Die Blumen des Bösen. Charles Baudelaire. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Charles Baudelaire
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783159618111
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      Einzig geliebte, Du, ich fleh dein Mitleid an,

      Aus jenem tiefen Abgrund, wo mein Herz versinkt.

      Vom Horizont, der bleiern diese Welt umringt,

      Treibt in der Nacht das Grauen und der Fluch heran;

      Die wärmelose Sonne dort sechs Monde schwebt,

      Sechs andre Monde lang deckt Nacht das Erdental;

      Dies Land ist wie die Pole so entblößt und kahl

      – Nicht Tier noch Bach, nicht Gras noch Wald dort lebt!

      Kein Schrecknis dieser Welt erstreckt sich je so weit

      Wie dieser eisigen Sonne kalte Grausamkeit,

      Wie diese Nacht, ein Chaos, ungeheuer groß;

      Ich neide den geringsten Tieren noch ihr Los,

      Sie sinken tief in dumpfen Schlaf hinab;

      Wie langsam spult das Garn der Zeit sich ab!

      XXXI

      Der Vampir

      Du, die mir wie ein Messerstoß,

      Tief in mein klagend Herz gedrungen;

      Du, die wie ein Dämonentross

      Daherkommt, toll, von Schmuck umschlungen,

      Aus meinem Geist, der ganz zerschunden,

      Dein Haus zu machen und dein Bette;

      – Infame, so an dich gebunden

      Gleich ich dem Sträfling an der Kette,

      Dem Spieler, der aufs Spiel versessen,

      Dem Säufer, der die Flasche sucht,

      Den Würmern, die das Aas zerfressen,

      – Verfluchte du, so sei verflucht!

      Hab das behende Schwert gefragt,

      Mir meine Freiheit neu zu gründen,

      Dem heimtückischen Gift gesagt,

      Sich meiner Feigheit zu verbünden.

      Doch ach! das Gift und auch das Schwert,

      Beide mich nur verächtlich fanden:

      »Du bist nicht der Erlösung wert,

      Von den verfluchten Sklavenbanden,

      Du Tor! – Wenn wir von diesem Joch

      Durch unsre Kunst dir Freiheit gäben,

      So würden deine Küsse noch

      Den Leichnam des Vampirs beleben!«

      XXXII

      Als ich bei einer Jüdin schlimm die Nacht verbrachte,

      So legt ein Leichnam sich zu einer Leiche hin,

      Ging mir bei dem verkauften Körper durch den Sinn

      Die trauervolle Schöne, die ich zu meiden trachte.

      Sah sie, die von Natur sich hoheitsvoll bewegt,

      Den Blick, der so lebendig und so liebreich war,

      Und wie ein Helm von Duft das aufgebauschte Haar –

      Erinnerung, die meine Liebe neu erregt!

      Mit Küssen würde ich den edlen Leib bedecken,

      Und von den schwarzen Flechten zu den frischen Füßen

      Verschwenderisch all meine Zärtlichkeit ergießen,

      Könnt ich nur eine Träne eines Abends wecken,

      Grausame Königin! dass wenigstens verdunkelt

      Der Glanz, der kalt in deinen Augen funkelt.

      XXXIII

      Zu späte Reue

      Schläfst, meine dunkle Schöne, einstmals doch

      Am Grund des Grabs aus schwarzem Marmorstein,

      Dann wird Alkoven dir und Wohnung sein

      Die tiefe Grube und das feuchte Loch;

      Dann wird der Stein auf deinem Busen lasten

      Und den geschmeidig anmutsvollen Lenden,

      Des Herzens Schlagen und sein Wollen enden

      Und deiner Füße ungezähmtes Hasten;

      Dann sagt das Grab – ihm ist mein Traum bekannt,

      Denn stets begreift das Grab des Dichters Sinn –

      In langer Nacht, daraus der Schlaf verbannt:

      »Was nützt dir, unvollkommene Buhlerin,

      Dass fremd dir blieb, worum die Toten klagen?«

      – Wie Reue werden Würmer an dir nagen.

      XXXIV

      Die Katze

      Komm an mein Herz, du schöne Katze hier,

      Zieh ein der Tatze Krallen,

      Gönn einen Blick in deine Augen mir,

      Achatgesprenkelt und metallen.

      Wenn meine Finger müßig deinen Rücken

      Und deinen Kopf umschmeicheln,

      Wenn meine Hand berauscht ist vom Entzücken,

      Den Leib, der sprüht, zu streicheln,

      Seh ich im Geiste meine Frau. Sie blickt

      Wie du, mein artiges Tier,

      So schneidend kalt, als ob sie Spieße zückt;

      Von Kopf bis Fuß entströmt ihr

      Ein feiner Hauch, ein Raubtierduft, der leicht

      Um ihren braunen Körper streicht.

      XXXV

      Duellum

      Zwei Krieger, die mit Waffen aufeinanderprallen,

      Mit Funken und mit Blut ringsum die Luft besprengen.

      Die Spiele und das Eisenklirren laut erschallen,

      Wenn Liebeskümmernisse Jugend hart bedrängen.

      Die Schwerter sind zerbrochen! Die Jugend ist verblüht,

      Geliebte! Doch, mit Zähnen, mit Nägeln wohlbewehrt,

      Ahnden wir bald den Degen, den Dolch, der uns verriet.

      O Wut der reifen Herzen, in denen Liebe schwärt!

      Zu einer Schlucht, behaust von Luchs und Pardelkatzen,

      Rollen die Helden, böse sich umklammernd, fort;

      Von ihrer Haut erblühn die Dornen, die sie kratzen.

      – Der Abgrund ist die Hölle, unsrer Freunde Ort!

      Lass, Amazone, reulos uns hinuntergleiten,

      Dort glühe unser Hass in alle Ewigkeiten!

      XXXVI

      Der Balkon

      Geliebte der Geliebten, Mutter der Erinnerungen,

      O du, all meine Lust! o du, mein einziges Sinnen!

      Die von der Schönheit unsrer Zärtlichkeit durchdrungen,

      Dem sanften Zauber, darin Abende verrinnen,

      Geliebte der Geliebten, Mutter der Erinnerungen!

      Von jenen Abenden, erhellt von Kohlenglut,

      Auf