Im Land der Nuria. Annina Safran. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Annina Safran
Издательство: Bookwire
Серия: Die Saga von Eldrid
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783969870082
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das bewirkt, was man in dieser Situation am dringendsten braucht. Du kamst wieder zu Kräften, und bis jetzt scheint uns kein Wesen oder Geist wahrnehmen zu können.«

      Bodan hob an, noch etwas zu fragen, aber Desmond legte den Finger auf die Lippen. In diesem Moment schwebte ein Berggeist an ihnen vorbei. Bodan hielt die Luft an und zog unwillkürlich seinen Bauch ein, obwohl er sich nirgends durchquetschen musste. Schon im nächsten Moment war der Geist verschwunden. Ungläubig blickte Bodan an sich herunter. Er war sichtbar. Oder vielleicht …?

      Mehr Zeit zum Nachdenken gab es nicht. Desmond lief nun schneller voraus, und sie hatten bald die oberste Ebene erreicht. Außer Atem blieben sie stehen und blickten in den Krater hinab.

      Bodans Blick blieb auf der Ebene hängen, auf der er gefangen genommen worden war. Von dort aus hatte er versucht, zu dem Gang, der zum Schneegebirge führt, zu gelangen. Das war sein Fehler und Untergang gewesen. Nun stand er hier, schattenlos und ohne Magie. Der Weg in das Schneegebirge war jetzt frei, aber machte das noch Sinn? Würden die Schneegeister ihn anhören? Ihn, einen schattenlosen Spiegelwächter?

      Desmond schien sein Zögern zu bemerken. »Was ist?« Auf einmal flüsterte er. »Wir müssen weiter.«

      »Wo willst du hin?«, fragte Bodan.

      »Wir müssen in das Dorf der schattenlosen Wesen.«

      Bodan wich zurück. »Du willst dich verbannen?«

      »Nein.« Desmond blickte sich nervös um. »Ich will mich nicht verbannen. Wir müssen dorthin, um gehört zu werden.«

      Bodan blickte ihn verständnislos an. »Was meinst du damit, Desmond?«

      »Dafür haben wir jetzt keine Zeit. Später, Bodan, später können wir alles besprechen.«

      Oh ja, dachte Bodan. Und dann will ich erfahren, wie er seinen Schatten verloren hat. Er betrachtete nachdenklich Desmonds Rücken. Wie lange hatte er ihn nicht mehr gesehen? Er konnte sich nicht erinnern, und plötzlich, ganz plötzlich beschlich ihn ein ungutes Gefühl. Wusste er, auf wessen Seite Desmond stand? Er war so wenig gealtert, hatte ihn hier aufgespürt und mit einer Leichtigkeit befreit, die sich Bodan nicht erklären konnte. Irgendetwas behagte ihm an dieser Situation nicht. Warum, konnte er sich nicht erklären.

      Elftes Kapitel

       Wie Margot ihren Schatten verlor

      Margot überfiel die blanke Panik, als sie begriff, was geschehen war. Das wohlbehütete Geheimnis der Dena-Familie war gelüftet worden. Sie war enttarnt. Enttarnt vom Hausmeister Franz. Der langjährige Freund der Familie, den immer alle für integer gehalten hatten, nur sie nicht. Wie ging er mit dem Unmöglichen um? Hielt er sie jetzt für ein Monster? Würde er jemanden hinzuziehen? Einen Arzt? Eine Behörde? Margot lief schwer atmend vor dem Spiegel auf und ab.

      »Was mache ich jetzt nur?«, murmelte sie unentwegt. Plötzlich blieb sie stehen. Arden, durchfuhr es sie. »Ich muss Arden fragen.« Arden hatte immer eine Antwort parat gehabt. Schon fast hatte sie das leuchtende Spiegelglas berührt, das sie nach Eldrid beförderte, da schreckte sie zurück. Arden verachtete sie. Sie hatte ihren Schatten verloren. Schattenlose Wesen waren für ihn Abschaum. Dass ein Mitglied der Dena-Familie, ein Schützling seines Spiegels, den Schatten verloren hatte, grenzte für ihn an Verrat. Der Spiegelwächter hatte sie verstoßen. Nicht die Wesen des Lichts, sondern Arden. Er hätte ihre Anwesenheit noch nicht einmal im Dorf der schattenlosen Wesen ertragen. Dort wäre sie lieber geblieben als eingesperrt in diesem Haus. Doch Arden hätte ihr selbst das nicht gegönnt.

      »Wie kannst du es wagen?«, hatte er sie angeschrien.

      Sie hatten in seiner Höhle im Wald von Teja gestanden. Margot schattenlos und in Tränen aufgelöst. »Er hat mich getäuscht. Er hat uns getäuscht«, hatte sie gewimmert.

