Vierundzwanzig Unterredungen mit den Vätern. Johannes Cassianus. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Johannes Cassianus
Издательство: Bookwire
Серия: Die Schriften der Kirchenväter
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783849659912
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Saaten, der hat auch die Absicht, seinen Acker von allem Dorngestrüppe zu reinigen und von allen unfruchtbaren Gräsern zu befreien, und gibt sich nicht der Vertrauensseligkeit hin, daß er auf andere Weise die Fülle des ruhigen Zieles erreichen werde, als wenn er das, was er in Gebrauch und Besitz haben will, zuvor schon gewissermaßen durch seine Mühe und Hoffnung besitze. Auch der Geschäftsmann legt das Verlangen, sich Waaren zu verschaffen, nicht ab, durch das er sich vortheilhafte Reichthümer sammeln kann, weil er vergebens nach Gewinn verlangen würde, wenn er den Weg, zu demselben zu kommen, nicht erwählt hätte; und die, welche sich in gewissen Würden dieser Welt geehrt sehen wollen, setzen sich auch zuerst vor, welcher Pflicht oder Ordnung sie sich unterwerfen müssen, damit sie auf dem gesetzmäßigen Pfad der Erwartung auch das Endziel der gewünschten Würden zu erlangen vermögen. So ist auch das Endziel unseres Weges allerdings das Reich Gottes; welches aber unser nächstes Ziel sei, muß fleissig untersucht werden. Wenn uns das nicht gleichmäßig bekannt ist, werden wir uns durch vergebliches Ringen abmühen, weil die ohne Weg vorwärts Strebenden wohl die Mühe der Wanderung haben, aber kein Fortkommen. Als wir darüber staunten, sagte uns der Greis: Das Endziel unseres Standes ist allerdings, wie wir gesagt haben, das Reich Gottes oder das Himmelreich; aber unser nächstes Ziel ist die Reinheit des Herzens, ohne welche es unmöglich ist, daß Einer zu diesem Endziel gelange. Indem wir also auf diese Absicht die Blicke bei unserer Leitung heften, richten wir unsern Lauf ganz gerade wie nach einer bestimmten Linie. Und wenn unsere Gedanken ein wenig von ihr abgewichen sind, eilen wir sogleich zu ihrer Betrachtung zurück und wollen dieselben wieder wie nach einer gewissen Norm auf das Genaueste verbessern. Diese also wird immer alle unsere Unternehmungen zu diesem einen Sammelpunkt zurückrufen und so alsbald Klage führen, wenn unser Geist von der vorgesteckten Richtung auch nur ein wenig abweicht.

       5. Er zeigt an einem andern Beispiele, daß man sich genau nach einem Ziele richten müsse.

      Wenn Diejenigen, welche kriegerische Geschoße zu handhaben pflegen, vor einem Könige dieser Welt ihre Meisterschaft in dieser Kunst zeigen wollen, so suchen sie die Geschoße oder Pfeile in einem ganz kleinen Schild, der die Preise abgebildet enthält, einzubohren, da sie gewiß wissen, daß sie nicht anders als in der Linie ihres Zieles zu dem Endzweck des gewünschten Preises gelangen können, den sie allerdings nur dann in ihren Besitz bringen werden, wenn sie das vorgesteckte Ziel zu treffen vermochten. Wenn nun dieß zufällig ihrem Blicke entzogen worden ist, so werden, wie weit auch immer das leere Zielen der Unkundigen von dem rechten Schußwege abweichen mag, sie doch nicht merken, daß sie von der Richtung der vorgeschriebenen Linie abgekommen sind, weil sie kein bestimmtes Zeichen haben, das entweder die Trefflichkeit des Zielens bewähren oder die Unrichtigkeit überweisen würde. Wenn sie also unnütze Schüsse in die leere Luft abgegeben haben, so können sie nicht beurtheilen, worin sie gefehlt haben, und wo sie sich getäuscht haben, da sie kein Zeichen überführt, wie weit sie von der Richtung abgewichen seien, und der auf keinen bestimmten Gegenstand gerichtete Blick keine Norm lehren kann, worin sie sich nachher verbessern oder wohin sie sich zurückwenden müssen. So ist auch das Endziel unseres Vorhabens zwar das ewige Leben nach dem Apostel, der da sagt: 7 „Ihr habt euere Frucht in der Heiligung, zum Ende aber das ewige Leben;“ das nächste Ziel aber ist die Reinheit des Herzens, die er nicht mit Unrecht Heiligung nennt, ohne welche das genannte letzte Ziel nicht erreicht werden kann. Es ist, wie wenn er mit andern Worten gesagt hätte: Ihr habt zwar für euer nächstes Trachten die Reinheit des Herzens, zum Endzweck aber das ewige Leben. Wo eben dieser hl. Apostel an einer andern Stelle von dieser Bestimmung lehrt, da drückt er sogar deutlich das Wort selbst, d. i. σκοπός, aus, indem er sagt: 8 „Was rückwärts liegt, vergessend, zu dem was vorwärts liegt, mich ausstreckend trachte ich nach dem Ziel zu dem Siegerlohn der himmlischen Berufung des Herrn.“ Im Griechischen steht noch klarer: κατὰ σκόπον διώκω, d. i. nach dem Ziele eile ich vorwärts; gleich als hätte er gesagt: Durch jenes Ziel, gemäß welchem ich das Vergangene vergesse, nemlich die Fehler des früheren Menschen, strebe ich zu dem Endziel des himmlischen Siegespreises zu gelangen. Was uns also immer zu diesem nächsten Ziele, der Reinheit des Herzens, leiten kann, das ist mit aller Kraft zu erstreben; was uns aber davon abzieht, ist als gefährlich und verderblich zu meiden. Denn für dieses dulden und thun wir Alles; für dieses werden Eltern, Vaterland, Würden, Reichthümer, Weltfreuden und alle Lust verachtet, damit nemlich die beständige Reinheit des Herzens bewahrt bleibe. Wenn wir uns also diese Bestimmung vorgezeichnet haben, so werden immer unsere Handlungen und Gedanken in geradester Richtung auf ihre Erreichung abzielen. Wenn sie nicht beständig uns vor Augen steht, so wird ihr Mangel nicht nur alle unsere Arbeiten leer und haltlos machen und dieselben vergebens und ohne jeden Erfolg herausnöthigen, sondern auch alle Gedanken in Verworrenheit und Widerspruch erregen. Denn nothwendig muß ein Geist, der Nichts hat, worauf er zurückkommen und dem er vorzüglich anhängen kann, jede Stunde und jeden Augenblick nach der Verschiedenheit dessen, was auf ihn eindringt, sich ändern und durch das, was sich aussen ereignet, sogleich in den Zustand verwandelt werden, der sich ihm zuerst darbietet.

