Thriller Spannung ohne Ende! Zehn Krimis - 2000 Seiten. Alfred Bekker. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Alfred Bekker
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Зарубежные детективы
Год издания: 0
isbn: 9783745202786
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sie. Neben der Hecke. Zuerst hab ich gedacht, sie schläft, wissen Sie, sie sah so - na ja, friedlich aus, und ein bißchen wütend war ich schon, weil sie sich so einfach in meinen Garten... - verschwinden Sie -, habe ich gesagt, aber sie hat sich nicht gerührt, und deswegen bin ich hingegangen ...» Er verschluckte sich und rang nach Luft, die Adern an seinem Hals traten dick hervor. «Ihr Kopf war so auf die Seite gerollt, und da wußte ich, daß sie tot war. »

      «Woher wußten Sie das, Herr Brecker?»

      «Woher? Früher, bevor ich - also früher war ich Krankenpfleger und bin jahrelang in einem Unfallwagen gefahren, vom Roten Kreuz, und da habe ich viele Unfälle gesehen. Und viele, die dabei umgekommen sind.»

      Lewohlt fischte das Zigarettenpäckchen aus der Hemdtasche und bot dem alten Herren an. Brecker dankte automatisch und ließ sich Feuer geben, ohne in die Gegenwart zurückzukehren. Es war ein Unterschied, ob man in einem Unfallwagen fuhr und wußte, daß man gleich Verletzte oder Tote sehen würde, oder unvorbereitet über eine Leiche stolperte.

      «Danach bin ich sofort zum Vereinshaus gelaufen.»

      «Welches Vereinshaus, Herr Brecker?»

      «Na, das vom Kleingartenverein.» Dort traf er auf mehrere Leute, die gerade aufräumten, und zuerst hatten sie ihm nicht glauben wollen. Lewohl hörte unverändert gleichmütig zu, merkte sich aber den bitteren Unterton. Dann war Wolter mit ihm...

      «Wolter?»

      «Harald Wolter. Der Vereinsvorsitzende.» Wolter war mit ihm zurückgelaufen und hatte beim Anblick der Leiche schwer nach Luft geschnappt, sich aber rasch wieder auf seine Funktion besonnen und das Kommando übernommen. Brecker sollte vor seinem Garten wachen und niemanden hineinlassen; er alarmierte die Polizei. Zuerst kamen zwei uniformierte Polizisten; einer hatte Posten vor der Pforte bezogen, der andere vom Streifenwagen aus die Kripo benachrichtigt.

      «Kennen Sie die Tote, Herr Brecker?»

      «Nein, nein. »

      «Haben Sie sie schon mal hier in der Kleingartenanlage gesehen?»

      «Ich glaube - nein, Herr Kommissar.»

      Lewohlt musterte ihn unschlüssig, weil er bezweifelte, daß sich der alte Herr die Tote wirklich genau angesehen hatte. Aber Brecker schüttelte heftig den Kopf: «Bestimmt nicht, Herr Kommissar.»

      Eigentlich spielte es auch keine Rolle. «Wann haben Sie denn gestern Ihren Garten verlassen?»

      «Um sieben Uhr. » Um sieben Uhr abends läutete St. Hubertus, dessen plumpen Turm man von dieser Stelle aus eben noch ausmachen konnte, und während des Läutens hatte Brecker sein Gartentor abgeschlossen. «Sonst wäre ich ja geblieben, hier ist’s nachts kühler als in meiner Wohnung, aber gestern war das Fest, und das wollte ...»

      «Welches Fest?»

      «Das Sommerfest vom Verein.»

      Unwillkürlich mußte Lewohlt schmunzeln: «Sie sind kein Freund des Sommerfestes?»

      «Nein, überhaupt nicht! Ein Sommerfest! Ich gehöre noch zur alten Sorte. Man hat einen Garten, um was anzubauen, Gemüse, Obst, Kartoffeln meinetwegen. Aber diese jungen Leute - was verstehen die noch von einem Garten! Rasen und Blumen und nutzlose Zierpflanzen. Terrassen, auf denen die Frauen sich im Bikini sonnen. Können Sie mir verraten, wozu Rasen gut ist? Die Hände wollen sie sich nicht schmutzig machen. Und dann beschweren sie sich, daß mein Komposthaufen stinkt. Stinkt! Aber Feste feiern, das können sie, Tanzen und laute Musik und Herumpoussieren. Nein, das ist nichts für mich, aber wir von der alten Sorte sterben ja sowieso aus.»

      «Gut, bis gleich, Herr Brecker.» Lewohlt stand rasch auf und ging um das Gartenhäuschen herum. Die Männer von der Spurensicherung arbeiteten immer noch, von Andy Schätzle kritisch beobachtet. Zum Glück hatte die Hitze selbst ihm den Mund geschlossen. Stelling verglich seine diversen elektronischen Thermometer miteinander und trug die Ergebnisse in ein schwarzes Buch ein. Arme und Beine der Leiche waren jetzt gestreckt, der Kopf zurechtgelegt, so daß sie noch mehr wie eine Schlafende aussah.