      »Das interessiert mich nicht. Du bist schattenlos, Margot!« Wutentbrannt war er im Kreis durch seine Höhle gerannt. »Du hast deinen Schatten verloren. Eine Dena. Ohne Schatten. Wie konntest du mir das antun?«

      Sie hatte nur die Schultern gehoben und ihn verzweifelt angeblickt. »Ich wollte das nicht, Arden. Bitte glaub mir doch. Ich würde nie etwas tun, was dich enttäuscht.«

      Er hatte nur höhnisch aufgelacht und plötzlich trotz seiner kleinen Statur über ihr gestanden. Sein runzliges blasses Gesicht hatte in dunklen Goldtönen geschimmert, und seine Augen wie Glut in der Asche geglitzert. Sie hatten eine ungewöhnlich dunkle Farbe, die Margot bei ihm noch nie zuvor gesehen hatte.

      »Du hast mich enttäuscht, Margot Dena. Nicht nur enttäuscht. Du hast Schande über mich gebracht. Ich bewache nicht nur den Dena-Spiegel, sondern ich wache auch über die Mitglieder der Dena-Familie, die durch Eldrid reisen. Hast du auch nur einen Hauch einer Ahnung, wie ich jetzt dastehe?« Er hatte so geschnaubt, so dass sich rote Funken von seinem Körper erhoben hatten und durch den Höhlenraum geschwebt waren.

      Zusammengesunken hatte sie auf dem warmen Boden gesessen und verzweifelt zu ihm aufgeblickt.

      »Das werde ich dir nie verzeihen.«

      »Und was wird jetzt aus mir?«, hatte sie so leise geflüstert, dass es kaum zu hören war.

      »Mit dir? Du kehrst zurück. Auch ohne deinen Schatten. Du wirst es nicht wagen, mich mit deiner bloßen Anwesenheit in Eldrid auch nur für einen Moment daran zu erinnern, was du getan hast.«

      Tränen waren ihr in Strömen über das Gesicht gelaufen. »Ich kann nicht zurück. Ein Mensch ohne Schatten in unserer Welt? Was werden meine Eltern sagen? Sieh doch nur, was sie mit Mina gemacht haben. Sie haben sie eingesperrt. Mina ist verzweifelt. Sie darf bei Tageslicht das Haus nicht verlassen, weil ihre Eltern Angst haben, dass ihre Schattenlosigkeit bekannt wird. Und meine Eltern? Meine Eltern sind viel strenger als die Scathans. Ich werde für den Rest meines Lebens das Haus nicht mehr verlassen dürfen, ohne Schatten.«

      Arden hatte höhnisch aufgelacht. »Und du denkst wirklich, dass mich das interessiert, Margot?«

      Sie hatte bitterlich geschluchzt. »Bitte, Arden. Bitte glaub mir, ich wollte das nicht. Es ist nicht meine Schuld. Bitte gib mir eine Chance, es wieder gut zu machen. Ich hole mir meinen Schatten zurück.«

      Sein Gelächter war immer lauter und grausamer geworden. »Du willst dir deinen Schatten zurückholen, Margot? Das ist lächerlich. Niemand kann sich seinen Schatten zurückholen und schon gar nicht so ein kleines dämliches Menschenmädchen, wie du es bist.« Mit diesen Worten hatte er den Dena-Spiegel aufleuchten lassen und sie mit einer einzigen Handbewegung hindurchbefördert.

      »Nein, Arden, nein, tu das nicht. Bitte!«, hatte sie noch geschrien, aber ihre Worte hatten sich nur im Haus ihrer Eltern wiedergefunden.

      Margot schreckte aus ihrer Erinnerung hoch. Sie war verloren. Arden würde ihr auch heute nicht helfen. Er hatte noch nicht einmal an die Möglichkeit gedacht, ihr Spiegelbild einzufrieren, so dass sie in Eldrid bleiben durfte. Verbittert kaute sie auf ihrer welken alten Unterlippe. Sie musste sich woanders Hilfe suchen. Hier konnte sie nicht bleiben. Nicht bei diesem Spiegel und nicht in diesem Haus. Als sie den Entschluss gefasst hatte, fiel ihr Blick auf den Spiegel, der zur Begrüßung sanft aufleuchtete. Sie lächelte ihn an. Erinnerungen stiegen in ihr hoch. Noch mehr Erinnerungen. Schöne Erinnerungen an wundervolle Begegnungen in Eldrid. Auch mit Arden. Sie hatte Arden vergöttert. Trotz seiner Erscheinung und Statur war er für sie immer unerreichbar gewesen. Sein Wissen, sein Charme – ja, Arden konnte charmant sein –, seine Eleganz hatten sie beeindruckt, und sie hatte für ihn geschwärmt. Er war der perfekte Spiegelwächter gewesen. Der Wächter über das Portal, die Welt und seine menschlichen Besucher. Ihn umgab eine Aura, ein gewisser Glanz, der sie faszinierte. Arden war alles, was sich junge Mädchen unter einem galanten perfekten Gentleman vorstellten. Dass die äußere Erscheinung nicht dazu passte, störte Margot nicht. Ganz im Gegenteil. Sie sah hindurch, war verzaubert von diesem Wesen, das so viel wusste, so viel Magie und Macht besaß. Für Margot, mit ihren damals zarten 18 Jahren, hatte Arden eine ganz besondere Anziehungskraft.

      Als Mina ihren Schatten verlor und die Schattenwolke über Eldrid wuchs,