder zu singen vermag“, gab Thondaril bedrückt zurück. „Ich kann euch nur den Rat geben, alles zu