      «Ich brauche Pola-Bilder», sagte Lewohlt leise zu Andy. «Sieh zu, daß ein paar Mann von den Streife sofort damit losziehen.»

      «Wird gemacht!» Andy schlenderte davon, und Lewohlt hockte sich neben Stelling: «Nun, was ist los?»

      «Nicht viel. Todesursache ist eindeutig ein Genickbruch.»

      «Und wie?»

      «Kann ich noch nicht sagen. Quer über den Nacken verläuft eine kaum sichtbare Strieme - übrigens gibt’s auch auf dem Kragen der Bluse solch einen Abdruck - es könnte eine dünne, scharfkantige Eisenlatte gewesen sein. Mit ziemlicher Wucht geschlagen.» Lewohlt nickte. « Aufgetroffen ist das Eisen ziemlich parallel zu den Schultern.» Genaueres würde die Obduktion ergeben. «Und wann? Tja, vor Mitternacht gestern und nach 21 Uhr, ich muß mir noch die Nachttemperaturen vom Wetteramt besorgen, aber so etwa in diesem Zeitraum.»

      «Genauer geht’s im Augenblick nicht?»

      «Nee, Richard. So von 21.30 Uhr bis 23.30 Uhr.» Er zwinkerte.

      «Gut. Noch was?»

      «Ja.» Stelling hatte die Bluse ein Stück aus den Jeans gezogen und wies mit dem Kugelschreiber auf dunkle Flecken gerade über dem Hosenbund. «Die Leichenflecken sind eindeutig hier entstanden, nachdem die Leiche über die Hecke befördert worden war. Das muß höchstens eineinhalb Stunden nach Todeseintritt geschehen sein. Die Leichenstarre war voll entwickelt, als ich sie untersuchte.»

      «Wegen des warmen Wetters?»

      «Sehr wahrscheinlich.» Vorsichtig hob er den Kopf der Toten an. «Siehst du, hier, unter dem linken Auge?»

      «Ein Veilchen.»

      «Und was für eins! Sie hat’s mit flüssigem Make-up oder so was ganz gut kaschiert, aber es muß trotzdem aufgefallen sein.»

      «Sehr schön.» Das war es wirklich; an ein hübsches Mädchen mit einem Bluterguß würden sich die Leute eher erinnern. «Wie alt ist das Hämatom?»

      «Über den Daumen gepeilt würde ich sagen, daß es zwölf bis sechzehn Stunden vor ihrem Tod entstanden ist.»

      «Mit ihrem Tod hat es also nichts zu tun?»

      «Nein.»

      «Na dann vielen Dank. Und guten Appetit beim Schmorbraten. »

      Nach einem Blick auf die Uhr sprang Stelling auf: «Ich kann’s gerade noch schaffen, Richard.»

      Lewohlt grinste ihm nach, richtete sich auf, damit der Fotograf die Sofort-Bilder knipsen konnte, und trat zu Andy: «Wissen wir, wer sie ist?»

      «Nicht die Spur.» Auf dem Rasen lagen mehrere durchsichtige Plastiktüten, alle verschlossen und mit weißen, beschrifteten Anhängern versehen. «Die Uhr könnte uns weiterhelfen. Ziemlich teuer, jedenfalls kein Massenartikel. Dann haben wir in der linken Brusttasche eine Eintrittskarte vom Bahnhofskino gefunden. Ist zwar ein Non-Stop-Laden, aber vielleicht hilft die Seriennummer weiter. Sonst ist nämlich Sense, Richard, keine Brieftasche, keine Handtasche, nichts Schriftliches.»

      «Die Leute sollen durch die angrenzenden Gärten gehen und nach einer Handtasche suchen. Sie muß doch...»

      «Schon angeordnet, verehrter Chef.» Wenn Andy gekränkt war, wurde er besonders höflich, und Lewohlt lachte ihn aus: «Okay, geh nach hinten und laß dir die Anschrift des alten Herren geben. Ich kümmere mich mal um die Vereinsmannschaft.»

      «Die Bilder, Herr Hauptkommissar.» Der Fotograf musterte ihn düster und drohend, als wolle er sich jede Kritik verbitten, aber Lewohlt überraschte ihn, indem er lobte: «Sehr gut.» Auch der geschickteste Fotograf konnte das Porträt einer Toten nicht zum Bild einer Schlafenden machen, aber dadurch, daß er sie schräg von der Seite aus aufgenommen hatte, war der Eindruck der unnatürlichen Starre ab gemildert. «Sehr schön, Herr Grill.» Geschmeichelt und zugleich enttäuscht, daß er um einen Anlaß zu gerechtfertigter