Sie werden sich zu seinem Herzen wühlen.
Wie einen jungen Vogel, der erschauert,
Will ich sein Herz aus seinem Busen reißen
Und meinem Lieblingstiere, das schon lauert,
Zum Fraß verächtlich auf den Boden schmeißen!«
Am Himmel kann er einen Thron gewahren,
Der Dichter hebt die Arme, fromm, gelassen,
Und Blitze, die den lichten Geist durchfahren,
Verhehlen ihm den Anblick wüster Massen:
– »Mein Gott, für alle Leiden sag ich Dank,
Die heilsam sind für unsre Schändlichkeiten
Und gleich dem besten und dem reinsten Trank
Auf heilige Wonnen Starke vorbereiten!
Ich weiß, dass du dem Dichter Platz bereitest
Inmitten deiner heiligen Legionen,
Und dass du ihn zum ewigen Fest geleitest,
Von Herrschaften, von Kräften und von Thronen.
Einzig im Schmerz ist Adel zu begründen,
An dem nicht Erde und nicht Hölle nagen,
Und meine Wunderkrone mir zu winden,
Muss ich dem Weltall und der Zeit auftragen.
Doch auch Palmyras längst verschollener Schmuck,
Des Meeres Perlen, seltener Edelstein,
Von deiner Hand gefasst, kann nicht genug
An Glanz und Schmelz für diesen Stirnreif sein;
Denn nur das reinste Licht wird dazu taugen,
Aus heiliger Glut, die erste Strahlen spinnt,
Wofür die wundervollen Menschenaugen
Nur klägliche und trübe Spiegel sind!«
II
Albatros
Oft fangen die Matrosen zum Vergnügen
Sich Albatrosse, welche mit den weiten
Schwingen gelassen um die Schiffe fliegen,
Die über bittere Meerestiefen gleiten.
Wenn sie sich linkisch auf den Planken drängen,
Die Könige der Bläue, wie verlegen
Und kläglich da die weißen Flügel hängen,
Ruder, die schleppend sich zur Seite legen.
Beflügelt, doch wie schwächlich und gespreizt!
Zuvor so schön, jetzt hässlich und zum Lachen!
Der eine mit der Pfeife seinen Schnabel reizt,
Der andre sucht ihn hinkend nachzumachen!
Dem Herrscher in den Wolken gleicht der Dichter,
Der Schützen narrte, der den Sturm bezwang;
Hinabverbannt zu johlendem Gelichter,
Behindern Riesenschwingen seinen Gang.
III
Erhebung
Hoch über Täler hin, hoch über Teiche,
Hoch über Wälder, Wolken, Meer und Klüfte,
Jenseits der Sonne, jenseits blauer Lüfte,
Jenseits der Grenzen aller Sternenreiche
Bewegst du dich, mein Geist, und ohne Rast,
So wie ein Schwimmer sich der Fluten freut,
Durchpflügst du tiefe Unermesslichkeit,
Von männlich namenloser Lust erfasst.
Entfliehe weit den Dünsten, die versehren,
Zu höheren Lüften hin, dort wirst du rein,
Wie himmlisch klares Labsal sauge ein
Die hellen Feuer, die den Raum verklären.
Glücklich, wer Überdruss und Leid bezwingt,
Schwer muss daran das dumpfe Dasein tragen,
Und wer empor mit starkem Flügelschlagen
Zu lichten, heiteren Gefilden dringt,
Wem Lerchen gleich Gedanken sich aufschwingen,
Die zu den Himmeln steigen in der Frühe,
– Wer überm Leben schwebt und ohne Mühe
Den Blumen zuhört und den stummen Dingen!
IV
Einklang
Natur: ein Tempelbau, lebendige Säulen ragen,
Manchmal daraus ein wirres Wort entflieht;
Der Mensch durch Wälder von Symbolen zieht,
Die mit vertrauten Blicken ihn befragen.
Wie lang ein Hall und Widerhall von weit
In Eines dunkel tief zusammenklingen,
Ton, Duft und Farbe ineinander schwingen,
Weit wie die Nacht und wie die Helligkeit.
Und Düfte gibt es, frischer als ein Kind,
Wie Wiesen grün, süß wie Oboen tönen,
– Und andere, die verderbt und üppig sind,
Die triumphierend sich unendlich dehnen,
So Ambra, Moschus, Myrrhe, Weihrauch singen
Verzückungen, die Geist und Sinn durchdringen.
V
Wie lieb ich dieser nackten Zeiten Bild
Mit Statuen, von Phöbus’ Gold umspielt,
Als Mann und Weib sich aneinander freuten,
Lebhaft und ohne Falsch und Ängstlichkeiten;
Und stählten sie die Kraft der edlen Glieder,
Sah liebevoll der Himmel auf sie nieder.
Kybele, fruchtbar, voller reicher Gaben,
Schien an den Söhnen keine Last zu haben,
Das Herz der Wölfin zärtlich überging,
Das All an ihren braunen Zitzen hing.
Der Mann war stolz auf seiner Schönen Schar,
Für die er, stark und vornehm, König war;
Früchte, die makellos und rein zu preisen,
Verlockend, in ihr festes Fleisch zu beißen!
Doch will der Dichter heute noch gewahren
Die Herrlichkeiten, die am Ursprung waren,
Wenn Mann und Weib ihm ihre Nacktheit zeigen,
Fasst seine Seele kaltes, finsteres Schweigen.
Ein grauenvolles Bild muss er da sehn:
O Missgestalten, die um Kleider flehn!
O lächerliche Rümpfe, der Maskierung wert!
Arme, verkrampfte Körper, bäuchig, abgezehrt,
Vom Gott des Nutzens, heiter, ungerührt
Als Kinder schon in erzene Windeln eingeschnürt!