18. Vergleichung der Wassermühle und der Seele.
Die Thätigkeit des Herzens wird nicht unpassend mit den ihr ähnlichen Mühlen verglichen, welche die rasche Strömung der Wasser wälzt in kreisendem Schwung. Diese freilich können keineswegs abstehen von ihrem Werk, da der Andrang des Wassers sie umgibt; aber es steht in der Macht des Geschäftsführers, ob er Weizen male, ob er Gerste oder Trespe 33 zermalme; denn ohne Zweifel muß ja das gemahlen werden, was von Demjenigen aufgelegt wurde, dem die Sorge für dieß Geschäft übertragen worden. So wird auch der Geist, der rings umtobt ist von dem Dränge des gegenwärtigen Lebens, wo von allen Seiten die Ströme der Versuchungen heranstürzen, nicht frei sein können von der Brandung der Gedanken; welche er aber zulassen oder sich erwecken solle, dafür wird er eben mit strebendem und eifrigem Fleisse sorgen. Denn wenn wir nach dem oben Gesagten beständig zu der Betrachtung der heiligen Schriften zurückeilen und unser Gedächtniß erheben zu der Erinnerung an geistige Dinge, zu dem Verlangen nach Vollkommenheit und zu der Hoffnung der künftigen Seligkeit, so ist die nothwendige Folge, daß die hiedurch entstehenden geistigen Gedanken den Geist in dem verweilen lassen, worüber wir nachgedacht haben. Wenn wir aber, von Trägheit und Nachläßigkeit überwunden, uns mit müßigen Schwätzereien und Lastern abgeben oder uns in weltliche Geschäfte und unnütze Sorgen verwickeln, so wird folgerichtig Etwas wie eine gewisse Art Unkraut entstehen und eine unserm Herzen verderbliche Wirksamkeit nahe legen; dann wird nach einem Ausspruch unsers Herrn und Erlösers nothwendig unser Herz dort weilen, wo der Schatz unserer Werke oder unserer Meinung ist.
19. Von den drei Quellen unserer Gedanken.
Das müssen wir in der That vor Allem wissen, daß es drei Quellen unserer Gedanken gebe, da sie von Gott, vom Teufel und von uns selbst kommen können. Von Gott nun, sind sie, wenn er, um uns zu einem höhern Fortschritt aufzurichten, sich würdigt, uns mit der Erleuchtung des hl. Geistes heimzusuchen, und uns mit gar heilsamer Zerknirschung straft, wenn wir in Etwas zu wenig erzielt haben oder lässig strebend überwunden worden sind; oder auch, wenn er uns himmlische Geheimnisse ausschließt und unsern Vorsatz und Willen zu bessern Handlungen wendet, wie damals. als König Assuerus, 34 vom Herrn gestraft 35, sich angetrieben fühlte, die Jahrbücher nachzusehen, durch die er an die Verdienste des Mardochäus erinnert wurde, den er nun auf die höchste Stufe der Ehre erhob und den so grausamen Befehl, das jüdische Volk hinzumorden, sogleich zurückrief. — Von derselben Quelle redet der Prophet, wenn er erwähnt: 36 „Ich will hören, was Gott der Herr in mir spricht.“ Auch ein Anderer sagt: „Und es sprach der Engel, der in mir redete.“ 37 So ist es ferner, wenn der Sohn Gottes verspricht, 38 er werde zugleich mit dem Vater kommen und Wohnung bei uns nehmen. Und wieder sagt er: 39 „Nicht ihr seid es, die da reden, sondern der Geist eueres Vaters ist es, der in euch redet.“ Und das Gefäß der Auserwählung 40 sagt: „Suchet ihr eine Probe dessen, der in mir redet, Christi?“ — Vom Teufel aber kommt die Gedankenreihe, wenn er uns zu stürzen sucht sowohl durch den Reiz der Laster, als durch heimliche Nachstellungen, indem er mit der feinsten Schlauheit trügerisch das Böse als gut zeigt und sich für uns in einen Engel des Lichtes verwandelt. Oder auch, wenn der Evangelist berichtet: „Und nach dem Mahle, als der Teufel es schon dem Judas in’s Herz gegeben hatte, daß er den Herrn verrathe;“ und wieder: „Nach dem Bissen fuhr der Satan in ihn.“ Auch Petrus sagt zu Ananias: 41 „Warum hat Satan dein Herz versucht, dem hl. Geiste zu lügen?“ So lesen wir auch im Evangelium, und lange vorher war es gesagt durch den Prediger: 42 „Wenn der Geist des Gewaltigen wider dich aufsteht, so weiche nicht von der Stelle!“ Ferner wird im dritten Buche der Könige gegen Achab 43 im Namen eines unreinen Geistes zu Gott gesagt: „Ich werde ausgehen und ein Lügengeist sein im Munde aller seiner Propheten.“ Von uns aber stammen die Gedanken, wenn wir in natürlicher Weise an Das denken, was wir thun oder gethan oder gehört haben. Von solchen sagt der hl. David: 44 „Ich denke der alten Tage und erwäge sinnend die Jahre der Urzeit; ich überlege Nachts in meinem Herzen und mühe mich ab und reinige meinen Geist.“ Und wieder: 45 „Der Herr kennt die Gedanken der Menschen, daß sie eitel sind.“ Im Evangelium aber sagt der Herr zu den Pharisäern: 46 „Was denkt Ihr Böses in eueren Herzen?“
