Bald stellten sie fest, dass ihnen ein Trupp Wollnashornreiter folgte. Offenbar sollte es keine Überlebenden geben, niemand sollte entkommen.
Von einer Anhöhe aus sah Gorian, dass das magische Feuer, das einen der Leviathane verschlungen hatte, auch auf andere Bereiche der zerstörten Burg übergegriffen hatte. Der riesenhafte Kadaver des brennenden Ungetüms lag reglos da, während sich die beiden anderen Riesenwürmer zurückzuziehen versuchten und sich dabei auch über die eigenen Truppen wälzten.
Die Verfolger holten rasch auf. Einer von ihnen schoss mit einer Armbrust auf die Flüchtenden und verfehlte Thondaril nur knapp. Dieser knurrte etwas in alt-nemorischer Sprache, was allerdings wohl eher ein Fluch als eine magische Formel war, und brachte das Wollnashorn zum Stehen.
„Was habt Ihr vor, Meister Thondaril?“, fragte Sheera.
„Ich habe dieses Reittier in Ameer dem untoten Orxanier abgenommen, dessen Felle mich jetzt wärmen“, erklärte er. „Die ganze Strecke bis hierher habe ich mich auf dem Rücken des Tiers durchschlagen müssen, und nun ist es erschöpft, und selbst mit magischer Unterstützung ist es zu langsam, um diesen Kreaturen dort zu entkommen. Zu viert sind wir zu schwer.“ Er atmete tief durch. „Drei Frostkrieger in offener Feldschlacht – das wird ja wohl zu schaffen sein!“
„Wieso drei?“, fragte Torbas. „Es sind doch mehr!“
Thondaril glitt vom Rücken des Wollnashorns und meinte: „Wenn du noch lange zögerst, deinen Bogen einzusetzen, werden sie auch so zahlreich bleiben. Aber willst du das wirklich einem so hart geprüften Mann wie mir zumuten? Komm herunter, damit du festen Stand hast und jeder Schuss trifft.“
Nach diesen Worten vollführte er eine plötzliche Bewegung, ließ einen Blitz aus seiner Hand zucken, der einen Armbrustbolzen, der ansonsten Gorian getroffen hätte, im Flug traf und zur Seite lenkte.
Das Wollnashorn wurde unruhig, und Thondaril rief zu Gorian empor: „Es lässt sich leicht reiten, wenn man den nötigen Willen dazu aufbringt!“
Gorian konzentrierte etwas von der Alten Kraft, aber er spürte rasch, dass er nur ganz wenig davon brauchte, um das gewaltige Tier zu beeinflussen. Es beruhigte sich sofort.
Torbas stieg ab und erwartete an Thondarils Seite und mit gespanntem Bogen die herannahenden Verfolger. Dann, auf die Anweisung des Meisters hin, verschoss er einen Pfeil nach dem anderen, und jedes Mal unterstützte Thondaril seine Schüsse mit einem Kraftschrei. Die Pfeile fanden sicher ihr Ziel und trafen mit solcher Wucht, dass die Reiter von den Rücken der Wollnashörner gerissen wurden.
Drei der Verfolger blieben übrig, nachdem Torbas sämtliche Pfeile aus dem Köcher der toten Burgwache verschossen hatte. Auf ihren Wollnashörnern preschten sie heran.
„Ich sagte doch, wir werden uns nur drei von ihnen stellen müssen“, meinte Thondaril. Dann gebot er Torbas: „Und jetzt tritt zurück!“
„Braucht Ihr keine Hilfe?“
„Du würdest mich nur behindern.“
„Ich hoffe, er weiß, was er tut“, raunte Sheera Gorian zu, während der das Reittier, auf dem sie beide saßen, mit seinen Gedankenbefehlen ruhig hielt.
Der zweifache Ordensmeister trat den nahenden Wollnashornreitern entgegen. Einen Armbrustbolzen schlug er mit dem Schwert zur Seite, einen zweiten lenkte er mit der Klinge so ab, dass er zurück zu den Verfolgern geschickt wurde und einem von ihnen den Kopf wegriss. Ein magischer Gedankenbefehl an dessen Wollnashorn sorgte dafür, dass es scheute, sich brüllend auf die Hinterbeine stellte und den Geköpften auf den eisigen Grund warf.
Der zweite berittene Frostkrieger wollte seine Lanze nach Thondaril schleudern, da riss der Schwert- und Magiemeister einen Dolch unter den Fellen, die er trug, hervor und warf sie dem Orxanier entgegen, begleitet von einem Kraftschrei. Die Klinge drang zischend und von Blitzen umflort in die Brust des Angreifers. Ehe dieser aus dem Sattel kippte, bewegte Thondaril die Hand und ließ die Lanze des vernichteten Untoten mit solcher Wucht in den Körper des letzten Frostkriegers fahren, dass der von seinem Reittier gerissen wurde.
Auf dieses Tier hatte Thondaril es abgesehen. Mit einem Gedankenbefehl zwang er es zu sich heran. „Na, ist das ein prächtiger Wollnashornsattel?“, rief er Torbas zu. „Zwei von uns trägt so ein Tier spielend, aber du kannst dir gern ein eigenes Reittier auswählen.“ Damit kletterte Thondaril auf den Rücken des Wollnashorns und streckte die Hand aus, woraufhin sein Dolch zu ihm zurückkehrte. Allerdings ließ er ihn zunächst etwas durch den halbgefrorenen Schnee ritzen, damit das Orxanier-Blut abgewischt wurde.
Kapitel 22: Basilisken
„Ich muss Euch noch von Hochmeister Aberian erzählen“, sagte Gorian zu Meister Thondaril.
„Wenn es um seinen Verrat geht, ist das für mich nichts Neues. Meister Rhaawaan hat mich per Handlichtlesen darüber unterrichtet, dass Aberian die Bannsprüche aufgehoben hatte, sodass die Burg über keinen magischen Schutz mehr verfügte, und dies auf eine Weise, dass es nicht so einfach rückgängig zu machen war. Zuvor erzählte mir in Ameer ein sterbender Schattenmeister, dass Aberian auch dort an der Grenze die Bannsteine unwirksam machte, doch ich wollte es erst nicht glauben. Dann aber fügte sich eins zum anderen und ergab ein scheußliches Bild.“
„Ich habe versucht, Euch über Handlichtlesen zu erreichen, Meister“, sagte Gorian. „Aber das war nicht möglich, sodass ich schon befürchtete ...“
„... dass ich gefallen wäre?“
„Ja.“
Ein mattes Lächeln huschte über