Vierundzwanzig Unterredungen mit den Vätern. Johannes Cassianus. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Johannes Cassianus
Издательство: Bookwire
Серия: Die Schriften der Kirchenväter
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783849659912
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Werke, die aus der Überlegung der Einsicht entspringen, in größere Finsterniß der Sünden verwickelt werden.

       3. Von dem Irrthum Sauls und Achabs, der sie durch ihren Mangel an Klugheit täuschte.

      So wurde Jener, der zuerst nach der Wahl Gottes das Königthum über das Volk Israel erhielt, weil er dieß Auge der Klugheit nicht hatte und so gleichsam am ganzen Körper finster geworden war, auch vom Throne gestoßen. Er hatte ja, bethört durch die Finsterniß und den Irrthum dieser Leuchte, geglaubt, seine Opfer für Gott wohlgefälliger halten zu müssen, als den Gehorsam gegen das Gebot Samuels, und nahm dort Gelegenheit zu einer größern Beleidigung, wo er gehofft hatte, sich die göttliche Majestät zu versöhnen. Dieselbe Unkenntniß der Klugheit trieb Achab, den König von Israel, an, nach jenem Triumphe des herrlichsten Sieges, der ihm durch Gottes Gunst zugestanden worden war, zu glauben, seine Barmherzigkeit sei besser als die strengste Ausübung des göttlichen Gebotes und einer, wie ihm schien, grausamen Herrschaft. Da er so durch diese Erwägung weich gestimmt lieber den blutigen Sieg durch Gnade mildern will, wird er selbst durch seine unkluge Barmherzigkeit gleichsam am ganzen Leibe finster und unwiderruflich zum Tode verurtheilt. 60

       4. Was über das Gut der Klugheit in den heiligen Schriften gesagt wird.

      Das ist die Klugheit, welche nicht nur Leuchte des Körpers, sondern auch Sonne vom Apostel genannt wird nach jener Stelle: „Die Sonne soll nicht untergehen über euerm Zorn.“ 61 Sie wird die Leitung unseres Lebens genannt, dort wo steht: „Die keine Leitung haben, fallen wie die Blätter.“ Sie heißt ganz mit Recht der Rath, ohne den wir nach Lehre der Schrift durchaus Nichts thun dürfen; so daß wir nicht einmal den geistigen Wein, der das Herz des Mensch erfreut, ohne ihre Mäßigung nehmen dürfen, nach jenem Wort: „Mit Überlegung thu’ Alles, mit Überlegung nimm Wein!“ Und wieder: 62 „Wie eine Stadt, deren zerstörte Mauern sie offen lassen, so ist ein Mann, der Etwas ohne Überlegung thut.“ Wie verderblich ihr Mangel dem Mönche sei, zeigt das Beispiel und Bild dieses Ausspruches, der ihn mit einer zerstörten, mauerlosen Stadt vergleicht. In ihr besteht die Weisheit, in ihr die Einsicht und die Sinnigkeit, ohne welche weder unser innerliches Haus erbaut werden kann noch geistige Reichthümer gesammelt werden können, nach jenem Wort: 63 „Durch Weisheit wird das Haus gebaut und durch Einsicht wieder aufgerichtet; durch Sinnigkeit werden die Kammern gefüllt mit allen kostbaren und guten Schätzen.“ Das, sage ich, ist die feste Speise, die nur von Vollkommenen und Starken genommen werden kann, wie es heißt: „Die Vollkommenen aber haben eine feste Speise, Jene, welche ihre Sinne durch Gewohnheit geübt haben zur Unterscheidung des Guten und Bösen.“ 64 So sehr wird diese Tugend als uns nützlich und nothwendig anerkannt, daß sie sogar mit dem Worte Gottes und seinen Kräften verbunden wird in jener Stelle: „Denn lebendig ist das Wort Gottes und wirksam und schärfer als jedes zweischneidige Schwert und durchdringend bis zur Scheidung von Seele und Geist, von Fugen und Mark und entscheidend über die Gedanken und Absichten des Herzens.“ 65 Dadurch wird ganz offenbar erklärt, daß ohne die Gnade der Unterscheidung keine Tugend weder ganz vollendet werden noch beharren könne. Und so ist sowohl durch die Entscheidung des hl. Antonius als der Übrigen bestimmt worden, daß es die Klugheit sei, welche den Mönch mit festem Schritte ohne Zagen zu Gott führe und die genannten Tugenden beständig unverletzt bewahre; daß mit ihr man zu den hohen Gipfeln der Vollkommenheit mit geringerer Anstrengung aufsteigen könne, und daß ohne sie Viele auch noch so eifrig Strebende die Höhe der Vollkommenheit durchaus nicht erreichen konnten. Denn die Mutter, Wächterin und Lenkerin aller Tugenden ist die Klugheit.