       6. Von denen, die der Welt entsagen, aber ohne Liebe nach der Vollkommenheit streben.

      Daher nemlich kommt es, daß wir sehen, wie Einige, welche die größten Reichthümer, viele Talente Goldes und Silbers und herrliche Landgüter verachtet haben, hernach wegen eines Messerchens, eines Griffels, wegen einer Nadel oder Feder aufgeregt werden. Wenn Diese ihre Geistesaugen fest auf die Reinheit des Herzens gerichtet hätten, so würden sie nicht wegen kleiner Dinge zulassen, in was sie wegen großer und kostbarer Schätze so wenig hineinkommen wollten, daß sie dieselben lieber ganz von sich warfen. So hüten auch Manche mit solchem Eifer ein Buch, daß sie es von einem Andern nicht einmal flüchtig lesen oder nur berühren lassen, und kommen so eben dort in die Gefahr der Ungeduld und des geistigen Todes, wo sie ermahnt werden, den Lohn der Geduld und Liebe zu erwerben. Nachdem sie also alle Reichthümer wegen der Liebe zu Christus vertheilt haben, halten sie die frühere Neigung des Herzens in den kleinsten Dingen zurück, und indem sie für diese oft leicht beweglich in Zorn gerathen, als hätten sie die apostolische Liebe nicht, haben sie von Allem keine Frucht und keinen Erfolg. Das im Geiste voraussehend sagte der hl. Apostel: 9 „Und wenn ich mein ganzes Vermögen zur Speisung der Armen ausgetheilt und meinen Leib zum Verbrennen hingegeben hätte, besäße aber die Liebe nicht, so nützte es mir Nichts.“ Damit ist klar bewiesen, daß die Vollkommenheit nicht gleich in der Blöße oder in der Hingabe alles Vermögens oder in dem Wegwerfen aller Würden erreicht werde, wenn man nicht jene Liebe, deren Theile der Apostel beschreibt, in Wahrheit besitzt, und diese besteht nur in der Reinheit des Herzens. Denn was ist es anders, nicht eifern, nicht aufgebläht werden, nicht erbittert werden, nicht leichtsinnig handeln, nicht suchen, was sein ist, sich nicht freuen über Ungerechtigkeit, nicht Böses denken u. s. w. — was ist Dieß anders, als Gott immer ein vollkommenes und ganz reines Herz darbringen und es unberührt bewahren vor allen Störungen?

       7. Von dem Streben nach der Ruhe des Herzens.

      Alles also müssen wir wegen dieser (Reinheit) thun und anstreben; für diese müssen wir die Einsamkeit suchen; für sie müssen wir, wie wir gesehen haben, die Fasten, die Nachtwachen, die Arbeiten, Blöße des Körpers, die Lesungen und übrigen Tugendübungen auf uns nehmen, damit wir nemlich durch dieselben unser Herz von allen gefährlichen Leidenschaften frei machen und bewahren können und auf diesen Stufen zu der Vollkommenheit der Liebe aufstreben und aufsteigen. Aber wir wollen nicht wegen dieser Übungen, wenn uns vielleicht eine erlaubte und nothwendige Beschäftigung dazwischen kommt, so daß wir unsere gewohnte Eintheilung nicht einhalten können, in Traurigkeit fallen oder in Unwillen und Zorn, zu deren Bekämpfung wir ja gerade das thun wollten, was unterlassen wurde. Denn der Gewinn des Fastens ist nicht so groß als der Aufschub des Zornes, noch wird aus der Lesung eine so große Frucht geschöpft, als wir durch Verachtung des Bruders Schaden leiden. Was also nur um des Andern willen da ist, nemlich die Fasten, Nachtwachen, Zurückgezogenheit, Betrachtung der Schriften, müssen wir wegen des Hauptzieles, d. i. der Reinheit des Herzens, welche die Liebe ist, üben und nicht wegen jener Dinge diese Haupttugend trüben; wenn diese in uns unversehrt und unverletzt dauert, so wird es nicht schaden, wenn Etwas von dem, was nur aus ihr folgt, nach Bedürfniß unterlassen wird. Ebenso wird es uns Nichts nützen,