20. Er lehrt mit dem Gleichnisse eines tüchtigen Geldwechslers, wie unsere Gedanken zu unterscheiden seien.
Diese dreifache Art müssen wir also beständig beachten und alle Gedanken, die in unserm Herzen aufsteigen, mit kluger Unterscheidung durchforschen, indem wir ihrem Entstehen, ihren Ursachen und Urhebern von Anfang an nachspüren, damit wir erwägen können, wie wir uns gegen sie zu verhalten haben gemäß dem Werthe Derjenigen, die sie uns eingaben, und damit wir so nach dem Gebote des Herrn tüchtige Wechsler werden. Diese haben die beste Erfahrung und Schule, zu Prüfen, was ganz reines Gold ist, feuererprobtes, wie man sagt, oder welches weniger durch die Läuterung des Feuers ausgebrannt ist; sie sind auch geübt, sich durch den ehernen werthlosen Denar, wenn er eine werthvolle Münze durch die Farbe des glänzenden Geldes nachahmen soll, bei ihrer so vorsichtigen Unterscheidung nicht täuschen zu lassen und nicht nur die Münzen, welche das Bild der Herrscher zeigen, richtig zu erkennen, sondern auch diejenigen mit noch größerer Gewandtheit herauszufinden, welche zwar mit dem Bilde des wahren Königs, aber nicht gesetzmäßig geprägt sind. Ferner pflegen sie durch die Entscheidung der Waage fleissig zu untersuchen, ob den Münzen nicht von ihrem gesetzlichen Gewichte Etwas genommen sei. Daß wir Dieß alles geistiger Weise beobachten sollen, lehrt uns das Wort des Evangeliums unter dem genannten Gleichnisse. Zuerst, daß wir, was immer sich in unser Herz geschlichen hat, oder was uns als Lehrsatz zugemuthet wird, auf das Sorgfältigste prüfen, ob es durch jenes göttliche und himmlische Feuer des heiligen Geistes gereinigt sei oder zu dem jüdischen Aberglauben gehöre oder der Aufgeblasenheit der weltlichen Philosophie entstamme und so nur auf der Oberfläche Frömmigkeit zeige. Das können wir einhalten, wenn wir uns nach jenem apostolischen Worte richten: „Glaubet nicht jedem Geiste, sondern prüfet die Geister, ob sie aus Gott sind.“ 47 In dieser Hinsicht sind auch Jene getäuscht worden, welche nach Ablegung des Klostergelübdes sich anlocken ließen durch den Glanz der Rede und einige Lehrsätze der Philosophen, welche auf den ersten Blick die Zuhörer durch einen gewissen frommen und mit der Religion harmonirenden Sinn wie durch den Glanz des Goldes täuschen, aber die einmal durch den Schein Verlockten, gleichwie die durch eherne und falsche Münzen Betrogenen, für immer arm und elend machen, indem sie dieselben entweder in den Lärm der Welt zurückrufen oder zu häretischen Irrthümern und aufgeblasener Anmaßung verleiten. Das ist, wie wir im Buche Jesu Nave 48 lesen, auch dem Achan 49 widerfahren, der aus der Stadt der Fremdlinge eine goldene Stange gierig wünschte und stahl, und der dafür nach Verdienst mit dem Fluche geschlagen und mit ewigem Tode bestraft wurde. 50 Zweitens müssen wir sorgfältig aufmerken, daß nicht eine dem reinsten Golde der hl. Schrift beigefügte verkehrte Auslegung uns durch die Kostbarkeit des Metalles täusche. Darin suchte ja der schlaue Teufel selbst unsern Herrn und Erlöser wie einen bloßen Menschen zu betrügen, indem er Das, was allgemein von allen Gerechten zu verstehen ist, in boshafter Auslegung verdrehte und im Besondern auf den anzuwenden suchte, der des Schutzes der Engel nicht bedarf. „Er hat,“ sagt er, „seinen Engeln deinetwegen befohlen, daß sie dich beschützen auf allen deinen Wegen; auf den Händen werden sie dich tragen, damit du nicht je einmal an einen Stein stoßest deinen Fuß.“ 51
Indem er nemlich die kostbaren Aussprüche der hl. Schriften mit schlauer Auffassung wendet und sie zu einem gegentheiligen und schädlichen Sinne verdreht, damit er uns das Gepräge des Tyrannenbildes unter der Farbe des täuschenden Geldes entgegenhalte, sucht er uns entweder mit falschen Münzen zu betrügen, indem er zum Eifer für ein frommes Werk mahnt, das unter dem Vorwande der Tugend zum Laster führt, weil es nicht aus der gesetzlichen Münzstätte der Väter hervorgeht; oder er führt uns zu einem schändlichen Ende, indem er uns mit unmäßigem, ungehörigem Fasten oder mit zu langen Nachtwachen oder mit ungeordneten Gebeten und unangemessener Lesung täuscht. Auch überredet er uns, mit Vermittlungen und frommen