       5. Der Tod des Greises Hero.

      Damit nun diese von dem hl. Antonius und den übrigen Vätern vor Alters gegebene Bestimmung nach meinem Versprechen auch durch ein neueres Beispiel bestätigt werde, so denket an den neulichen Vorfall, den ihr mit eigenen Augen gesehen habt, nemlich an den Greis Hero, der vor nur wenigen Tagen durch teuflische Bethörung von der höchsten Höhe in die tiefste Tiefe gestürzt wurde. Wir wissen, daß er 50 Jahre in dieser Wüste weilend mit besonderer Entschiedenheit die Strenge der Entsagung hielt und die Stille der Einöde mehr als alle hier Wohnenden mit merkwürdigem Eifer suchte. Auf welche Art und Weise wurde nun Dieser nach solchen Mühen vom Versucher betrogen und hat durch seinen schrecklichen Fall alle in dieser Wüste Wohnenden mit Trauer und Schmerz erfüllt? Etwa nicht, weil er zu wenig mit der Tugend der Klugheit ausgerüstet sich lieber durch seine eigene Entscheidungen leiten wollte, als daß er den Rath und die Besprechungen der Brüder und die Grundsätze der Vorfahrer befolgt hätte? Er übte nemlich die beständige Enthaltsamkeit durch Fasten mit solcher Strenge und wahrte so beständig die Einsamkeit in der Wüste und in der Zelle, daß man von ihm weder die Theilnahme an einem mit den Brüdern zu haltenden Mahle noch je die Feier deß Osterfestes erlangen konnte. Während sich durch diese alle Brüder zur jährlichen Feierlichkeit in der Kirche halten lassen, konnte er allein nicht zur Versammlung gebracht werden, damit er ja nicht, sei es auch nur durch Annahme von ein wenig Gemüse, in seinem Vorsatze nachgelassen zu haben scheine. So durch Eigensinn betrogen nahm er, einen Engel Satans als Engel des Lichtes mit der größten Verehrung auf, gehorchte seinen Geboten mit bereitwilligstem Dienste und stürzte sich in einen Brunnen, dessen Tiefe der Blick des Auges nicht erreicht, da er nemlich an dem Versprechen seines Engels nicht zweifelte, der ihn versichert hatte, er könne wegen des Verdienstes seiner Tugenden und Mühen durchaus keiner Gefahr unterliegen. Um nun Dieß auf’s Klarste durch einen Beweis seiner Unverletzbarkeit als glaubwürdig zu bewähren, warf er sich voll Thorheit in unheimlicher Nacht in den genannten Brunnen, um, wenn er unbeschädigt herauskäme, hiedurch den großen Werth seiner Tugend zu beweisen. Als er nun mit ungeheurer Mühe der Brüder fast leblos herausgezogen worden war, blieb er, was noch ärger ist, so verstockt in seiner Bethörung, daß er sich, als er nach drei Tagen am Sterben war, nicht einmal durch den Beweis seines Todes Überzeugen ließ, wie er durch die List der Teufel betrogen sei. Deßhalb konnten Die, welche an seinem Untergange schmerzlichen Antheil nahmen, durch dieß ihr Mitleid und die größte Demuth kaum von dem Priester und Abte Paphnutius erlangen, daß Jener wegen der Verdienste so großer Mühsale und der Zahl der Jahre, die er in der Wüste aushielt, nicht unter die Selbstmörder gerechnet und auch des Andenkens und Opfers für die Entschlafenen unwürdig erklärt wurde.

       6. Von dem Unglück zweier Brüder wegen Mangels an Klugheit.

      Was soll ich sagen von jenen zwei Brüdern, welche jenseits jener Wüste von Thebais wohnten, wo einst der hl. Antonius gewohnt hatte, und die in doch gar zu wenig vorsichtiger Überlegung beschlossen hatten, bei einer Reise durch die ausgedehnte Öde der Wüste durchaus keine Speise zu nehmen, ausser die ihnen der Herr selbst bieten würde? Als sie nun dahin irrten durch die Wüste und fast verschmachteten vor Hunger, wurden sie von ferne von einigen Maziken erblickt, welcher Volksstamm unmenschlicher und grausamer ist als fast alle wilden Völker denn es reizt sie zum Blutvergießen nicht wie andere Stämme die Begierde nach Beute, sondern nur die Wildheit ihres Herzens. Als ihnen nun diese gegen die Natur ihrer Wildheit mit Broden entgegenkamen, da nahm sie der eine, dem die Klugheit zu Hilfe kam, als von Gott gereicht mit Freude und Danksagung an, da er glaubte, diese Speise werde ihm von Gott gegeben, und es sei nicht ohne Gott geschehen, daß diese, die sich stets an dem Blute der Menschen weiden, den Schmachtenden und fast Vergehenden Lebensmittel reichten; der andere aber, der die Speise als von Menschen angeboten zurückwies, starb vom Hunger aufgerieben. Obwohl diese nun mit einer tadelnswerthen Ansicht begannen, so hat doch Einer, da ihm die Besonnenheit noch kam, das, was er leichtsinnig und unvorsichtig beschlossen hatte, zuletzt, wie wir sahen, gebessert; der Andere aber, in seinem thörichten Wahne verharrend und aller Klugheit unfähig, hat sich selbst den Tod zugefügt, den der Herr abwenden wollte, da er nicht einmal glauben wollte, es sei durch göttlichen Antrieb geschehen, daß herzlose Barbaren, der ihnen eigenen Wildheit vergessend, ihnen mit Brod statt mit den Schwertern entgegenkamen.

       7. Von der Bethörung, in die ein Anderer durch Unkenntniß der Klugheit kam.

      Was soll ich nun von Jenem erwähnen, — seinen Namen will ich verschweigen, weil er noch lebt, — der lange Zeit einen Teufel in der