Thriller Spannung ohne Ende! Zehn Krimis - 2000 Seiten. Alfred Bekker. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Alfred Bekker
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Зарубежные детективы
Год издания: 0
isbn: 9783745202786
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      13

      Travers zündete sich eine Zigarette an und holte die Flasche Bourbon aus dem Koffer. Er trank zwei große Schlucke, wartete, bis seine Nerven sich beruhigten. Dann stieg er auf das Dach des Renault und verschaffte sich einen genauen Überblick.

      Halblinks bemerkte er einen dunkleren Gegenstand, den er nicht identifizieren konnte. Er stieg in den Wagen und fuhr darauf zu.

      Der Gegenstand entpuppte sich als frisch aufgeworfener Erdhügel. Travers nahm einen Knüppel und stocherte in der Erde herum. Die Grasnarbe lag neben dem Hügel.

      Travers legte zuerst ein Bein frei, und kurz darauf sah er in das mit Erde verschmierte Gesicht eines Mannes. Er hatte das Gesicht mit dem langen blonden Haar im Fadenkreuz gehabt.

      Travers schaufelte das Grab wieder zu. Es konnte jetzt nicht mehr weit sein. Er zog einen weiten Kreis. Die Dämmerung setzte ein, und er wusste, dass ihm nicht mehr viel Zeit blieb.

      Dann fuhr er über die frische Wagenspur, die Gorjanow hinterlassen hatte. Travers riss das Steuer herum und folgte der Spur, die sich in der Ferne verlor.

      Zu seiner Linken stieg das Gelände ein wenig an. Travers steuerte hinüber. Der Renault legte sich gefährlich quer, und dann rutschte er schräg in die Mulde ab, in die Travers Gorjanow geschleift hatte, mit einer Knebelkette um dem Hals.

      Travers stellte den Motor ab. Wenn er jetzt den Osthang der Mulde erstieg, musste er das Anwesen erkennen können.

      Travers stieg aus. Der Renault war mit den Vorderrädern tief in den weichen Boden eingesunken. Travers kümmerte sich nicht darum. Er robbte den Hang hinauf. Die Ebene lag bereits in grauer, konturloser Dämmerung. Die Dächer der Schuppen und Scheunen hoben sich kaum noch von der Umgebung ab. Travers kroch weiter. Er wollte keine Zeit verlieren. Wenn alles doch nur ein Irrtum war ...

      *

      TRAVERS HÖRTE DEN KNALL des Schusses erst, als die Kugel seinen linken Arm bereits durchschlagen hatte. Nach einer Schocksekunde setzte der Schmerz ein.

      Travers sprang auf, machte einen Satz und warf sich auf das Gras. Wieder rollte die Detonation eines Schusses über ihn hinweg, aber diesmal hatte die Kugel ihn verfehlt. Travers presste sich flach auf den Boden, wühlte sich mit der rechten Hand in den Morast. Gorjanow lag hinter ihm, auf der anderen Seite der Mulde.

      Du Hundesohn hättest mich mit der ersten Kugel töten müssen, dachte Travers verbissen. Er hielt den verletzten Arm eng an seinen Brustkorb gepresst. Er spürte das warme Blut, betastete die Umgebung des Einschusses, und er fand, dass der Knochen nicht verletzt war. Er wälzte sich auf die Seite und zog die MK IV aus dem Schulterholster.

      Der Hügelkamm schützte ihn — aber wie lange noch? Gorjanows Schritte würden nicht zu hören sein. Dieser Bastard hatte ihn hier erwartet. Hatte er ihn absichtlich hierher gelockt? War Jo Anne gar nicht in einem der Gebäude dort drüben? Travers sah hinüber. Kein Lichtschimmer, keine Bewegung, nichts. Totes Gestein, Balken und Lehm.

      Travers dachte ans Sterben. Der Gedanke schmerzte ihn nicht einmal sonderlich, er bedauerte nur, den Russen nicht früher erledigt zu haben.

      »Amerikaner!«

      Das Schwein rief nach ihm. Travers presste die Kiefer aufeinander.

      »Amerikaner! Ich komme jetzt! Nicht schießen!«

      Travers packte die Waffe fester. Langsam zog er die Beine unter seinen Körper, hob den Kopf. Im linken Arm hatte er kein Gefühl mehr. Er sah das Blut, das aus dem Ärmel tropfte und das Gras mit roten Sprenkeln versah wie Blüten. Blüten des Todes.

