Von Satans Hoffart hingerissen rief:
»Jesus, kleiner Jesus! Ich hab dich hoch erhoben!
Hätt ich dich bloßgestellt, statt dich zu loben,
Wärst du zur Schande statt zum Ruhm erkoren
Und einzig als ein Kind des Spotts geboren!«
Alsbald verließ ihn sein Verstand.
Ein Flor verhüllte ihn, sein Licht entschwand;
Das ganze Chaos diesen Geist durchwühlte,
Ein Tempel einst, den Ordnung reich erfüllte
Und Überfluss mit Prunk und Lichterschein.
Jetzt zog die Nacht und zog die Stille ein
Wie in ein Grabgewölbe, das fortan verschlossen.
Von nun an glich er Tieren in den Gossen;
Durchstreifte er das Land, nahm nichts mehr wahr,
Wusst nicht, ob Sommer oder Winter war,
Unnütz und schmutzig wie verbrauchte Sachen,
Neckten ihn Kinder, um ihn auszulachen.
XVII
Die Schönheit
Sterbliche, ich bin schön! ein Traum aus Stein;
Mein Schoß, darin sie alle sich versehren,
Entzündet in den Dichtern ein Begehren,
Ewig und stumm wie unbelebtes Sein.
Bin rätselhafte Sphinx, im Äther wachend,
Wie Schwäne weiß, mein Herz wie Schnee so kalt;
Bewegung hasse ich, sie ändert die Gestalt,
Noch niemand sah mich weinend oder lachend.
Die Dichter, vor der Größe der Gebärden,
Als hätte ich sie Statuen entliehn,
In ernstem Sinnen sich verzehren werden;
Ich habe, diese Schwärmer anzuziehn,
Spiegel, die alle Dinge schöner zeigen:
Die weiten Augen, denen ewige Klarheit eigen!
XVIII
Das Ideal
Es können niemals diese Schönen von Vignetten,
Geschöpfe eitler Zeiten mit entstellten Zügen,
Am Fuß die Stiefelchen, am Finger Kastagnetten,
Dem Herzen, das wie meines fühlt, genügen.
Gavarni sei das Lied auf Bleichsucht überlassen
Und das Gewisper seiner Schönen vom Spital;
Denn unter diesen Rosen, diesen blassen,
Gleicht keine Blume meinem roten Ideal.
Wonach dies Herz verlangt, das wie ein Abgrund tief,
Lady Macbeth, seid Ihr, die nach Verbrechen rief,
Ein Traum des Äschylus, vom Südwind angefacht;
Kind Michelangelos, bist Du, die große Nacht,
Die still in eigener Pose ihren Reiz entfaltet,
Der für die Münder von Titanen so gestaltet!
XIX
Die Riesin
Zur Zeit, da der Natur begeistert Kräfte schwollen,
Sie jeden Tag erschuf die ungeheure Brut,
Hätt ich bei einer jungen Riesin leben wollen,
Lustvoll, wie eine Katze bei der Königin ruht.
Gern hätte ich gesehn, wie Leib und Seel erblühten,
Wenn sie sich ungehemmt in wildem Spiele stählte,
Erraten, ob im Herzen dunkle Flammen glühten,
Am feuchten Nebel, der in ihren Augen schwelte;
Mit Muße hätte ich die Formenpracht bezwungen,
Mich auf die riesenhaften Knie hinaufgeschwungen
Und manchmal, wenn im Sommer in der ärgsten Glut
Sie sich ermattet auf den Fluren hingestreckt,
Im Schatten ihrer Brüste wohlig ausgeruht,
Dem Weiler gleich, der friedlich im Gebirg versteckt.
XX
Die Maske
Allegorische Figur im Geschmack der Renaissance
Für den Bildhauer Ernest Christophe
Lasst vor dem Florentiner Kleinod uns verweilen,
Das Muskelspiel des Leibes zu betrachten,
Drein sich erhabene Schwestern, Kraft und Anmut, teilen.
Dies Weib ist wahrhaft als ein Wunderding zu achten,
Anbetungswürdig schlank und göttergleich robust,
Auf üppigem Bett zu thronen scheint ihr Los zu sein,
Für eines Kirchenfürsten oder Prinzen Lust.
– Sieh auch dies Lächeln, wollüstig und fein,
Das schwärmerisch von Eitelkeit umspielt,
Den Blick, so schmachtend, spöttisch und verstohlen,
Dies liebliche Gesicht, in Schleier eingehüllt,
Drin jeder Zug uns sagt, siegreich und unverhohlen:
»Die Lust hat mich gerufen, die Liebe mich gekrönt!«
Dies Wesen, das so hoheitsvoll zu preisen,
Wird noch von Liebreiz überaus verschönt!
Kommt her, lasst uns die Herrliche umkreisen.
O Lästerung der Kunst! Wie unselig gewendet!
Der Götterleib der Frau, der uns das Glück verspricht,
Monströs in einem Januskopfe endet!
– Doch nein! Nur Maske ist dies lockende Gesicht,
Von affektiertem Lächeln aufgehellt,
Und schau, hier sehen wir das wahre Haupt,
Das echte Angesicht, so schauderhaft entstellt,
Dem das erlogene nicht aufzuschaun erlaubt.
Arme, große Schönheit! Köstlich sinkt
Dein Tränenstrom in mein besorgtes Herz,
Berauscht von deiner Lüge, und meine Seele trinkt
Die Flut, die deinem Aug entquillt im Schmerz!
– Doch warum weint die makellose Schönheit?
Sie legte leicht die Menschheit sich zu Füßen,
Zehrt an dem kräftigen Körper ein verborgenes Leid?
– Dass sie gelebt, du Narr, lässt ihre Tränen fließen!
Und dass sie lebt! Doch was sie mehr beklagt –
Dies lässt bis in die Knie sie erbeben –
Ist, dass sie leben muss, wenn es von neuem tagt!
Morgen und immerzu! – wie wir! – noch weiterleben!
XXI
Hymne an die Schönheit
Kommst