Die Blumen des Bösen. Charles Baudelaire. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Charles Baudelaire
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783159618111
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      Genährt, verzehrt vom Laster, und auch ihr, Jungfrauen,

      Vom Fluch der Mütter seid ihr nicht befreit,

      Erbt ihn mit aller Schmach der Fruchtbarkeit!

      Gewiss, Schönheiten gibt’s in unserm Land,

      Die waren alten Völkern unbekannt:

      Gesichter, die von brandigen Herzen künden,

      Der Sehnsucht Schönheit mag man darin finden;

      Doch was die trägen Musen sich erdacht,

      Hat diese Brut nicht davon abgebracht,

      Dass sie der Jugend Hochachtung bezeigt,

      – Der heiligen Jugend, sanft die Stirn geneigt,

      Das Auge hell, wie Wasser klar, ganz schlicht,

      Verströmt sie überall und sorgt sich nicht,

      Wie Himmel, Vögel, Blumen, die da blühen,

      Ihr Duften, Singen und ihr sanftes Glühen!

      VI

      Leuchtfeuer

      Rubens, Lethestrom, Garten träger Schwere,

      Pfühl aus frischem Fleisch, wo man nicht lieben kann,

      Doch wie die Luft im Himmel, wie das Meer im Meere,

      Flutet dort das Leben unaufhaltsam an;

      Leonardo, Spiegel tiefer Dunkelheiten,

      Land von Gletschern und von Pinien umgeben,

      Anmutsvolle Engel durch die Schatten gleiten,

      Süße Geheimnisse in ihrem Lächeln schweben;

      Rembrandt, Siechenhaus, durch das ein Murmeln geht,

      Ein großes Kruzifix darin das einzige Bild,

      Aus Schmutz erhebt sich unter Tränen das Gebet,

      Von einem winterlichen Strahle jäh umspielt;

      Michelangelo: man kann in ödem Land,

      Christus- mit Herkulesgestalten wandeln sehn,

      Und Geister, die im Dämmern mit gespreizter Hand,

      Machtvoll ihr Leichentuch zerreißend, auferstehn;

      Du, der bei Knechten Schönheit sammeln kann,

      Schamlosigkeit des Fauns, des Boxers Wüten,

      Du großes, stolzes Herz, Du schwächlich gelber Mann,

      Puget, musst melancholisch Sträflingen gebieten;

      Watteau, ein Karneval, wo die erlauchten Herzen

      Wie Schmetterlinge flammend hin und wieder schwirren,

      Der Zierat frisch und leicht, erhellt vom Licht der Kerzen,

      Die Irres träufeln in der Tänze wilde Wirren;

      Goya, ein Alptraum nie gesehener Gestalten,

      Föten sieden mitten in dem Hexensabbat,

      Nackte Kinder vor dem Spiegel und die Alten,

      Dämonen zu verlocken, ziehn die Strümpfe glatt.

      Delacroix, am Blutsee böser Engel Scharen,

      Im schattigen Tannenwald von immer frischem Grün,

      Wo unter trübem Himmel seltsame Fanfaren,

      Wie dumpfe Seufzerklänge Webers, weiterziehn;

      All diese Flüche, Lästerungen, Klagen, Lallen,

      Diese Ekstasen, Tränen, Schreie, dies Te Deum:

      Sind Echos, die durch tausend Labyrinthe hallen,

      Für todgeweihte Herzen göttliches Opium!

      Ein Wächterruf, der laut ertönt aus tausend Kehlen,

      Ein Losungswort, das ringsum tausendfach erschallt,

      Leuchtfeuer, angefacht auf tausend Zitadellen,

      Ein Hornsignal verirrter Jäger tief im Wald!

      Denn wahrlich, Herr, das beste Zeugnis, das wir fanden,

      Von unserer Würde, um es dir zu unterbreiten,

      Sind diese Schluchzer, die durch alle Zeiten branden

      Und sterben an dem Ufer deiner Ewigkeiten!

      VII

      Die kranke Muse

      Du meine arme Muse! Was fehlt dir heute morgen?

      In deinem hohlen Blick gehn Nachtgesichte um,

      Ich seh, es huschen über dein Gesicht die Sorgen,

      Bald das Entsetzen, bald der Wahnsinn, kalt und stumm.

      Hat dir der grüne Sukkubus, der rosarote Nöck

      Aus seinem Kruge Angst und Liebe eingeschenkt?

      Hat dich die Faust des Alps, gewalttätig und keck,

      Im sagenhaften Sumpf Minturnaes tief ertränkt?

      Ein Hauch von Frische soll um deinen Busen schweben,

      Dass stärkende Gedanken immer ihn beleben;

      Dein christlich Blut, es fließe hin in steten Wellen,

      Wie Laute, die aus alten Sprachen zahllos quellen,

      Wo, Vater aller Lieder, Phoebus, noch zu hören,

      Und die den großen Pan, der Ernte Herr, beschwören.

      VIII

      Die käufliche Muse

      O Muse meines Herzens, die Paläste liebt,

      Ob es, wenn Januar den Nordwind weckt,

      Und Schnee die öden Abende bedeckt,

      Für deine blauen Füße warmes Feuer gibt?

      Belebst die Marmorschultern du verstohlen

      Am Strahl, der nachts durch deine Läden fällt?

      Mit trockener Kehle und im Sack kein Geld

      Willst du dir Gold vom Sternenhimmel holen?

      Du musst, um jeden Abend Brot zu haben,

      Das Rauchfass schwingen wie die Sängerknaben

      Und ohne Glauben das Te Deum singen,

      Musst gaukelnd hungrig auf dem Seile schweben,

      Mit deinem Lächeln, darin Tränen beben,

      Und deinem Reiz das Volk zum Johlen bringen.

      IX

      Der schlechte Mönch

      Die alten Klöster stellten an den Wänden

      Die heilige Wahrheit so in Bildern dar,

      Dass dort die frommen Herzen Wärme fänden

      In all der Strenge, die voll Kälte war.

      Damals, als Christi Acker reich bestellt,

      Wählt’ manch berühmter Mönch, der heut verschollen,

      Als Wirkungsstätte sich das Gräberfeld,

      Um so dem Tod in Einfalt Lob zu zollen.

      Mir ist die eigene Seele Grab und Klause,

      Wo ich, ein schlechter Klosterbruder, hause;

      Und nichts verschönt mir die verhassten Wände.

      O saumseliger Mönch! Ach wann denn bloß

      Mach