      Er dürfte nicht zögern. Mit einem Ruck kam er auf die Füße, dann sprang er auf.

      Gorjanow stand vor ihm, dreißig Schritte entfernt. Der Lauf des Gewehrs kam hoch.

      Travers schoss aus der Hüfte. Er hatte auf keine besondere Stelle gezielt, aber er sah, dass er getroffen hatte, denn die Wucht des schweren Geschosses wirbelte den Russen halb um seine Achse. Der Gewehrlauf ruckte, doch die Kugel pfiff wirkungslos an Travers vorbei.

      Travers streckte den Arm aus. Er zielte auf Gorjanows rechten Arm und drückte ab.

      *

      WIEDER FLOG DER SCHWERE Mann herum, das Gewehr fiel zu Boden. Er krümmte sich, aber die Augen blieben auf Travers gerichtet. Travers stolperte auf ihn zu, er taumelte wie betrunken, und vor seinen Augen zogen dunkle Schleier auf.

      »Komm mit, du Bastard«, presste er zwischen den Zähnen hervor. Er stieß den Russen zuerst mit der Schulter an, und als der sich daraufhin nicht bewegte, trat er ihn in die Kniekehlen.

      Gorjanow fiel auf das Gesicht. Travers trat ihn in die Rippen. »Steh auf!«, keuchte Travers. »Steh auf! Steh auf!«

      »Du kannst mich hier töten! Tu's endlich!«

      Travers steckte die Pistole ein. Er bückte sich und zerrte den Russen auf die Beine. Er musste Jo Anne finden, bevor er das Bewusstsein verlor. Mühsam schob er Gorjanow vor sich her, und wenn der Russe stehenbleiben wollte, tippte Travers den verletzten Arm an.

      Es war ein langer Weg für die beiden verwundeten Männer, der ihre letzten Kräfte verzehrten. Travers hielt an, als sie das erste Gebäude erreichten. Erschöpft lehnte er sich gegen die Wand.

      »Wo ist sie?«, fragte er.

      »Du findest sie nicht. Du stirbst vorher. Du blutest wie ein Schwein, Amerikaner. Bring mich hier raus, dann sage ich es dir.«

      Travers zog die Pistole. Er sah auf Gorjanows Fuß. Der Russe trug jetzt große Gummistiefel, die für den verletzten Fuß bequemer waren. »Welcher war es?«, fragte Travers. Gorjanow fletschte die Zähne und bellte ein russisches Schimpfwort. Travers zielte kurz und drückte ab.

      Die 45er Kugel zerfetzte Gorjanows Fuß. Schreiend kippte er um und wälzte sich über den Boden. Die Schreie zerrten an Travers' Nerven. Er riss den Russen in die Höhe. Gorjanows Schädel pendelte kraftlos auf dem mächtigen Hals hin und her. Travers stemmte seine Schulter unter die Achsel des Russen, und so schleppte er ihn über den Innenhof. Dort stand ein geländegängiger Wagen mit einer Marseiller Nummer.

      »Wo?«, fragte Travers.

      Der Russe hob eine Hand und deutete mit einer matten Bewegung auf den gegenüberliegenden Schuppen. Travers schob den Russen hinein und lehnte ihn gegen den Türpfosten. Es war stockfinster. Travers zog sein Feuerzeug aus der Tasche und knipste es an.

      Die Dunkelheit sog das Licht der kleinen Flamme fast völlig auf. Travers entdeckte eine Petroleumlampe an einem Haken neben der Tür. Er nahm sie ab und zündete den Docht an.

      Gorjanow konnte sich nicht mehr aufrecht halten. Er sank mit einem Stöhnen in sich zusammen. Travers betrachtete das breite Gesicht. Es glänzte unter einem dünnen Schweißfilm. Die Augen waren geschlossen, der Mund geöffnet.

      »Jo Anne!«, schrie Travers. »Jo Anne!«

      Er lauschte. In der Totenstille vernahm er ein leises Geräusch. Der Schuppen war groß und mit Gerümpel angefüllt — Maschinenteile, Lumpen, Säcke, zerbrochene Möbelstücke. Travers kletterte über Trümmer und Scherben, fiel auf einen Haufen stinkender Säcke.

      Er spürte Bewegung darunter, und er stellte